Agrarministerium von SH lässt mehr Jagd auf Wildgänse zu

Stand: 29.07.2024 20:36 Uhr

Landwirte sehen sich durch Wildgänsefraß in ihrer Existenz bedroht, wenn die Vögel immer wieder kahl gefressene Felder hinterlassen. Das Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holsteins setzt daher erweiterte Jagdzeiten für Wildgänse durch. Der NABU prüft eine Klage.

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) hat per Verordnung eine Abschussverlängerung für Gänse beschlossen. Sie gilt ab dem 1. August und für ganz Schleswig-Holstein. Grau-, Kanada- und Nilgänse dürfen dann von Mitte Juli bis Ende Januar bejagt werden, die streng geschützten Nonnengänse (auch als Weißwangengänse bekannt) von Oktober bis Ende Februar. Laut der Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, Anne Benett-Sturies, ist das eine Maßnahme, um Landwirten zu helfen, die sich durch von Gänsen kahl gefressene Felder in der Existenz bedroht sehen.

Entscheidung ohne die Koalitionspartner der Grünen

Die Entscheidung wurde ohne die Koalitionspartner von den Grünen und trotz der Kritik von Umweltschützern getroffen. Sogenannte Ministerverordnungen wie diese müssen nicht erst durch den Landtag. "Die Schäden sind inzwischen existenzbedrohend für die Betriebe, und deshalb sehen wir es als eine Möglichkeit im Gesamt-Instrumentenkasten, den wir den Landwirten zur Verfügung stellen wollen", erklärt Benett-Sturies den Schritt.

NABU spricht von Verstoß gegen Europäisches Recht

Heftige Kritik kommt von Umweltschutzverbänden. Mehr Jagd verschärfe das Problem nur, weil die Gänse dann häufiger auffliegen und mit mehr Hunger auf anderen Feldern weiterfressen. Der NABU prüft eine Klage, da er gerade bei den Weißwangengänsen einen klaren Rechtsverstoß sehe, sagt der NABU-Landesvorsitzende Alexander Schwarzlose.

"Das Europäische Recht stellt alle europäischen Vogelarten unter strengen Schutz und erlaubt nur unter sehr engen Voraussetzungen Ausnahmen davon. Und diese engen Voraussetzungen werden hier massiv überschritten." Alexander Schwarzlose, NABU-Landesvorsitzender

Die bisherigen Regelungen würden den Rechtsrahmen schon vollständig ausschöpfen, so Schwarzlose. Die rechtlichen Änderungen ab August kommen trotz Kritik aus dem von den Grünen geführten Umweltministerium. Dort heißt es, die Weißwangengans sei eine Zugvogelart, die zu Recht stark geschützt werde. Umweltminister Tobias Goldschmidt hatte laut Ministerium darauf hingewiesen, dass die Weißwangengans europarechtlich nur in engen Ausnahmefällen geschossen werden dürfe. Hier mehr Ausnahmen zuzulassen, sei von CDU-Jagdminister Werner Schwarz alleine zu verantworten, so eine Sprecherin.

Bauernverband SH lobt die neue Jagdregelung

Schwarz selbst sprach von einer Entlastung der Landwirte, die seit Jahren unter den Gänsen litten. Der Bauernverband Schleswig-Holstein begrüßt die Entscheidung und bezeichnete sie als einen ersten positiven Ansatz für die wirksame Regulierung wachsender Gänsepopulationen. Der Schaden durch Gänsefraß habe zeitweise ein "existenzbedrohendes Ausmaß" in der Landwirtschaft erreicht. Der Verband spricht für 2024 von monetären Verlusten zwischen zehn und elf Millionen Euro. Besonders von Gänsefraß betroffen sei die Landwirtschaft an der Westküste und auf den Inseln.

Umlenkung der Gänse auf Naturschutzflächen denkbar

Beispielsweise die Nonnengans wird laut Bauernverband bereits mit Ausnahmeregelung geschossen, um Felder und Erträge zu schützen - hauptsächlich in Dänemark und den Niederlanden, obwohl dort das gleiche EU-Artenschutzrecht gilt wie hier. "Langfristig sollte es das dauerhafte Ziel sein, die Gänse auf sogenannte Duldungsflächen, also Naturschutzflächen oder landwirtschaftliche Vertragsnaturschutzflächen zu lenken", erklärt der Bauernverband auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein. Dafür müssten diese jedoch für die Tiere attraktiver werden.

Ob die verlängerten Jagdzeiten Wirkung zeigen, bleibt abzuwarten. Nach NABU-Angaben müssen laut der neuen Verordnung die erlegten Nonnengänse nicht mehr gesondert erfasst werden. Das sei problematisch, so die Naturschützer: "Damit würde eine fachliche Bearbeitung der Fragen, ob beziehungsweise inwieweit die Bejagung überhaupt zur Schadensvermeidung auf bestimmten Landwirtschaftskulturen beitragen kann und wie sie sich auf die Rastpopulation auswirkt, erheblich erschwert werden."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 29.07.2024 | 19:30 Uhr

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