Hat grüner Wasserstoff in Schleswig-Holstein eine Zukunft?

Stand: 24.11.2023 19:47 Uhr

Grüner Wasserstoff war lange in aller Munde. Politiker und Energieexperten haben deutschlandweit immer wieder neue Projekte vorgestellt. Doch in Schleswig-Holstein ist die Euphorie etwas verflogen.

von Carsten Rauterberg

Grüner Wasserstoff gilt als Schlüsselelement der Energiewende. Er wird mit Strom aus regenerativen Energien hergestellt - durch Elektrolyse. Ein großes Projekt auf diesem Gebiet in Heide (Kreis Dithmarschen) ist jetzt gescheitert. Die 30 Megawatt-Anlage auf dem Gelände der Raffinerie Heide wird definitiv nicht gebaut. Das gaben die beteiligten Investoren Raffinerie Heide, Hynamics Deutschland und Ørsted Deutschland vor gut einer Woche bekannt. Der Bau und der Betrieb der Anlage rechne sich bei den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht, so die beteiligten Firmen.

VIDEO: Wasserstoff-Projekt "Westküste 100": Anlage wird nicht gebaut (4 Min)

Land will Wasserstoff-Projekte weiter fördern

Aus dem jetzt gescheiterten Projekt in Heide könne man viel lernen, sagt Staatssekretär Joschka Knuth (Grüne). Man könne daran sehen, an welchen Stellschrauben man drehen müsse, um andere große Projekte wettbewerbsfähig zu machen. Die Landesregierung setze weiter auf grünen Wasserstoff, auch auf dem Weg hin zum klimaneutralen Bundesland. Knuth sagt: "Grüner Wasserstoff ist das Schlüsselmolekül für die Energiewende. Wir brauchen den grünen Wasserstoff, um Speicherfähigkeit herzustellen, um auch hohe Lasten herzustellen und auch, weil er günstig ist im Transport." Auf grünen Wasserstoff sei nicht zu verzichten, betont Knuth.

Rahmenbedingungen durch den Bund notwendig

Der Bund müsse nun so schnell wie möglich die Rahmenbedingungen herstellen, damit grüner Wasserstoff wirtschaftlich hergestellt werden könne, so Knuth. "Entscheidend sind unter anderem zwei Punkte: Es ist einerseits die CO2-Bepreisung. Die muss hoch, um auch die grünen Produkte wettbewerbsfähig zu machen." Und dazu brauche man gute Bedingungen, um günstigen grünen Strom zur Verfügung stellen zu können, um so wiederum grünen Wasserstroff zu produzieren, so Knuth.

Grüner Wasserstoff bereits in Nordfriesland

In Schleswig-Holstein sind in den vergangenen Jahren schon viele innovative Projekte zum grünen Wasserstoff angeschoben worden, sagt Annika Erichsen, die Leiterin der Landeskoordinierungsstelle Wasserstoffwirtschaft. Derzeit gebe es landesweit 40 Projekte, 25 davon seien sehr konkret, und sieben Elektrolyse-Anlagen seien bereits in Betrieb. Von diesen Projekten im deutlich kleineren Maßstab könne man viel lernen, so Erichsen.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für grünen Wasserstoff

"Der Mobilitätsbereich ist für den Hochlauf des grünen Wasserstoffs wichtig und bei diesen kleineren und überschaubaren Projekten gibt es derzeit eine höhere Bereitschaft zu investieren", sagt Annika Erichsen. Sie will mit der Landeskoordinierungsstelle für eine Vernetzung der einzelnen Projekte sorgen, damit die Unternehmen voneinander lernen können. Dabei brauche man im Norden sowohl kleinere und mittlere Anlagen sowie künftig auch größere - wie die ursprünglich bei der Raffinerie Heide geplante Anlage, so Erichsen. Grüner Wasserstoff könne schließlich als Treibstoff für Lkw und auch in großen Mengen in der Industrie eingesetzt werden.

