Zeitreise: Der Kapitän, das Meer und die Flüchtlinge
Erst Seemann, dann Retter für Geflüchtete im Mittelmeer, und seit 2011 Landesbeauftragter für Flüchtlinge und Migranten. Die Amtszeit von Stefan Schmidt endet. Sein Engagement nicht.
"Ich wollte unbedingt Seefahrer werden, irgendwie hat mich das schon früh fasziniert", sagt Stefan Schmidt. Äußerlich ist er der typische Seebär: graumelierter Bart, ein kleiner Anker am Jackett-Revers. Mit 17 Jahren hat er damals seine Ausbildung begonnen, an der Seemannsschule auf dem Priwall in Lübeck-Travemünde. Er lernte das Handwerk des Matrosen. "Ich habe bald gemerkt, wer unten in der Hierarchie ist, hat wenig zu lachen an Bord", erzählt Schmidt. Sein festes Ziel als Seemann: ganz nach oben kommen, Kapitän werden, auf der Brücke stehen und bestimmen, wo es lang geht.
Zur See fahren - Wunsch und Wirklichkeit
Der Aufstieg zum Kapitän, den schaffte Schmidt. Aber: Als Kapitän ist man immer unterwegs. Das heißt auch, für Familie und Kinder bleibt da kaum Zeit. Schmidt orientierte sich neu, fuhr zur See und arbeitete an Land - als Ausbilder an der Seemannsschule, in der er selbst zur Schule gegangen ist. Und so war doch beides machbar, Familienvater und Seefahrer sein. "Für mich ist das immer immens wichtig gewesen, ich wollte immer ein guter Vater sein, ist mir auch gelungen, glaube ich."
Der Kapitän, die Rettungsaktion, das Gefängnis
In seinen späteren Berufsjahren lernte Kapitän Schmidt Aktivisten in der Flüchtlingsarbeit kennen und gründete mit anderen die Organisation Borderline Europe, die sich bis heute für die Wahrung der Menschenrechte an die EU-Außengrenzen stark macht. Auch stand er im Jahr 2004 bei der ersten Fahrt des Hilfsschiffes "Cap Anamur 2" auf der Kommandobrücke, als das Schiff im Mittelmeer 37 Geflüchtete aufnahm, die auf einem Schlauchboot in der aufgewühlten See trieben. "Die wären eine Stunde später ertrunken", sagt Schmidt.
Für ihn als Seemann sei die Entscheidung klar gewesen: "Als Seemann, als Kapitän erst recht, hat man die Pflicht, zu retten." Schon damals, lange vor der sogenannten Flüchtlings-Krise 2015, will niemand gern Geflüchtete aufnehmen. Stefan Schmidt und seine Mitstreiter landeten für einige Tage in einem italienischen Gefängnis, wurden aber später freigesprochen. Der Fall machte international Schlagzeilen.
Ehrenamt, Ehrungen und Engagement
2011 übernahm Stefan Schmidt das Ehrenamt als Flüchtlingsbeauftragter in Schleswig-Holstein. Eine Bezahlung für sein Engagement lehnte er konsequent ab. Obwohl er nach eigenen Angaben knapp oberhalb der Armutsgrenze lebte. Schmidt engagierte sich mit viel Elan und öffentlichkeitswirksam für die Rechte von Geflüchteten. Er besuchte Flüchtlingsunterkünfte, dokumentierte für den Landtag die Situation der Geflüchteten, gab ihnen eine Stimme. Er hielt unzählige Vorträge an Schulen und gab den Schülern sein Lebensmotto mit auf den Weg: "Verlasse diese Welt so, dass sie ein wenig besser geworden ist durch dein Leben." 2022 bekam Stefan Schmidt das Bundesverdienstkreuz.
Am Ende ist es nicht vorbei
"Ja, sicher gebe ich jetzt mein Amt ab, aber ich bleibe dabei. Aufhören ist keine Wahl", so Kapitän Schmidt zu seinem Abschied im September 2023. Im Oktober wird der Seemann 82 Jahre alt und will auf jeden Fall weiter für die Rechte von Geflüchteten kämpfen. "Das ist heute dringender, als je zuvor. Die Zeiten sind unruhig. Aber wir haben es in der Hand, die Dinge zu verändern."
Man darf also gespannt sein - auf die nächsten Jahre des Kapitäns und Flüchtlingsbeauftragten im Unruhestand.