VIDEO: Grünes Licht für Autobatteriefabrik Northvolt in Dithmarschen (5 Min)

Habeck zu Northvolt-Entscheidung: "Bin erleichtert über Zustimmung"

Stand: 23.01.2024 11:34 Uhr

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat erleichtert darauf reagiert, dass der schwedische Konzern Northvolt im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein eine moderne Batteriefabrik bauen kann. "Die Industriestrategie geht auf", sagte er auf NDR Info.

Robert Habeck, Bundeswirtschafts- und Klimaminister (Die Grünen), lehnt an einer Wand und telefoniert. © dpa picture alliance / Flashpic Foto: Jens Krick
Beitrag anhören 8 Min

Am Montagabend hat auch die Gemeindevertretung von Norderwöhrden im Kreis Dithmarschen dem Bau der Fabrik zugestimmt, nachdem zuvor schon die Gemeinde Lohe-Rickelshof das "Go" gegeben hatte. Bei dem Projekt geht es um Investitionen in Höhe von über 4,5 Milliarden Euro und um mindestens 3.000 neue Arbeitsplätze. Im Interview auf NDR Info spricht Wirtschaftsminister Habeck über Chancen und Risiken des Projekts für die ländliche Region in Schleswig-Holstein und darüber, was am Ende den Ausschlag für den Standort im Norden Deutschlands gegeben hat.

Herr Habeck, eine Investition von mindestens 4,5 Milliarden Euro, 3.000 Arbeitsplätze, viele Subventionen - und dann sagt das Baurecht in Deutschland, dass die betroffene Gemeinde entscheiden kann. Die Macht liegt da nicht bei der großen Politik, sondern im Kleinen. Halten Sie das für angemessen, wenn es um so ein großes Projekt geht?

Robert Habeck: Es ist ja gut gegangen. Es ist auch eine Bestätigung dafür, dass "die da oben" noch nicht machen können, was sie wollen und dass wir einen föderalen Staatsaufbau haben - dass sich also die Gewaltenteilung tatsächlich von unten nach oben aufbaut. Trotzdem müssten wir generell überprüfen, ob alle Regeln, die wir uns vor 60 oder 70 Jahren gegeben haben, noch passen. Ob wir zum Beispiel gut beraten sind, mit jedem Bundesland und einer eigenen Datenschutz-Regulierung aufzutreten im internationalen Vergleich, wo der Wettbewerb um IT-Konzerne so hart ist. Wir machen uns mit so etwas das Leben zu schwer. Aber in einem Fall wie Northvolt finde ich es richtig, dass die Kommunen mitreden und auch mitentscheiden können.

Weitere Informationen
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) spricht auf einer Pressekonferenz. © NDR Foto: Stefan Böhnke

Günther zu Northvolt: "Große Entscheidung für unser Land"

Dem Bau einer Batteriefabrik in Dithmarschen steht nichts mehr im Wege - was in der überregionalen Politik für Begeisterung sorgt. mehr

Sie waren in die Verhandlungen eingebunden und haben sich stark gemacht für den Bau der Batteriefabrik. Hat Northvolt zwischendurch klar gesagt: "Wenn Ihr uns nicht unterstützt, dann bauen wir in den USA"?

Habeck: Das war in der Tat so. Northvolt in Schleswig-Holstein beziehungsweise Deutschland anzusiedeln, war viel Kampf. Als ich Minister in Berlin wurde, gab es eine Art Vorentscheidung von Northvolt. Diese wurde aber zurückgenommen, als die Amerikaner ein riesiges Subventionsprogramm aufgelegt haben. Dann sind wir nach Brüssel gegangen. Wir mussten jeden Euro, den wir Northvolt geben, in Brüssel notifizieren lassen - so sind die Wettbewerbsregeln -, damit wir nicht den Franzosen, Spaniern oder Italienern irgendetwas wegnehmen. Dann mussten die Brüsseler erst ein neues Programm aufstellen, das ebenfalls notifiziert werden musste. Dann mussten wir nach dem neuen Programm einen neuen Förderbescheid ausstellen, der auch wieder notifiziert werden musste. Und dann hat Northvolt schließlich "Ja" gesagt.

Northvolt Visualisierung der Batteriefabrik in Heide. © Northvolt
Der Bau der Northvolt-Batteriefabrik soll 3.000 Arbeitsplätze in der ansonsten strukturschwachen Region schaffen.

Aber Northvolt hat den Takt bestimmt?

