Erstaufnahme für Geflüchtete: So reagieren die Glückstädter

Stand: 23.09.2023 10:33 Uhr

In einer Bürgerversammlung äußern sich viele Glückstädter skeptisch zur erneuten Erstaufnahme-Einrichtung. Sozialministerin Aminata Touré will mit Ehrlichkeit punkten und alte Fehler vermeiden.

von Jörn Zahlmann

Glückstadt kennt solche Abende. 2015 gab es schon eine Bürgerversammlung in der Stadtkirche. Damals nutzte das Land die alte Marine-Kaserne zum ersten Mal als Aufnahmestation für Geflüchtete. Bevor Schleswig-Holstein 2021 auf dem gleichen Gelände die Abschiebehaftanstalt eröffnete, diskutierten die Glückstädter ebenfalls in ihrer Kirche über die Pläne der Landesregierung.

Insofern überrascht die Besonnenheit nicht, mit der die Menschen am Freitagabend ihre mehrheitlich kritischen Fragen zur Wiedereröffnung der sogenannten Erstaufnahmeeinrichtung in Glückstadt stellen. Etwa 11.000 Menschen leben in der Stadt im Kreis Steinburg, rund 350 von ihnen sind für die Bürgerversammlung in die Stadtkirche gekommen. Ihre Fragen richten sich an Sozialministerin Aminata Touré (Grüne), die ihre ersten Lebensjahre selbst in einer Flüchtlingsunterkunft in Schleswig-Holstein verbracht hat.

Glückstädter wollen mehr Polizeipräsenz

Sorgen vor steigender Kriminalität beschäftigen die Glückstädter zum Beispiel, einige Fragensteller fordern mehr Polizeipräsenz. Das Innenministerium würde bei Bedarf mehr Polizisten nach Glückstadt schicken: "Unsere Innenministerin ist mit uns in engem Austausch zu der Frage, wie viele Personen hier vor Ort dann in der Erstaufnahmeeinrichtung sind", sagt Touré. Ähnlich habe man bereits in Bad Segeberg reagiert. Dort habe man allerdings auf das gestiegene Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung reagiert und nicht etwa auf einen Anstieg von Straftaten.

Keine weiteren Zuweisungen von Geflüchteten

Zusätzlich zu den Menschen in der Erstaufnahme sollen vorerst keine weiteren Geflüchteten dauerhaft der Stadt zugewiesen werden. Nach Angaben von Bürgermeister Rolf Apfeld (parteilos) sei Glückstadts Quote damit erfüllt. Die anderen Kommunen im Kreis Steinburg nehmen entsprechend mehr geflüchtete Menschen auf.

Touré: Kapazität liegt bei bis zu 800 Personen

Ab Ende Oktober oder Anfang November soll die Unterkunft in Glückstadt insgesamt für 600 Geflüchtete die erste Station in Schleswig-Holstein sein. Dass es bei dieser Zahl für die Erstaufnahme bleibt, garantiert Touré im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein nicht: "Wir haben hier eine Kapazität von maximal 800, aber wir wollen erst einmal nur 600 Plätze bereitstellen. Wie die Zahlen in der Zukunft aussehen werden, kann man heute noch nicht sagen. Deswegen fände ich es falsch, eine Zahl zu versprechen und zu sagen: Mehr gibt es nicht."

Touré entschuldigt sich für gebrochenes Versprechen

Die Nichteinhaltung eines anderen Versprechens wurde Touré in der Stadtkirche vorgehalten: "Ich habe noch gut in Erinnerung, dass uns von der Landesregierung zugesagt wurde, dass keine Erstaufnahmeeinrichtung nach Glückstadt kommt, als die Haftanstalt hier anlief", erinnert sich ein Glückstädter. Touré räumte den Wortbruch der damaligen Landesregierung ein und entschuldigte sich.

Erste Geflüchtete noch im September erwartet

Der Notbetrieb in der ehemaligen Marine-Kaserne soll bereits in der kommenden Woche starten. Die ersten 120 geflüchteten Menschen werden einziehen und dort ihren Asylantrag stellen können. Dass es nach Glückstadt in der Zukunft noch mehr als sechs Aufnahmeeinrichtungen in Schleswig-Holstein werden könnten, schloss Touré ausdrücklich nicht aus.

"Sachlich, ruhig, konzentriert"

Kritik an der bundesweiten Flüchtlingspolitik kam in Glückstadt immer wieder zur Sprache - und erntete durchaus kräftigen Applaus. "Wir haben einen ungebremsten Zustrom von Flüchtlingen und bis heute keine politischen Lösungen, um das zu regulieren“, befand ein Gast. Dass es aber trotz aller Kritik in der Stadtkirche zwei Stunden lang stets respektvoll zuging, freute besonders Bürgermeister Rolf Apfeld (parteilos): "Sachlich, ruhig, konzentriert! Die Fragen wurden gut beantwortet. So kann man sich Informationsveranstaltungen sehr gut vorstellen."

Weitere Informationen
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Schleswig-Holstein Magazin | 22.09.2023 | 19:30 Uhr

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