Northvolt: "Historischer Tag" für Bürgermeister von Norderwöhrden
Mit vier zu drei Stimmen hat die Gemeinde Norderwöhrden für den Bau einer Northvolt-Batteriefabrik im Kreis Dithmarschen gestimmt. Diese Entscheidung sei so erwartbar gewesen, sagte der ehrenamtliche Bürgermeister der 260-Einwohner-Gemeinde.
Kay-Uwe Evers (Freie Wählergemeinschaft Norderwöhrden), dem Bürgermeister von Norderwöhrden (Kreis Dithmarschen), war der Medienrummel am Montagabend sichtlich unangenehm - und er sprach es auch laut aus: "Das mediale Interesse hat für großen Druck gesorgt." Das sei aber auch der einzige Druck gewesen, den er und seine Gemeindevertreter vor der Abstimmung über den Bau der Northvolt-Batteriefabrik gespürt hätten. "Alle haben die demokratischen Strukturen gewahrt und uns zu keiner Entscheidung gedrängt." Trotz aller Eile müsse sich Northvolt aber auch weiter an alle Regeln halten. Seine Gemeinde werde Northvolt weiter auf die Finger schauen, so Evers. Kritiker des Projekts an der Westküste fürchten, der Ausbau der Infrastruktur könnte nicht hinterherkommen.
Voller Saal bei Abstimmung in Norderwöhrden
Um 19.30 Uhr - also pünktlich zu Sitzungsbeginn - war der Saal im Landgasthof am Montagabend voll gewesen. Alle Stühle besetzt, sodass ein gutes Dutzend der Besucher nur stehen konnte. Trotzdem blieb die Stimmung entspannt und wirkte ein wenig wie eine Mischung aus Schaulaufen und Klassentreffen. Viele kannten sich, nicht nur die Einwohnerinnen und Einwohner aus Norderwöhrden.
Schließlich haben sich die meisten der Anwesenden seit etwa zwei Jahren mehr oder weniger intensiv mit dem Thema Northvolt beschäftigt. Nach der ersten Abstimmung des Abends mit vier zu drei Stimmen für die Ansiedlung setzte der Bürgermeister seine Unterschrift unter den Durchführungsvertrag. Auch dem Satzungsbeschluss - der zweite notwendige Teil der Zustimmung - stimmten die Gemeindevertreter mit vier zu drei zu.
Anschluss an Gleise und Autobahn nun dringend gefordert
Dithmarschens Landrat Stefan Mohrdieck (parteilos) erklärte im Anschluss an die Sitzung, er sei zufrieden mit dem Ergebnis - respektiere aber auch die berechtigten Einwände derjenigen, die gegen den Fabrikbau gestimmt hatten. Er nannte den direkten Anschluss an die A23 als einen zentralen Baustein, der noch erfüllt werden müsse - daran werde aber gearbeitet.
Dem stimmte auch Bürgermeister Evers zu. Er forderte dringende Unterstützung vom Bund - und nannte als Beispiel die Infrastruktur wie einen Gleisausbau und einen dauerhaften Anschluss an die A23. Er sprach von einem historischen Moment, dem er habe beiwohnen dürfen - und war gleichzeitig froh, dass nun erst einmal wieder etwas Normalität im Ort einkehren dürfte.
Habeck: Northvolt-Ansiedlung war "viel Kampf"
"Dies ist eine große Entscheidung für unser Land und insbesondere für unsere Westküste", schrieb Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach der Enscheidung in Norderwöhrden bei Facebook. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, er sei erleichtert über die Entscheidung. Die Ansiedlung in Deutschland sei viel Kampf gewesen. Die Bahnverbindung nach Hamburg müsse jetzt allerdings besser werden.
Auch die Vorsitzende der SPD-Fraktion in Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, freut sich über die Zustimmung aus Norderwöhrden - und mahnt die Landesregierung, ihre Hausaufgaben zu machen: Sie dürfe die Kommunen vor Ort bei den anstehenden Herausforderungen, die dieses Mega-Projekt mit sich bringe, nicht allein lassen.
Unterstützumg beim Thema Wohnraum gefordert
Diese Gefahr sieht Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), mit Blick auf das Thema Wohnraum: "Ich habe den Eindruck, dass sich in Kiel oder Berlin derzeit nur wenige Gedanken darüber machen, wie in der Region ausreichend Wohnungen geschaffen werden." Das Land habe sich für die Ansiedlung von Northvolt entschieden, ließe aber die Region Dithmarschen beim Thema Wohnen derzeit ziemlich allein, so Breitner. Das müsse sich ändern.
Bund und Land fördern Projekt mit mehreren Hundert Millionen
Das schwedische Unternehmen will auf einem Areal der beiden Gemeinden Norderwöhrden und Lohe-Rickelshof eine Fabrik für Batteriezellen für E-Autos bauen. 4,5 Milliarden Euro sollen dort investiert werden - Bund und Land fördern das Projekt mit mehreren Hundert Millionen. Die Fabrik, die 2026 fertig und 3.000 Arbeitsplätze schaffen soll, ist eines der größten Industrieprojekte in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten.
Northvolt: Baubeginn soll noch im Frühjahr sein
Dass das Unternehmen nun zügig mit dem Bau der Batteriezellenfabrik starten will, erklärt Martin Höfelmann, Sprecher von Northvolt: "Wir werden noch in diesem Frühjahr den Baubeginn sehen." Es sei nun an allen, diesen historischen Moment mit Leben zu füllen. Mit großer Spannung habe er bei der Gemeindevertretersitzung zugehört - und sei letztlich mit dem Gesamtergebnis beider betroffenen Standortgemeinden sehr zufrieden. Bei einem Gesamtergebnis von 16:3 für das Projekt verspüre er den Rückenwind aus der Bevölkerung.
Der Sprecher lobte auch die Diskurskultur vor Ort und bezeichnete sie als einen weiteren Standortfaktor - neben der grünen Energie. Northvolt wolle wie geplant weiter am Zeitfenster festhalten - und rechnet mit den ersten produzierten Batterien für Elektroautos am neuen Standort im Jahr 2026.
Regionale Wirtschaft freut sich auf Northvolt
Der branchenübergreifende Arbeitgeberverband der Westküste (UVUW) freut sich über das Ergebnis in Norderwöhrden. UVUW-Vorsitzender Lutz Bitomsky kündigte an, bereits am Mittwoch bei einem parlamentarischen Abend mit Politik, Northvolt und den Arbeitgebern der Westküste "von der Theorie in die Praxis wechseln" zu wollen: "Dazu gehört auch, dass wir als Unternehmensverband erwarten, dass das angekündigte Projektbüro von der Landesregierung zeitnah umgesetzt wird. Die Region braucht bei der Jahrhundertaufgabe Ansprechpartner und Koordinatoren, um die vielen Interessen, Angebote, Ideen und Projekte der Region zusammenzuführen."
In den kommenden Jahren werde es Herausforderungen für die regionale Wirtschaft geben, aber auch Chancen, so Bitomsky weiter: "Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern zeigt, dass 18 Prozent der Arbeitgeber glauben, dass durch die Bekanntheitssteigerung der Region neue, eigene Fachkräfte rekrutiert werden. Darüber hinaus geht jedes dritte Unternehmen von einer Verbesserung der regionalen Infrastruktur aus." Noch nie hätte die Region derartige Entwicklungschancen gehabt wie jetzt, sagte Bitomsky.