Geflüchtete: Der Platz in den Kommunen wird knapp
Das Beispiel Kronshagen zeigt: Es mangelt an Wohnungen und in den Gemeinschaftsunterkünften wird der Platz knapp. Die Kommunen fordern deshalb, dass das Land Abhilfe schafft. Integrationsministerin Touré lädt deshalb zu einem Spitzengespräch ein.
Die Antwort des Bürgermeisters lässt die ukrainischen Frauen aufatmen. Er hat ihnen gerade versichert, dass sie die Gemeinschaftsunterkunft in Kronshagen bei Kiel nicht verlassen müssen - auch wenn weitere Flüchtlinge kommen. In der Küche sitzen sie an diesem Donnerstagvormittag bei Tee und Schokolade zusammen. Die Verständigung läuft per Übersetzungsapp auf dem Handy, weil gerade kein Dolmetscher da ist.
Bewohnerin Vira Holovacheva hatte von der Angst der Frauen berichtet. Nun quittiert sie die beruhigenden Worte des Bürgermeisters mit einem "Dankeschön!"
Unterbringung: Reserven werden knapp
Knapp 40 ukrainische Flüchtlinge sind in dieser Unterkunft untergebracht. Platz für zehn weitere ist noch vorhanden. Aber: "Wir laufen auf die Kante zu", sagt Bürgermeister Ingo Sander (CDU). Denn die Reserven sind überschaubar und die Kreisverwaltung hat gerade mitgeteilt, dass in nächster Zeit weitere knapp 40 Menschen aufgenommen werden müssen. Wohnungen zu finden ist schwer, auch Kita-Plätze sind rar. Dazu kommen die Kosten: Allein die Miete für die Container-Wohnanlage liegt monatlich bei 25.000 Euro.
Bürger fragen sich, wie es weitergehen soll
Inzwischen droht außerdem die Stimmung zu kippen. Sander erzählt, die Gemeinde habe die Flüchtlinge von Anfang an "mit offenen Armen empfangen." Das Engagement sei groß, Verbände, Ehrenamt und Verwaltung arbeiteten gut zusammen. "Trotzdem spüre ich in der Bevölkerung, dass etwas ins Rutschen gerät", sagt der Bürgermeister.
Es gebe zwar weiterhin viel Unterstützung für die Menschen, die nach Kronshagen kommen, doch werde zunehmend bezweifelt, dass Staat und Verwaltung die Dinge im Griff hätten. "Da kommen schon relativ viele Menschen auf mich zu und stellen schlicht die Frage: Wie soll das eigentlich weitergehen? Wo führt das hin? Was ist nächstes Jahr?"
Bürgermeister sieht keine einfachen Lösungen
Als Reserve für weitere Neuankömmlinge hat die Gemeinde Kronshagen zwei Straßen weiter auch ein ehemaliges Gemeindehaus behelfsmäßig eingerichtet. Es erinnert eher an die Unterbringung in einer Turnhalle. Einfache Lösungen, so Sander, gebe es nicht. "Fest steht aber auch: Das kann nicht die Lösung sein."
Als Kommunalbürgermeister will sich Ingo Sander nicht zu möglichen Maßnahmen auf Bundes- oder EU-Ebene äußern. Praktisch müsse man sich aber die Frage stellen, "ob es sinnvoll ist, alle Menschen auf die Kommunen zu verteilen - auch wenn sie keine Bleibeperspektive haben."
Brandbrief der Kommunen: "Atempause" gefordert
Die Kommunalverbände haben gerade einen weiteren Brandbrief an die Landesregierung geschrieben und fordern darin, die Verteilung von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive vollständig einzustellen. Außerdem wollen sie eine "Atempause": Für vier Wochen sollen gar keine Flüchtlinge verteilt werden.
Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) will die Vorschläge der Kommunalen Landesverbände auf einem Spitzentreffen am 9. Oktober in Kiel beraten: "Land und Kommunen stehen in der besonderen Verantwortung, in dieser Ausnahmesituation ihren jeweiligen Aufgaben bei der Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten nachzukommen", so Touré.
Allein in den vergangenen sieben Tagen hat Schleswig-Holstein laut Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge 687 Menschen aufgenommen. Also knapp 100 pro Tag.
Sorge um gesellschaftliche Stimmung im Kreis Pinneberg
Auch in Tornesch stellten am Freitagmittag mehrere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Kreis Pinneberg Forderungen ans Land: Auf einer Pressekonferenz präsentieren sie ein 12-Punkte-Papier. Auch darin ist die Rede von einer benötigten "Atempause". Hintergrund ist: Für die kommenden Wochen rechnen die Gemeinden im Kreisgebiet mit mehr als doppelt so vielen neuen Geflüchteten wie bisher, das heißt ungefähr 200 Personen pro Monat.
Außerdem machen sich auch die Pinneberger Verwaltungschefs Sorgen um die gesellschaftliche Stimmung: Das Engagement, etwa bei der Betreuung von Flüchtlingen, lasse nach. Und privater Wohnraum werde kaum noch angeboten, berichten die Bürgermeister.