VIDEO: Sturmflut: Unterstützungspaket in Großenbrode vorgestellt (3 Min)

Land macht Druck auf Kommunen beim Küstenschutz

Stand: 07.03.2024 18:30 Uhr

Die Ostsee-Sturmflut im Oktober 2023 hat allein an den Küstenschutzanlagen Schäden in Höhe von 45 Millionen Euro verursacht. Das Land will 90 Prozent der Kosten für den Wiederaufbau übernehmen und plant noch mehr.

von Hauke Bülow

Die Sonne scheint über Großenbrode im Kreis Ostholstein. Dazu eine leichte Brise. Dass hier vor knapp fünf Monaten eine Jahrhundertsturmflut Millionenschäden angerichtet hat, ist kaum noch zu erahnen. Die Seebrücke allerdings ist seit Oktober gesperrt. Niemand darf da rauf. Der Wellenschlag hatte Bohlen und Teile des Geländers zerstört. Der Schaden allein hier: 300.000 Euro. Noch schlimmer hatte es die drei Regionaldeiche getroffen. Bürgermeister Peer Knöfler (CDU) ist froh, dass inzwischen zwei Deiche wieder intakt sind. In den kommenden Wochen soll auch der dritte wieder komplett repariert sein.

Land übernimmt 90 Prozent der Kosten

So wie Großenbrode geht es vielen Gemeinden an der Ostseeküste. Der Wiederaufbau der Küstenschutzanlagen - dazu gehören beispielsweise Deiche, Dünen und Ufermauern - läuft. Küstenschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) hat am Donnerstag in Großenbrode bei einem Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern von Land, Kreisen, betroffenen Kommunen sowie zuständigen Wasser- und Bodenverbänden darüber informiert, wie das Unterstützungspaket des Landes aussieht. Dabei macht er deutlich, dass es jetzt vor allem darum gehe, die Deiche vor der nächsten Sturmflutsaison im Oktober wieder fit zu machen. Das Land übernehme 90 Prozent der Kosten dafür, wenn die Verantwortlichen vor Ort das bis Ende April auch beantragen. Außerdem müssten sie bis Ende September fertig werden. Es gebe keinen Grund abzuwarten, die Deiche zu reparieren, so Goldschmidt.

Regionaldeiche könnten zu Landesschutzdeichen werden

Küstenschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) spricht vor Vertreterinnen und Vertretern von Land, Kreisen, betroffenen Kommunen sowie zuständigen Wasser- und Bodenverbänden zum Thema Küstenschutz. © NDR Foto: Hauke Bülow
Goldschmidt sagt den Kommunen zu, das Land werde die Deiche übernehmen, sobald sie wieder Instand gesetzt sind.

Gleichzeitig warnt Goldschmidt vor den Folgen des Klimawandels. Der Meeresspiegel der Ostsee würde bis Ende des Jahrhunderts um 80 Zentimeter steigen - seit Beginn der Aufzeichnungen. Dadurch werde sich auch die Küstenlinie stark verändern, unter anderem durch größere Deiche, die auch Jahrhunderthochwassern standhalten müssten. Diese Landesschutzdeiche müssten laut Goldschmidt vor allem in den Regionen entstehen, in denen viele Menschen hinter den Deichen wohnen oder besondere Infrastruktur geschützt werden muss, beispielsweise Fabriken.

Die Planung und Umsetzung der sogenannten "Klimadeiche" obliege allerdings den Verantwortlichen vor Ort - also Kommunen, beziehungsweise Wasser- und Bodenverbänden in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien und Ämtern. Die Kosten für die neuen Deiche würde das Land zu 95 Prozent übernehmen, verspricht Goldschmidt. Danach sogar die Deiche selbst. Das Land würde sich also um die Instandhaltung kümmern. Der Weg dorthin allerdings dürfte lang sein.

Kommunen befürchten Überforderung

Die anwesenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei der Veranstaltung zeigen sich nach der Präsentation skeptisch. Zwar freuten sie sich über die hohen Förderzusagen. Die Bürgermeisterin von Scharbeutz, Bettina Schäfer (parteilos), aber kritisiert, dass den Gemeinden zu viele Aufgaben vom Land aufgebürdet würden. Ähnlich äußert sich der Bürgermeister von Timmendorfer Strand, Sven Partheil-Böhnke (FDP). Er könne sich kein Personal schnitzen. Die Gemeinden bräuchten mehr Unterstützung vom Land bei der Planung und Umsetzung solcher Maßnahmen, so Partheil-Böhnke.

Auch Mathias Rohde vom Landesverband der Wasser- und Bodenverbände kritisiert die Pläne des Landes. "Wir begrüßen das Ziel, Regionaldeiche zu Landesschutzdeichen zu machen", erklärte Rohde. Bedenken hätten die Wasser- und Bodenverbände bei dem Weg zu diesem Ziel. Das Land sollte von Anfang an verantwortlich für den Prozess sein, findet Rohde. Denn die ehrenamtlich geführten Wasser- und Bodenverbände hätten weder die Man-Power noch das fachliche Know-How, um solche Millionenprojekte federführend in Auftrag zu geben.

Goldschmidt: "Lassen Gemeinden nicht allein"

Goldschmidt verteidigt die Pläne der Landesregierung. Die Kommunen beziehungsweise Wasser- und Bodenverbände seien per Gesetz zum Hochwasserschutz verpflichtet. Daher halte das Land auch nicht das Personal vor, um für die gesamte Ostseeküste neue Deiche zu planen. Das sei nicht seine Aufgabe. Um den Kommunen allerdings bei den anstehenden Herausforderungen zu helfen, habe das Land ein Kompetenzzentrum aufgebaut, an das sich die Verantwortlichen jederzeit wenden könnten.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 07.03.2024 | 16:00 Uhr

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