SH bis 2040 klimaneutral? Verlässlichkeit der Politik entscheidend
Die Konferenz der Energieminister der Länder und des Bundes läuft zurzeit in Brunsbüttel. Jetzt wird die überschattet vom Ampel-Aus in Berlin.
Gerade in dieser unsicheren Zeit sei die Verlässlichkeit in der Energiepolitik besonders wichtig, das hatte am Mittwoch noch Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt (Grüne) betont. In Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) treffen sich in dieser Woche die Energieminister aller Bundesländer zur Herbstkonferenz. Gastgeber Schleswig-Holstein möchte dabei zeigen, wie weit man bei der Energiewende ist. Das formulierte Ziel der Landesregierung: Man möchte 2040 erstes klimaneutrales Bundesland sein. Doch dabei hakt es.
Noch keine große Wasserstoff-Produktion in SH
Grüner Wasserstoff, das ist mit erneuerbarer Energie hergestellter Wasserstoff. Dieser ist laut Landesregierung wichtig für den Umbau des Energie-Systems. In Schleswig-Holstein gebe es großes Potential beim grünen Wasserstoff, auch dank der Häfen, Speicher und Pipelines, so eine Sprecherin des Umweltministeriums. Aber: Bislang wurden nur einige kleinere Elektrolyse-Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff gebaut. Große Anlagen fehlen bisher komplett. Die Raffinerie Heide hatte bereits im Herbst vergangenen Jahres ein geplantes Projekt zum Bau einer 30 MW-Elektrolyse gestoppt. Der Grund: Die Anlage sei aus Sicht der Unternehmen wirtschaftlich nicht umsetzbar.
Landesregierung fordert dennoch: Wirtschaft muss liefern
Energieminister Tobias Goldschmidt will weiter auf grünen Wasserstoff setzen. "Schleswig-Holstein steht hinter dem Ausbau des grünen Wasserstoffs, die Infrastruktur wird gebaut, die Planungen sind beschlossen, viele Unternehmen arbeiten da dran." Aber: Auch in europäischen Nachbarländern gebe es bei diesem Thema Probleme. "Das ist jetzt eine schwierige Phase, aber es gibt keinen Zweifel, dass wir viel Wasserstoff brauchen für die Energiewende und dass es das Geschäftsmodell von morgen ist." Es gebe Fördermöglichkeiten des Bundes und nun liege es an den Unternehmen, in den grünen Wasserstoff zu investieren, so Goldschmidt.
Industriegebiet Brunsbüttel: "Das wird dauern"
In Brunsbüttel gibt es noch keine große Elektrolyse-Anlage. Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports, gibt zu: "Noch haben wir hier fossile Brennstoffe wie Erdgas, wir müssen aber jetzt langsam zu CO2-neutralen Energieträgern wie Wasserstoff kommen. Das geht aber nicht so schnell wie von vielen gewünscht." Wasserstoff sei weltweit noch nicht in ausreichender Menge verfügbar.
Die Industrie in Brunsbüttel brauche künftig große Mengen, man müsse einen Teil vor Ort herstellen, in Elektrolyse-Anlagen. Aber: Das größte Problem sei die Wirtschaftlichkeit, die Produktion und die Anlagen seien sehr teuer. Schnabel ergänzt: "Wir werden hier irgendwann grünen Wasserstoff herstellen, aber das wird noch dauern. Brunsbüttel wird auch künftig noch grünen Wasserstoff importieren." In Brunsbüttel gibt es mit den Chemie-Betrieben mit insgesamt 4.000 Arbeitsplätzen einen großen Energiebedarf.
Klimaneutral bis 2040: "Auf das Machbare achten"
Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports betont, es sei grundsätzlich wichtig, dass die Landesregierung das Ziel setze bis 2040 klimaneutral zu sein. Man müsse aber auf das Machbare schauen und das alles klappe nur, wenn man Kompromisse eingehe, so der Sprecher der Werkleiterrunde des Industriegebiets. Seit zwei Jahren gebe es immer wieder konkrete Pläne für Wasserstoff-Projekte in Brunsbüttel, so Frank Schnabel. Die seien aber alle noch in der Prüfungsphase. Auch die Rahmenbedingungen seien schwierig: Es gehe um komplexe Genehmigungsverfahren und die notwendige Förderung durch den Bund. "Die Unternehmen brauchen für den Start Fördermittel aus Berlin und die aktuellen Diskussionen um den Bundeshaushalt zeigen uns ja, wie schwierig das ist."
IHK-Mitglieder wollen bei Energiewende mitmachen
Von der Industrie- und Handelskammer (IHK) gibt es grundsätzlich Zustimmung zu dem formulierten Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. Der Energie-Experte der IHK Flensburg, Björn Meyer, sagte, dass ihre Mitglieder den Weg der Landesregierung zum ersten klimaneutralen Bundesland proaktiv begleiten wollten. Allerdings würden immer mehr Firmenchefs auf die Bürokratie-Hürden und die langwierigen Genehmigungsverfahren hinweisen. Diese würden die Betriebe ausbremsen, so Meyer weiter.
Unternehmer fordern mehr Anreize für neue Ideen
Er möchte "eine Kultur des Ausprobierens": der Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste, Ken Blöcker. Politische Anreize für innovative Firmen von der Westküste - dass müssten die Regierungen in Kiel und Berlin anbieten. Stattdessen sei es durch die Blockade der Bundesregierung und einige große Bundesländer nicht gelungen, die grüne Energie dort günstiger für die Firmen anzubieten, wo sie produziert werde - wie zum Beispiel durch die Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein.
Bei der Energieminister-Konferenz in Brunsbüttel bereiten die Staatssekretäre und Staatssekretärinnen bis Freitag Entscheidungen vor. Am Freitag sollten dann eigentlich die Minister und Ministerinnen und Senatoren und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dazu stoßen. Nach dem Aus der Ampel-Regierung am Mittwoch könnte sich da aber noch etwas ändern.