Positive Erfahrungen in Nordfriesland

Die Firma GP Joule in der Gemeinde Reußenköge (Kreis Nordfriesland) beschäftigt sich seit zwölf Jahren mit dem Thema grüner Wasserstoff. Fabian Faller, Bereichsleiter Energiewirtschaft: "Derzeit betreiben wir an vier Standorten in Schleswig-Holstein Elektrolyse-Anlagen, mit 70 Tonnen Wasserstoff pro Quartal, und den bringen wir vor allem in die verkehrliche Nutzung - konkret an Wasserstoff-Tankstellen." Sein Unternehmen könne die Projekte umsetzen, weil man regional aufgestellt sei und mit Partnern vor Ort umsetze.

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Bau weiterer Anlagen in Planung

"Wir schaffen das, weil wir ein mittelständisches und inhabergeführtes Unternehmen sind und weil wir was machen wollen" sagt Fabian Faller. Dabei suche man sich immer Partner - öffentliche wie eine Kommune oder auch aus der Wirtschaft. GP Joule betreibt derzeit Elektrolyse-Anlagen mit einer Leistung von 250 Kilowatt und bis zu zwei Megawatt. "In dieser Richtung wollen wir weitermachen und planen jetzt Anlagen von zehn Megawatt." Man müsse allerdings auch in die Technik investieren und ins Risiko gehen und das sei bei kleineren Anlagen natürlich eher möglich, so Faller.

Großprojekt an der Westküste

Trotz des Scheiterns des Großprojektes bei der Raffinerie Heide gibt es an der Westküste aktuell Pläne für eine weitere große Elektrolyse-Anlage. Beteiligt an dem Projekt HyScale100 ist unter anderem der Zementhersteller Holcim aus Lägerdorf bei Itzehoe (Kreis Steinburg). Projektleiter Arne Stecher: "Wir müssen unsere Produktion im Zementwerk dekarbonisieren, spätestens 2028 wollen wir klimaneutral sein und dafür brauchen wir grünen Wasserstoff."

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Vorteile bei großen Anlagen zur Elektrolyse

Holcim plant mit weiteren Unternehmen eine 500 Megawatt-Elektrolyse-Anlage, also deutlich größer als der bei der Raffinerie Heide geplante Elektrolyseur. Arne Stecher erklärt, warum das sinnvoll ist: "Je größer ich eine Anlage baue, desto mehr Teiler habe ich für die Fixkosten und desto wirtschaftlicher ist es. Ich habe dann Synergien für die Technologie und bei der Produktion." Wenn sich die Rahmenbedingungen verbesserten, könne man zeitnah mit den konkreten Planungen für eine große Elektrolyse-Anlage beginnen.

Wissenschaft: Technisch machbar

An der Fachhochschule Westküste in Heide beschäftigt sich Prof. Oliver Opel mit dem grünen Wasserstoff. Der Leiter des Instituts für die Transformation des Energiesystems (ITE) sagt: "Technisch machbar sind die Elektrolyse-Anlagen - und zwar in kleinerem als auch in größerem Maßstab. Das Problem ist aber die Wirtschaftlichkeit der größeren Elektrolyseure."

Rahmenbedingungen noch nicht optimal

Die großen Anlagen seien derzeit leider noch nicht wirtschaftlich genug, so Opel. "Der grüne Strom ist zur Zeit noch zu teuer, obwohl er bei uns in Schleswig-Holstein durch die vielen Windkraftanlagen in großen Mengen ausreichend vorhanden ist." Ein weiteres Problem seien die gestiegenen Kosten für die Produktionsanlagen. Und ein dritter Faktor sei der Preis für die Kunden, so Opel. Der grüne Wasserstoff sei derzeit wegen der CO2-Bepreisung im Vergleich zum normalen - dem grauen Wasserstoff - einfach noch zu teuer.

Oliver Opel ist aber zuversichtlich, dass sich das sich vielleicht schon im kommenden Jahr ändert. Denn nicht nur die Landesregierung in Kiel, sondern auch Unternehmen und Experten forderten eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Umsetzen könne das aber nur das Bundeswirtschaftsministerium.

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Schleswig-Holstein Magazin | 22.11.2023 | 19:30 Uhr

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