Demo im öffentlichen Dienst: 4.000 Menschen in Kiel auf der Straße
Kurz vor Beginn der dritten Tarifrunde laufen in SH die Warnstreiks im öffentlichen Dienst. In vielen Landesteilen kann es deshalb heute zu Einschränkungen kommen. In Kiel lief eine große Demo.
Am Vormittag waren in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt laut ver.di gleich zwei Demonstrationszüge gestartet, und zwar vom Gewerkschaftshaus sowie vom Ostseekai zum Rathausplatz. Dort lief dann am Mittag eine große Kundgebung. Laut Polizei beteiligten sich insgesamt 4.000 Menschen an der Demo. Die Gewerkschaft sprach von 5.000 Teilnehmenden.
Lautstarker Protest mit Trillerpfeifen und Transparenten
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes waren zuvor zum Teil mit Bussen nach Kiel gekommen. Viele hatten Fahnen, Trillerpfeifen und Transparente dabei. Unter anderem war dort zu lesen: "Acht Prozent mehr Lohn!" Viele Teilnehmende äußerten sich verärgert, dass die Arbeitgeberseite noch kein Angebot vorgelegt habe. Auf einen Kompromiss einige man sich am Verhandlungstisch, nicht auf der Straße, heißt es dagegen von der Arbeitgeberseite.
Die Gewerkschaft ver.di Nord hatte weite Teile des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen im Norden erneut zum Warnstreik aufgerufen. Landesweit sollen heute Beschäftigte aller Betriebe, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (Bund und Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) fallen, ihre Arbeit niederlegen. Auch die Gewerkschaften Komba und GEW wollen sich nach eigenen Angaben an dem Ausstand beteiligen.
Betroffen sind unter anderem Verwaltungen, Energieversorger, Kindertagesstätten, Schwimmbäder, Theater oder Abfallwirtschaftsbetriebe. In städtischen Krankenhäusern könnte es wegen der Streiks zu Verschiebungen von Operationen kommen, eine Notfallversorgung sei aber gesichert, so ver.di. Außerdem steht der Schiffsverkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal noch bis heute Abend still.
Verkehrschaos um Hamburg wegen Elbtunnelsperrung?
Der Streik könnte am Abend massive Auswirkungen auf den Feierabendverkehr im Süden Schleswig-Holsteins und in Hamburg haben. Denn auch die Beschäftigten der Tunnelbetriebszentrale sind von heute Abend 18 Uhr bis morgen früh 10 Uhr zum Warnstreik aufgerufen. Das könnte dazu führen, dass nicht nur der Elbtunnel, sondern auch die A7-Tunnel Schnelsen und Stellingen sowie weitere Tunnel in der Innenstadt gesperrt werden. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist noch unklar. Die Autobahn GmbH geht nach eigenen Angaben gerichtlich gegen die geplanten Arbeitsniederlegungen vor.
Schiffsverkehr auf Nord-Ostsee-Kanal steht still
Ebenfalls zum Warnstreik aufgerufen sind seit Dienstagmorgen die Beschäftigten der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung in Kiel und Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) - mit Auswirkungen auf den Nord-Ostsee-Kanal (NOK). "Wir werden den Nord-Ostsee-Kanal komplett stilllegen für drei Tage", kündigte ver.di-Nord-Sprecher Frank Schischefsky an. Alle Schiffe, die zu Beginn des Streiks noch im NOK unterwegs waren, sollten ausgeschleust werden. Und obwohl Lotsen sind in Deutschland Freiberufler sind und in der Regel pro Schiff bezahlt werden, blickt Erik Dalege von der Bundeslotsenkammer gelassen auf den Warnstreik. "Im Großen und Ganzen können wir damit zunächst mal leben", so Dalege im Interview mit NDR Schleswig-Holstein. Die Fähren auf dem NOK sollen aber laut ver.di fahren.
Tausende beteiligten sich an Warnstreiks in vergangener Woche
Bereits in den vergangenen beiden Wochen wurde landesweit in vielen Einrichtungen gestreikt. Aufgerufen dazu hatten die Gewerkschaften ver.di, komba, dbb Beamtenbund und Tarifunion sowie die Bildungsgewerkschaft GEW. Der Fokus lag unter anderem auf dem Gesundheitsbereich. Betroffen waren deshalb Kliniken, die Rettungsdienste im Land und Senioreneinrichtungen. Aber auch in vielen Kitas, bei verschiedenen Abfallentsorgungsbetrieben oder bei Einrichtungen des Bundes wurde gestreikt. Tausende Beschäftigte hatten daran teilgenommen.
Ver.di-Sprecher Frank Schischefsky kündigte am Freitag im Anschluss an die Warnstreiks in der vergangenen Woche an: "Heute ist der Auftakt für die nächste Woche, dann geht es richtig los - dann werden wir Bereiche aufrufen, die richtig viel Geld bringen."
"Die einzigen, die diesen Streik hätten verhindern können, wären die Arbeitgeber gewesen", erklärt ver.di-Nord-Sprecher Frank Schischefsky. Er wirft der Arbeitgeberseite vor, in den bisherigen beiden Verhandlungsrunden noch überhaupt kein Angebot gemacht zu haben. "Die stehen auf Totalverweigerung, das ist überhaupt nicht nachvollziehbar und deshalb wird der Druck auch in Schleswig-Holstein noch mal erhöht."
Arbeitgeberverband: "Ver.di wollte kein Angebot"
Der Kommunale Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein (KAV SH) kritisiert die Streiks und hält sie vor der dritten Verhandlungsrunde für unnötig. Diese soll am Freitag beginnen. "Die Frage, die wir jetzt zu verhandeln haben, wird am Verhandlungstisch entschieden und nicht auf der Straße", erklärt Verbandsgeschäftsführer Jan Jacobsen. Auf die Kritik der Gewerkschaft, dass die Arbeitgeberseite bisher kein Angebot vorgelegt habe, entgegnet er, dass die Gewerkschaft zu Beginn der Verhandlungen kein Angebot hätte haben wollen. "Damit sie sich eben hinstellen können und sagen: Es kann ja wohl nicht sein, dass wir kein Angebot abgegeben haben", so Jacobsen.
Gewerkschaften fordern acht Prozent mehr Geld
Die Gewerkschaften ver.di und der dbb Beamtenbund und Tarifunion verhandeln aktuell mit Bund und Kommunen über die Einkommen der Beschäftigten. Die Gewerkschaften fordern acht Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat. Hinzu kommen höhere Zuschläge für Arbeit zu belastenden Zeiten. Ver.di möchte damit nach eigenen Angaben die Attraktivität der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst erhöhen, den Personalmangel bekämpfen und die Belastung der Beschäftigten reduzieren.
Der Arbeitgeberseite war das bislang zu viel. Zuvor blieben zwei Tarifrunden ohne Angebot durch die Arbeitgeberseite. Vom 14. bis 16. März wird die dritte Runde der Tarifgespräche in Potsdam fortgesetzt.