Habeck: Auch da gilt, was ich als Beispiel genannt habe für den Datenschutz. Die europäischen Regeln sind unfassbar kompliziert. Hinter jedem Schritt liegen Hunderte von Seiten Papier, die man einreichen muss. Das ist nicht wettbewerbsfähig. Die globale Konkurrenz - China, die USA - ist sehr robust. Aber wir haben Wettbewerbsregeln, damit wir uns in Europa nicht die starke Konkurrenz machen. Auch das ist ein bisschen aus der Zeit gefallen. Aber mit Northvolt hat es ja geklappt. Es zeigt, wie gut wir arbeiten können, wie wettbewerbsfähig wir sein können, wenn wir uns unterhaken. Das war exzellent mit der Landesregierung. Und es heißt auch, dass der Standort Deutschland und Europa interessant ist. Vielleicht ist das Entscheidendste sogar, dass es Heide geworden ist, die Westküste Schleswig-Holsteins. Dort ist die Dichte an Erneuerbaren Energien der Standortfaktor. Das hat den Unterschied gemacht gegenüber allen anderen Standorten in Europa. Northvolt hat sich ganz Europa angeguckt und hat Heide genommen wegen der Erneuerbaren Energien. Das zeigt ja, dass die Industriestrategie und die Klimaschutzstrategie eng miteinander verzahnt sind und dieser Plan aufgeht.

Ist die Northvolt-Fabrik mit dem Produkt der Batterien für E-Autos auch auf längere Sicht konkurrenzfähig mit anderen vergleichbaren Fabriken in Asien?

Habeck: Northvolt investiert viereinhalb Milliarden Euro. Wir geben auch viel öffentliches Geld dazu, das sich verschieden zusammensetzt. Netto cash sind es 700 Millionen Euro etwa. Das ist sehr viel Geld, aber Northvolt investiert deutlich mehr. Northvolt will natürlich Geld verdienen. Sie haben Abnahmeverträge mit großen deutschen Automobilherstellern. Sie werden etwa eine Million Batterien pro Jahr produzieren auf eine nachhaltige Weise. Auch der Strom ist jetzt - deswegen in Heide - erneuerbar. Ich gehe fest davon aus, dass das eine ganz langfristige Investition ist.

Weitere Informationen
Northvolt Visualisierung der Batteriefabrik in Heide. © Northvolt

Northvolt bei Heide: Chancen und Risiken der Gigafactory

Die Batteriefabrik wird Dithmarschen verändern: Wo sollen Arbeiter, Wohnungen und Kita-Plätze herkommen? mehr

Entstehen die 3.000 Arbeitsplätze nach und nach oder kommen die gleich? Wie ist da Ihre Prognose?

Habeck: Die werden sich aufbauen über die Zeit. Die Fachhochschule Westküste in Heide hat im Maschinenbaubereich eine eigene Expertise. Aber natürlich werden auch Leute von außen kommen und nach Schleswig-Holstein ziehen oder pendeln. Insofern ist das Investment, die Fabrik, die Arbeitsplätze direkt nur ein Teil der wirtschaftlichen Stärkung des Landes. Denn Gastronomie, Kultur drumherum, Kitas, Schulen, Bäckereien - all das kommt als Infrastruktur und wird nachgezogen. Das ist eine Anker-Investition, die weite Bereiche der Westküste Schleswig-Holsteins stärken und attraktiver machen wird.

Aber verträgt die Gegend überhaupt einen solchen Aufschlag?

Habeck: Ja, warum nicht? Nebenan steht die Raffinerie in Heide. Sie wurde vor ein paar Jahrzehnten aufgebaut zur fossilen Produktion von Energie. Und jetzt entsteht quasi parallel die nächste Generation von industrieller Wertschöpfung. Natürlich passt das gut in die Region. Das ist eine Region, die Energie kann und die eigentlich gut gelegen ist. Die Verbindung nach Hamburg könnte ein bisschen schneller werden. Das ist ja auch eine Idee dahinter, dass die Bahn schneller zwischen Heide oder der Westküste und Hamburg pendelt, sodass die Infrastruktur jetzt hier wirklich einen Anker-Kunden hat.

Das Interview führte Stefan Schlag, NDR Info.

Weitere Informationen
Gemeindevertreter von Norderwöhrden (Kreis Dithmarschen) stimmen über den Bau der Batteriefabrik bei Heide ab. © NDR Foto: Jörg Jacobsen

Northvolt: "Historischer Tag" für Bürgermeister von Norderwöhrden

Die Entscheidung für den Bau der Batteriefabrik bei Heide ist gefallen. Die Reaktionen fallen größtenteils positiv aus. mehr

Northvolt Visualisierung der Fabrik in Heide. © Northvolt

Von der Idee zum Bau: Die Geschichte von Northvolt bei Heide

Seit knapp zwei Jahren laufen die Planungen für die riesige Batteriefabrik. Was ist wann passiert? Wir blicken zurück. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 23.01.2024 | 08:05 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Energie

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine Frau hält ein Smarthphone in die Kamera, auf dem Display steht "#NDRfragt" © PantherMedia Foto: Yuri Arcurs

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Mehr Nachrichten

Ein Passant mit Regenschirm und Polizisten stehen vor dem geschlossenen Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © dpa Foto: Sebastian Kahnert

Anschlag in Magdeburg: Gedenken und Schweigeminute in Norddeutschland

Weihnachtsmärkte wie in Rostock, Greifswald und Kiel beteiligten sich am Samstagabend an einer bundesweiten Schweigeminute für die Toten und Verletzten. mehr