Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt steht vor dem Eingang zum Landtag Schleswig-Holstein neben dem gleichnamigen Schild an der Wand. © NDR Foto: Anna Grusnick
Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt steht vor dem Eingang zum Landtag Schleswig-Holstein neben dem gleichnamigen Schild an der Wand. © NDR Foto: Anna Grusnick
Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt steht vor dem Eingang zum Landtag Schleswig-Holstein neben dem gleichnamigen Schild an der Wand. © NDR Foto: Anna Grusnick
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Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt verabschiedet

Sendedatum: 13.09.2023 06:00 Uhr

Am Mittwochabend ist der Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen, Stefan Schmidt, offiziell verabschiedet worden. Etwa 500 Gäste waren in der Lübecker Marienkirche.

von Anna Grusnick

Amtsmüde ist er nicht, aber nach zwölf Jahren möchte er etwas kürzer treten - Stefan Schmidt blickt zufrieden auf sein Wirken zurück, das Wort "stolz" möchte er dabei nicht in den Mund nehmen - ist sich seiner Vermittlerrolle, die er in den vergangenen Jahren inne hatte, aber bewusst. Für Stefan Schmidt ist es wichtig, dass die Fluchtursachen bekämpft werden und nicht die Flüchtlinge. Im Blick vor allem die Kinder.

"Ich bin eine Art Dolmetscher"

Stefan Schmidt ist immer in Aktion und im Gespräch - mit Politikern, mit Flüchtlingsorganisationen, mit den Menschen, die Zuflucht suchen. Er sieht sich selbst als eine Art Dolmetscher. "Wenn Sie immer mit Politikern, Bischöfen und wichtigen Leuten zusammen sind, die leben alle in einer Blase, ich ja auch. Nur ich lebe in verschiedenen Blasen." Er übersetze die Sprache der Politik in die Sprache der Herzen, so Schmidt.

Teamwork in "Captain's Cabin"

Der 82-Jährige blickt zufrieden auf das, was ihm in den vergangenen Jahren gelungen ist, möchte die Lorbeeren aber nicht allein einstreichen. Er habe tolle Leute in seinem Team. "Die nennen mich immer Captain, und wir treffen uns ins Captain's Cabin, wenn wir ein Meeting haben, das macht Spaß." Für Stefan Schmidt gibt es viele Gründe, warum Menschen ihre Heimatländer verlassen und sich zum Teil auf gefährliche Fluchtrouten begeben. Seien es politische oder religiöse oder auch wirtschaftliche Gründe. Er sagt: "Kein Menschen flieht aus Spaß."

Schmidt: "Natürlich können wir die aufnehmen"

Zur Diskussion über eine Begrenzung von Geflüchteten und eine mögliche Spaltung der Gesellschaft durch eine Überforderung sagt Schmidt: "Natürlich können wir die aufnehmen."  Er verweist auf die fehlenden Fachkräfte und fragt: "Warum lassen wir nicht die, die hier sind arbeiten? Und fragen, was kannst Du und mache das." Da sei noch viel zu tun, Politik sei da oft zu bürokratisch unterwegs. Seines Erachtens ist die Idee eines sogenannten Spurwechsels, der bereits vor mehreren Jahren von Daniel Günther (CDU) ins Gespräch gebracht wurde, sinnvoll. "Spurwechsel bedeutet, da kommt einer her, der würde gerne Asyl kriegen, für Asyl sind die Gründe nicht ausreichend, und dann würde man sagen, aber was kannst Du denn?"

Prägende Erfahrung als Kapitän der "Cap Anamur"

Stefan Schmidt, der selbst als Kapitän der "Cap Anamur" 2004 37 Flüchtende vor dem Ertrinken gerettet hatte, kann sich das Drama im Mittelmeer und die Panik der Ertrinkenden gut vorstellen. Als er damals in Sizilien mit den Geflüchteten an Land kam, wurde er sofort ins Gefängnis gebracht. Schmidt und weitere Beteiligte wurden der Schlepperei angeklagt. Nach fünf Jahren wurde Schmidt freigesprochen. Sein Engagement für Geflüchtete ging danach richtig los. Mit Blick auf die Lage im Mittelmeer fordert er zügige europäische Lösungen: "Ganz schnell, denn jeden Tag sterben Leute." Wichtig sei es, die Lasten zu verteilen und nicht Länder wie Italien damit allein zu lassen.

Große Herausforderung ist die Unterbringung von Geflüchteten

Eine der großen Herausforderungen ist es laut Schmidt, dafür zu sorgen, dass die Menschen gut untergebracht werden. Da gebe es große Probleme: "Vor 30 bis 40 Jahren ist vergessen worden, den sozialen Wohnungsbau weiterzumachen." Da müssten nun große Anstrengungen gemacht werden, fordert er. Man könnte, so Schmidt, zum Beispiel auf einstöckige Supermärkte eine Etage draufsetzen. "Der Platz ist unheimlich wertvoll, da können Leute wohnen. Ich finde, das ist eine tolle Idee."

Feierliche Verabschiedung in St. Marien zu Lübeck

Mit einer großen Abschiedsgala ist Stefan Schmidt aus seinem Ehrenamt verabschiedet worden. Etwa 500 Gäste waren dazu in der Lübecker Marienkirche, unter anderem Bischöfin Kirsten Fehrs, Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und Landtagspräsidentin Kristina Herbst (CDU). Diese nannte Schmidt ein stabiles Bindeglied zwischen den im Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsbereich tätigen Einrichtungen. "Für das Land war er stets ein verlässlicher Ansprechpartner, der viel Engagement und Leidenschaft für das Thema zeigte, aber dennoch immer ziel- und sachorientiert war."

Weiter Einsatz für Geflüchtete

Ganz aufhören, das kommt für den 82 Jahre alten Schmidt nicht infrage. So lange kein Nachfolger gefunden ist, wird er das Amt als Landesbeauftragter fortführen und auch so werde er sich weiter für die Belange von Geflüchteten einsetzen. "Gleichzeitig weiß ich, es ist ja gar kein Ende. Ich mache genauso weiter. Und überall, wo ich jetzt hinkomme, werde ich nicht begrüßt als Beauftragter, sondern als Captain."

Noch kein Nachfolger benannt

Unterdessen ist unklar, wer Stefan Schmidt auf seinem Posten als Flüchtlingsbeauftragter nachfolgt. CDU, Grüne und SSW haben im Landtag einen Gesetzentwurf eingebracht, um den Posten von einem Ehrenamt in ein Hauptamt umzuwandeln. Der Innen- und Rechtsausschuss berät darüber. Laut einer Sprecherin des Landtages wird ein Abschluss in nächster Zeit erwartet.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 13.09.2023 | 06:00 Uhr

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