Heizungsgesetz: Kompromiss frustriert Umweltminister in SH
Dass das "Gezerre" um das Gebäudeenergiegesetz vorbei ist, freut Tobias Goldschmidt (Grüne) grundsätzlich. Doch Schleswig-Holsteins Umweltminister kritisiert, das Gesetz sei abgeschwächt worden. Ernsthafter Klimaschutz sei so nicht machbar.
Frust bei Schleswig-Holsteins Umweltminister: Das neue Gebäudeenergiegesetz soll zwar wie bisher geplant bereits am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten. Verpflichtend sind die Vorgaben nach dem Ampel-Kompromiss zunächst allerdings erst einmal nur für Neubauten. "Es ist ziemlich klar, dass das kein guter Tag für den Klimaschutz ist", sagt Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) am Rande des Landtags.
Kein Tausch von funktionierenden Heizungen, Reparatur möglich
Im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein konkretisierte er seine Kritik: "So eine Abschwächung, ich würde fast von einer Entkernung sprechen", sei ein Zeichen, "dass es offensichtlich in Berlin keine parlamentarische Mehrheit für ernst gemeinten Klimaschutz gibt".
Ab 2024 soll laut Gesetzentwurf möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden. Es müssen aber keine funktionierenden Heizungen ausgetauscht werden, außerdem dürfen defekte Heizungen repariert werden. Bis 2028 müssen Kommunen darüber hinaus Wärmeplanungen vorlegen. Dann wissen Hausbesitzer, wo Wärmenetze gebaut werden sollen, und können entscheiden, ob sie sich anschließen lassen.
"Fehlleistung des gesamten Regierungsteams"
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte nach den Beratungen erklärt, die Einigung biete die Chance, "die Debatte zu befrieden und den gesellschaftlichen Rückhalt für Klimaschutz zu stärken". Sieht also Goldschmidt Fehler bei seinem Parteifreund? "Fehler haben, glaube ich, alle gemacht." Es sei eine "Fehlleistung des gesamten Regierungsteams", findet Goldschmidt.
Aus seiner Frustration macht Goldschmidt keinen Hehl: "Weil ich jemand bin, der an Klimaneutralität 2040 oder 2045 glaubt, und weiß, dass es für alle eine große Kraftanstrengung ist." Die bewältige man aber nicht, wenn "man immer dann, wenn es schmerzhaft wird und wenn es zu Veränderungen führt, sich in die Büsche schlägt und wackelt."
Haus & Grund begrüßt Kompromiss
Der Grundeigentümerverband Haus & Grund Schleswig-Holstein begrüßt hingegen den "praxistauglichen Kompromiss" aus Berlin. Vorstandsvorsitzender Alexander Blažek fordert, das Energiewende- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein unverzüglich nachzubessern und an die Regelungen des neuen Gebäudeenergiegesetzes anzupassen. "Ein schleswig-holsteinischer Sonderweg wäre ein Schildbürgerstreich und würde die Menschen nach dem langen Chaos um den 'Habeckschen-Heizungs-Hammer' vollends verwirren", so Blazek. Es müsse der Grundsatz gelten: Zunächst kommunale Wärmeplanung, danach die Verpflichtung von Immobilieneigentümer, erneuerbare Energien einzubauen, sofern keine Wärmenetz kommt.
SPD und FDP mit Kompromiss zufrieden
SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller ist mit der Einigung zufrieden. Für ihn sei beim Klimaschutz entscheidend, "dass der Weg dahin so funktioniert, dass alle mitkommen. Dass es sozial gerecht ist. Und dafür beschreiten wir jetzt den richtigen Weg", so Losse-Müller. Er sieht nun das Land in der Pflicht. Es müsse eine Landesinfrastrukturgesellschaft gründen, "die Kommunen beim Bau von Wärmenetzen unterstützt, die kein eigenes Stadtwerk haben." Außerdem müsse die Regierung schnellstmöglich die zugesagten Bürgschaften für Stadtwerke in Höhe von zwei Milliarden Euroauf den Weg bringen.
Auch FDP-Fraktionschef Christopher Vogt lobt den Berliner Kompromiss. Das von Habeck vorgelegte Gesetz sei "vom Kopf auf die Füße gestellt" und "massiv entschärft" worden. Darüber sei er erleichtert, so Vogt. Es sei richtig gewesen, dass die FDP sich für Änderungen eingesetzt habe, denn das Thema habe für große Verunsicherung gesorgt. Ministerpräsident Daniel Günther spricht von einem "Schritt in die richtige Richtung", denn nun werde erst mit einer Wärmeplanung nach großen Lösungen - und in einem zweiten Schritt dann nach individuellen Lösungen gesucht.
Andere Bereiche müssen mehr einsparen
Für Minister Goldschmidt geht es jetzt darum, nach vorne zu gucken. "Das bedeutet für mich, dass andere mehr machen müssen", sagt Goldschmidt. Damit meint er etwa den Verkehrssektor, die Landwirtschaft oder den Energiesektor.
Dann erinnert Goldschmidt noch an das Pariser Klima-Abkommen von 2015, bei dem die Senkung von Emissionen vereinbart worden ist. "Wir haben in Paris Verträge unterschrieben. Und bisher habe ich die Forderung nicht gehört, dass Angela Merkel aus dem Ruhestand zurückkommen muss und in Paris nachverhandeln soll."
Ein Marathon in der kommunalen Arbeit
Jörg Bülow vom schleswig-holsteinischen Gemeindetag sieht viel Arbeit auf die Kommunen zukommen. Wenn alle Kommunen bundesweit gleichzeitig die Wäreplanung beauftragen, werde es bei Personal und Dienstleistern sicher einen Engpass geben. "Die Wärmewende wird damit zu einer der wichtigsten kommunalpolitischen Steuerungsaufgaben der nächsten Jahre", so Bülow. Die Wärmeplanung sei ein Marathonlauf, der noch einige Jahre in Anspruch nehmen werde.