Habeck zu Northvolt-Entscheidung: "Bin erleichtert über Zustimmung"
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat erleichtert darauf reagiert, dass der schwedische Konzern Northvolt im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein eine moderne Batteriefabrik bauen kann. "Die Industriestrategie geht auf", sagte er auf NDR Info.
Am Montagabend hat auch die Gemeindevertretung von Norderwöhrden im Kreis Dithmarschen dem Bau der Fabrik zugestimmt, nachdem zuvor schon die Gemeinde Lohe-Rickelshof das "Go" gegeben hatte. Bei dem Projekt geht es um Investitionen in Höhe von über 4,5 Milliarden Euro und um mindestens 3.000 neue Arbeitsplätze. Im Interview auf NDR Info spricht Wirtschaftsminister Habeck über Chancen und Risiken des Projekts für die ländliche Region in Schleswig-Holstein und darüber, was am Ende den Ausschlag für den Standort im Norden Deutschlands gegeben hat.
Herr Habeck, eine Investition von mindestens 4,5 Milliarden Euro, 3.000 Arbeitsplätze, viele Subventionen - und dann sagt das Baurecht in Deutschland, dass die betroffene Gemeinde entscheiden kann. Die Macht liegt da nicht bei der großen Politik, sondern im Kleinen. Halten Sie das für angemessen, wenn es um so ein großes Projekt geht?
Robert Habeck: Es ist ja gut gegangen. Es ist auch eine Bestätigung dafür, dass "die da oben" noch nicht machen können, was sie wollen und dass wir einen föderalen Staatsaufbau haben - dass sich also die Gewaltenteilung tatsächlich von unten nach oben aufbaut. Trotzdem müssten wir generell überprüfen, ob alle Regeln, die wir uns vor 60 oder 70 Jahren gegeben haben, noch passen. Ob wir zum Beispiel gut beraten sind, mit jedem Bundesland und einer eigenen Datenschutz-Regulierung aufzutreten im internationalen Vergleich, wo der Wettbewerb um IT-Konzerne so hart ist. Wir machen uns mit so etwas das Leben zu schwer. Aber in einem Fall wie Northvolt finde ich es richtig, dass die Kommunen mitreden und auch mitentscheiden können.
Sie waren in die Verhandlungen eingebunden und haben sich stark gemacht für den Bau der Batteriefabrik. Hat Northvolt zwischendurch klar gesagt: "Wenn Ihr uns nicht unterstützt, dann bauen wir in den USA"?
Habeck: Das war in der Tat so. Northvolt in Schleswig-Holstein beziehungsweise Deutschland anzusiedeln, war viel Kampf. Als ich Minister in Berlin wurde, gab es eine Art Vorentscheidung von Northvolt. Diese wurde aber zurückgenommen, als die Amerikaner ein riesiges Subventionsprogramm aufgelegt haben. Dann sind wir nach Brüssel gegangen. Wir mussten jeden Euro, den wir Northvolt geben, in Brüssel notifizieren lassen - so sind die Wettbewerbsregeln -, damit wir nicht den Franzosen, Spaniern oder Italienern irgendetwas wegnehmen. Dann mussten die Brüsseler erst ein neues Programm aufstellen, das ebenfalls notifiziert werden musste. Dann mussten wir nach dem neuen Programm einen neuen Förderbescheid ausstellen, der auch wieder notifiziert werden musste. Und dann hat Northvolt schließlich "Ja" gesagt.
Aber Northvolt hat den Takt bestimmt?
Habeck: Auch da gilt, was ich als Beispiel genannt habe für den Datenschutz. Die europäischen Regeln sind unfassbar kompliziert. Hinter jedem Schritt liegen Hunderte von Seiten Papier, die man einreichen muss. Das ist nicht wettbewerbsfähig. Die globale Konkurrenz - China, die USA - ist sehr robust. Aber wir haben Wettbewerbsregeln, damit wir uns in Europa nicht die starke Konkurrenz machen. Auch das ist ein bisschen aus der Zeit gefallen. Aber mit Northvolt hat es ja geklappt. Es zeigt, wie gut wir arbeiten können, wie wettbewerbsfähig wir sein können, wenn wir uns unterhaken. Das war exzellent mit der Landesregierung. Und es heißt auch, dass der Standort Deutschland und Europa interessant ist. Vielleicht ist das Entscheidendste sogar, dass es Heide geworden ist, die Westküste Schleswig-Holsteins. Dort ist die Dichte an Erneuerbaren Energien der Standortfaktor. Das hat den Unterschied gemacht gegenüber allen anderen Standorten in Europa. Northvolt hat sich ganz Europa angeguckt und hat Heide genommen wegen der Erneuerbaren Energien. Das zeigt ja, dass die Industriestrategie und die Klimaschutzstrategie eng miteinander verzahnt sind und dieser Plan aufgeht.
Ist die Northvolt-Fabrik mit dem Produkt der Batterien für E-Autos auch auf längere Sicht konkurrenzfähig mit anderen vergleichbaren Fabriken in Asien?
Habeck: Northvolt investiert viereinhalb Milliarden Euro. Wir geben auch viel öffentliches Geld dazu, das sich verschieden zusammensetzt. Netto cash sind es 700 Millionen Euro etwa. Das ist sehr viel Geld, aber Northvolt investiert deutlich mehr. Northvolt will natürlich Geld verdienen. Sie haben Abnahmeverträge mit großen deutschen Automobilherstellern. Sie werden etwa eine Million Batterien pro Jahr produzieren auf eine nachhaltige Weise. Auch der Strom ist jetzt - deswegen in Heide - erneuerbar. Ich gehe fest davon aus, dass das eine ganz langfristige Investition ist.
Entstehen die 3.000 Arbeitsplätze nach und nach oder kommen die gleich? Wie ist da Ihre Prognose?
Habeck: Die werden sich aufbauen über die Zeit. Die Fachhochschule Westküste in Heide hat im Maschinenbaubereich eine eigene Expertise. Aber natürlich werden auch Leute von außen kommen und nach Schleswig-Holstein ziehen oder pendeln. Insofern ist das Investment, die Fabrik, die Arbeitsplätze direkt nur ein Teil der wirtschaftlichen Stärkung des Landes. Denn Gastronomie, Kultur drumherum, Kitas, Schulen, Bäckereien - all das kommt als Infrastruktur und wird nachgezogen. Das ist eine Anker-Investition, die weite Bereiche der Westküste Schleswig-Holsteins stärken und attraktiver machen wird.
Aber verträgt die Gegend überhaupt einen solchen Aufschlag?
Habeck: Ja, warum nicht? Nebenan steht die Raffinerie in Heide. Sie wurde vor ein paar Jahrzehnten aufgebaut zur fossilen Produktion von Energie. Und jetzt entsteht quasi parallel die nächste Generation von industrieller Wertschöpfung. Natürlich passt das gut in die Region. Das ist eine Region, die Energie kann und die eigentlich gut gelegen ist. Die Verbindung nach Hamburg könnte ein bisschen schneller werden. Das ist ja auch eine Idee dahinter, dass die Bahn schneller zwischen Heide oder der Westküste und Hamburg pendelt, sodass die Infrastruktur jetzt hier wirklich einen Anker-Kunden hat.
Das Interview führte Stefan Schlag, NDR Info.