Straftäter im Jugendgefängnis Schleswig: "Die letzte Chance"
Diebstahl, Drogen, Einbrüche, erpresserischer Menschenraub: Der 21-jährige Alex ist wegen diverser Straftaten in der Jugendanstalt Schleswig inhaftiert - laut Urteil für fast drei Jahre. Viel Zeit, um das Leben neu zu sortieren.
Kalter Zigarettenrauch hängt in der Luft. Alex (Name geändert) zieht den Vorhang beiseite und stellt das von außen vergitterte Fenster auf Kipp. Sein Zimmer, offiziell "Haftraum" genannt, ist nur wenige Quadratmeter groß. Darin ein Bett, ein Schrank und ein Schreibtisch. "Man macht es sich schön, so gut es eben geht", sagt Alex. An der Wand hängen Fotos von seiner Familie und seiner Freundin.
Alex ist freundlich, zugewandt, scheint in sich zu ruhen. Schwer vorstellbar, dass er wegen erpresserischen Menschenraubs in der Jugendanstalt einsitzt. Alex spricht offen über sein Leben, seinen Alltag in der Jugendanstalt und seine Zukunftspläne - über die Tat möchte er heute nichts sagen. "Ist natürlich nichts Schönes." Verurteilt wurde er zu zwei Jahren und neun Monaten. Rückblickend ist er froh darüber. Er hätte nicht gewusst, was sonst noch passiert wäre, sagt er: "Die U-Haft war wie ein Schlag auf den Hinterkopf. Das ist die letzte Chance. Wenn du nicht anfängst, was daraus zu machen, ist das irgendwann nicht mehr nur der Jugendvollzug."
Jugendgefängnis: "Ein geschützter Raum", sagt die Psychologin
Jugendvollzug ist das letzte juristische Mittel, wenn andere Maßnahmen wie Anti-Aggressionstraining oder Suchtberatungen nichts gebracht haben. Freiheitsentzug ist drastisch, sagt Elisabeth Schwank, Psychologin in der Jugendanstalt – aber auch sinnvoll, weil die Haft einen geschützten Raum biete. "Dass man nicht einmal die Woche zu einer Suchtberatung geht und man ist wieder in seinem normalen Umfeld bei den Kumpels, die sowieso jeden Tag konsumieren." Ein Umfeld ohne schwierige Außenreize biete den jungen Straftätern eine echte Chance, einen anderen Weg einzuschlagen, sagt die Psychologin.
Viele Jugendliche und junge Männer lernen hier grundlegende Regeln des Alltags und des gemeinsamen Miteinanders, sagt Psychologin Elisabeth Schwank: "Man steht auf, obwohl man lieber liegen bleiben möchte, man sitzt gemeinsam am Tisch, stellt sein Geschirr weg, man hat eine Grundhöflichkeit, nicht jeder schiefe Blick muss in einer Schlägerei enden." Die Straftäter können dazu Schulabschlüsse nachholen und Ausbildungen machen - zum Koch zum Beispiel. Für bessere Perspektiven, um nach der Haft den Übergang in ein geregeltes Leben zu schaffen.
"Und dann nimmt alles seinen Lauf"
In vielen Gesprächen hat Alex mit seiner Psychologin über seine Taten gesprochen, auch über die Folgen für die Opfer. Heute ist ihm klar, warum er kriminell wurde: "Wenig Aufmerksamkeit von den Eltern, kein Halt, dann trifft man sich auf der Straße und hält deutlich besser zusammen als zuhause, wo man nicht beachtet wird. Und so nimmt dann alles seinen Lauf."
Wie die meisten inhaftierten Jugendlichen und jungen Erwachsene hier sind auch bei Alex im Laufe seines Lebens einige Straftaten zusammengekommen. Mit Schlägereien in der Schule sei es losgegangen, dann kamen Drogen dazu, Diebstahl, Körperverletzung. "Das ist wie ein Teufelskreis, der sich ständig wiederholt, aber bei jeder Umdrehung noch schlimmer wird."
Viele der Inhaftierten kommen aus schwierigen Familienverhältnissen, sagt Antje Ott, Leiterin der Jugendanstalt Schleswig. Oft ging es von einer Pflegefamilie in die nächste, dazu häufige Schulwechsel, weil die Jungs auffällig oder gar gewalttätig waren. In der Jugendanstalt machten die jungen Straftäter dann die Erfahrung, dass sie von den Betreuenden genommen werden, wie sie sind: "Wir gehen, mit einer professionellen Distanz natürlich, Beziehungen zu unseren Gefangenen ein, wir sind immer wieder da. Ich glaube, das ist etwas, das sie vorher selten bis gar nicht erlebt haben."
In Alex' Veränderungsplan steht auch sein Berufsziel - sein Traum
An der Wand des Haftraums hängt neben den Fotos von Alex' Familie ein großes, handgeschriebenes Plakat: sein Veränderungsplan mit wichtigen Ziele für sein Leben nach der Haft. Er will lernen, besser mit seinen Aggressionen umzugehen und eine Ausbildung zum Lokführer angehen - sein Traumberuf.
Noch etwa ein halbes Jahr in der Jugendanstalt hat Alex vor sich. Er sieht optimistisch in seine Zukunft: "Ich weiß jetzt, wo meine Stärken sind, was ich noch verbessern könnte. Und wenn es wieder eng wird, weiß ich, wohin ich mich wenden kann. Wo ich Unterstützung kriege, keine Scheiße zu bauen."