Politiker-Speeddating in Lübeck: Zwölf Minuten Alltagsfragen
Die Jugend mit Politik zusammenbringen, das Verständnis für parlamentarische Demokratie fördern: Vier Landtagsabgeordnete sind dafür zum Speeddating an die Dorothea-Schlözer-Schule nach Lübeck gekommen.
Zwölf Jugendliche sitzen um einen runden Tisch. Zwischen ihnen: der Grünen-Politiker Jasper Balke. Mit seinen 26 Jahren ist er kaum älter als die Schülerinnen und Schüler. Diese sind bis 22 Jahre alt. Zwölf Minuten hat die Klasse der Ausbildungsvorbereitung Schleswig-Holstein Zeit, Fragen zu stellen.
"Wir fühlen uns als junge Menschen vom Land vernachlässigt", kritisiert Till Tessmann. Der 17-Jährige fragt Balke, warum es im Gegensatz zu Hamburg kein kostenloses Nahverkehrsticket für Schüler gibt. Hannah Kaczmarczyk erzählt, dass die Kosten für ihre tägliche Zugfahrt von Reinfeld (Kreis Stormarn) nach Lübeck für ihre Familie eine große Ausgabe sind. "Wir würden das Geld lieber in Schulmaterial investieren." Dabei gehe es auch um Chancengleichheit. In Hamburg gebe es so ein kostenloses Ticket, berichtet die Schülerin.
Verschiedene Schularten beteiligt
An insgesamt fünf Tischen diskutierten Jugendliche am Dienstag mit Politikern. Dabei waren die Landespolitiker Dagmar Hildebrand (CDU), Sophia Schiebe (SPD), Heiner Garg (FDP) und Jasper Balke (Grüne). Christian Dirschauer vom SSW musste krankheitsbedingt absagen.
Nach genau zwölf Minuten wechselten die Politiker - wie beim Speeddating - den Tisch. An jedem Tisch wurde ein Thema diskutiert. Inhaltlich ging es zum Beispiel um ein AfD-Verbot, eine Vergütung einer schulischen Ausbildung oder die Beschäftigung von ungelernten Fachkräften in pädagogischen Berufen. Die beteiligten Klassen der Berufsschule waren gemischt: von Erzieherinnen über eine Klasse der Ausbildungsborbereitung bis hin zu Gymnasiasten.
Organisatorin: "Jugendliche mit Feuer und Flamme dabei"
Bei der Diskussion um ein kostenloses Nahverkehrsticket versucht Balke zu erklären, warum es das in Schleswig-Holstein bisher nicht gibt. "Grund sind unter anderem die unterschiedlichen Nachverkehrsstrukturen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Bei unserem Nachbarn gibt es nur einen Anbieter. Ein kostenloses Ticket ist deshalb einfach umzusetzen und nicht so kostenintensiv", erklärt der Grünen-Politiker. In Schleswig-Holstein gebe es dagegen eine Vielzahl von Anbietern, das mache ein kostenloses Ticket teurer und es gebe leider keine Mehrheit im Landtag für diese Lösung, auch wenn er das befürworten würde.
Lena Becker ist die Klassenlehrerin der Ausbildungsvorbereitung. Sie hat das Speeddating organisiert. "Wir haben teilweise Analphabeten in der Klasse. Die Vorbildung ist ganz unterschiedlich. Alle sind Feuer und Flamme für die Aktion und auch daran gewachsen", meint Becker. Das Speeddating sei aufwendig vorbereitet worden. Die Schülerinnen und Schüler hätten sich im Unterricht Fragen ausgedacht, die sie konkret selbst im Alltag betreffen. "Sie sollen lernen, dass sie in unserer Demokratie eine Stimme haben und gehört werden. Die Jugendlichen können auch lernen, wie wichtig es ist, wählen zu gehen."
Lehrer wollen Interesse für Landespolitik fördern
An einem anderen Tisch sitzt ein elfter Jahrgang des beruflichen Gymnasiums Gesundheit und Soziales. Die zentrale Frage hier: Sollte der Zugang zum Medizinstudium reformiert werden? Zustimmung gab es zu diesem Thema von FDP-Politiker Heiner Garg. Weil viele sich Sorgen um einen guten Abischnitt machen, fordern die Jugendlichen andere Auswahlkriterien für das Medizinstudium. Seynep Celik schlägt ein verpflichtendes Praktikum vor dem Studium vor. "Das würde zeigen, wer für den Job überhaupt geeingnet wäre. Ansonsten würden nur Abiturienten mit einem Schnitt von 1,0 den Vorzug erhalten."
Ihr Lehrer in Wirtschaft und Politik, Philipp Wirz, hat seine Klasse zu der Aktion angemeldet. "Ich finde, dass die Landespolitik oft an den Jugendlichen vorbeigeht. Das wollte ich ändern. Die Klasse war interessiert, weil einige hier Medizin studieren wollen." Dagmar Hildebrand lobt die gute Vorbereitung der Jugendlichen. Die CDU-Abgeordnete räumt ein, dass sie es mit der konservativen Ausrichtung ihrer Partei nicht bei allen Schülerinnen und Schülern leicht hatte. "Immerhin bin ich ehrlich. Damit kommt man am weitesten." Sophia Schiebe von der SPD meint, dass es ihr im Wesentlichen nicht um Stimmenfang geht, sondern sie der Politikverdrossenheit auch bei jungen Leuten entgegenwirken möchte.