Flensburg: Mordprozess gegen angeblichen Heilpraktiker
Über Jahre hinweg soll ein angeblicher Heilpraktiker aus Esgrus sexuelle Handlungen an Frauen vorgenommen haben. Als die Sache aufzufliegen drohte, soll der 54 Jahre alte Mann seine Ehefrau getötet haben. In Flensburg hat der Prozess gegen ihn begonnen.
Es sah aus wie ein gemeinsamer Suizidversuch - am 20. August 2022 in Esgrus (Kreis Schleswig-Flensburg). Eine Frau und ihr Ehemann waren durch Messerstiche verletzt. Die Frau starb, der Mann überlebte. Dann stellte sich heraus, dass die Frau außerdem mit Medikamenten vergiftet war. Doch die Ermittler bekamen Zweifel. Ende September erließ die Staatsanwaltschaft Flensburg Haftbefehl gegen den Ehemann. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Seit heute muss sich der Angeklagte vor dem Flensburger Landgericht unter anderem wegen Mordes an seiner Ehefrau verantworten. Beim Verlesen der Anklageschrift führte die Staatsanwaltschaft die Mordmerkmale Habgier und Heimtücke an.
Weitere Vorwürfe: Sexuelle Nötigung in besonders schwerem Fall
Zusätzlich werden dem Mann insgesamt 18 weitere Taten zur Last gelegt. Er soll zwischen 2014 und Juli 2022 als vermeintlicher Heilpraktiker sechs mutmaßliche Patientinnen mehrfach geschädigt haben. Acht Vergewaltigungen, drei sexuelle Übergriffe und sieben gefährliche Körperverletzungen - so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Teils habe er die Behandlungen im Obergeschoss des eigenen Hauses in Esgrus vorgenommen, teils bei den Frauen zu Hause. Immer unter der vorgegebenen Qualifikation als Heilpraktiker und "um sich sexuell daran zu erregen", so der Vorwurf der Staatsanwältin.
Drei Geschädigte treten im Prozess als Nebenklägerinnen auf, waren zu Prozessbeginn aber nicht persönlich anwesend. "Der Vertrauensbruch ist das Schlimmste. Im Nachhinein zu erfahren, dass das Vertrauen so massiv missbraucht wurde, das ist sehr belastend", sagte Rechtsanwältin Ritwa J. Stahl im Flensburger Landgericht. Der falsche Heilpraktiker sei den beiden Frauen aus dem Familien- und Bekanntenkreis empfohlen worden.
Haushaltshilfe zeigte den Angeklagten an
Auch an der Haushaltshilfe des Ehepaares soll der Angeklagte Vergewaltigungen und sexuelle Handlungen durchgeführt haben. Als diese das nicht mehr wollte, drohte der Angeklagte ihr laut Anklageschrift damit, heimlich gefertigte Nacktaufnahmen von ihr im Internet zu veröffentlichen. Die Frau erstattete schließlich Strafanzeige.
Als dann das Ermittlungsverfahren gegen den Mann eröffnet wurde - so die Anschuldigung der Staatsanwaltschaft - habe er befürchtet, dass sich seine Ehefrau von ihm abwenden könnte. "Er fürchtete, sein Erbe und Wohnrecht in dem Haus zu verlieren und hat heimtückisch und aus Habgier seine schwer kranke Ehefrau getötet", so Staatsanwältin Katharina Laue im Gerichtssaal. Die Rechtsmedizin Kiel hatte im August festgestellt, dass die Ehefrau an den Folgen eines Medikamentencocktails verstorben ist.
Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme und Zeugenverhör startet im April
Der Verhandlungstermin endete am Dienstag mit dem Verlesen der Anklageschrift. Einlassen wollte sich der Angeklagte nicht zur Sache. Seine Verteidiger schlossen aber nicht aus, dass sich dies in der Hauptverhandlung noch ändern könnte. Die Beweisaufnahme beginnt Mitte April. Das Landgericht hat vorläufig elf Verhandlungstage angesetzt. Demnach könnte ein Urteil im Juli fallen. Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht dem Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe.