EU beschließt Asylreform: Eine gute Nachricht für Kommunen?
Die Kommunen im Land stehen unter Druck - vor allem beim Thema Zuwanderung sind die Herausforderungen immens. Eine Asylreform der EU soll Lösungen bringen. Doch kommen die bei den Kommunen überhaupt an? Ein Blick in den Kreis Pinneberg.
Wenn die Bürgermeister von Rellingen, Tornesch und Uetersen (alle Kreis Pinneberg) zusammenkommen, dann gibt es viel zu besprechen. Denn die Liste an Themen, die sie umtreiben, ist lang: Energiewende, Mobilitätswende oder Ganztagsschule. Und besonders ein Thema brennt ihnen ganz besonders unter den Nägeln: die Integration von Geflüchteten.
Es ist eine Mammut-Aufgabe für die Gemeinden mit rund 14 bis 18.000 Einwohnern. Denn sie müssen gleich mehrere Brände gleichzeitig löschen, sagt Uetersens Bürgermeister, Dirk Woschei (SPD). "Wo wir einfach Schwierigkeiten haben, sind eben die Systeme, die sowieso schon überlastet sind." Konkret sind das die Schulen, die Kitas und die Sprachkurse. Woschei: "Da muss einfach mehr passieren. Und da tun wir nach Kräften alles in der Kommune, dass das funktioniert."
Integration geht über die Sprache
Rund 260 Geflüchtete sind es, die in der gemeinsamen Volkshochschule der Städte Tornesch und Uetersen Deutschkurse belegen. "Vorbildlich", sagt Sabine Kählert (parteilos), die scheidende Bürgermeisterin der Stadt Tornesch. "Aber wir kommen auch an unsere Grenzen. Wir haben einfach die Räume nicht mehr, uns noch zu erweitern." Und fehlender Platz sei nur das eine. Das andere sei das fehlende Personal: Lehrerinnen und Lehrer, die die Sprache vermitteln. Ein großes Problem, sagt Kählert, denn Integration gehe ihr zufolge nur über die Sprache.
Und das müssten die Kommunen leisten. Nur auf dieser Ebene, dort wo die Menschen leben, könnte Integration wirklich gelingen, sagt Rellingens Bürgermeister, Marc Trampe (parteilos). "Dieser Aufgabe wollen wir uns auch gerne stellen." Nur dafür brauche es vernünftige Rahmenbedingungen - vom Land, vom Bund und von der EU. "Und ja, da fehlt uns sehr häufig einfach die Unterstützung", sagt Trampe.
Striktere Abschiebungen durch Asylkompromiss
Die soll jetzt kommen. Im Maibeschloss die EU eine umstrittenen Reform der europäischen Asylregeln. Konkret sollen damit die Einreisebestimmungen für Migranten verschärft werden. Menschen mit schlechten Bleibechancen - zum Beispiel aus sicheren Herkunftsländern wie Ghana oder Albanien - sollen ein Asylschnellverfahren durchlaufen.
Diese finden dann nicht mehr wie bisher in den einzelnen Ländern statt, sondern in streng kontrollierten Lagern an der EU-Außengrenze. Dort soll nach maximal zwölf Wochen über den Antrag entschieden und gegebenenfalls abgeschoben werden. Von den strikteren Abschiebeverfahren sind auch Familien mit Kindern betroffen. Die Bundesregierung hatte sich diesbezüglich vergeblich um für eine Ausnahme eingesetzt.
Ziel des Asylkompromiss ist, dass Migranten durch die verschärften Regeln von der Reise in die EU abgeschreckt werden sollen. Auch sollen Geflüchtete, die in die EU kommen, künftig fairer auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Das soll die Länder entlastet, in denen viele Menschen einreisen, zum Beispiel Italien. Nimmt ein Land keine Menschen auf, muss es in Zukunft eine Geldstrafe zahlen.
"Ein historischer Tag"
Fast zehn Jahre hat die Debatte über eine Reform gedauert. Nun feiert sich die EU für den Kompromiss. Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola (Partit Nazzjonalista), sprach nach dem Beschluss von einem historischen Tag für die EU.
Wir haben ein neues System versprochen, das fair ist zu jenen, die Schutz-berechtigt sind und streng mit denen, die es nicht sind. Und heute haben wir es abgeliefert. Roberta Metsola, Präsidentin EU-Parlament
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lobte den Kompromiss: Die verpflichtende Solidarität sei ein Meilenstein und es sei auch eine gute Nachricht für Kommunen in Deutschland.
Die hatten Ende letzten Jahres gefordert, dass die Zuzugszahlen sinken müssen - auch in Schleswig-Holstein. Das sagte zum Beispiel Jörg Bülow, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages nach einem Migrationsgipfel im Oktober 2023.
Keine spürbaren Entlastungen
Den Gemeinden im Kreis Pinneberg ist eher nicht nach Feiern zumute, eine Entlastung spüren sie noch nicht. Im Schnitt zehn neue Geflüchtete sind es, die laut Rellingens Bürgermeister Marc Trampe jeden Monat in die Gemeinde kommen und untergebracht werden müssen. "Wir haben weiterhin hohe Zugangszahlen, die vergleichbar sind mit den Zahlen aus den Vorjahren", so Trampe.
Was aktuell für die Gemeinden spürbar hinzukäme, sei der Zuzug ukrainischer Familienangehöriger. Das liege an den schlechten Aussichten im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, sagt Rellingens Bürgermeister. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich bislang gegen die Flucht entschieden hätten, würden die Hoffnung verlieren und ihren Weg zu ihren Familien nach Deutschland antreten.
Spürbare Auswirkungen erst spät erwartet
Ohnehin dürften noch Monate bis Jahre vergehen, bis die Asylreform auch bei den Kommunen ihre Wirkung zeigt. Denn der Kompromiss besagt auch, dass die Länder bis zu zwei Jahre Zeit haben, um die Reform umzusetzen.
Und den ganz großen Wurf erwartet Uetersens Bürgermeister, Dirk Woschei, ohnehin nicht: "Es ist ja aber nicht so, dass dann niemand mehr kommt. Sondern sie kommen eben reguliert - und das ist sicherlich ein Vorteil. Aber trotzdem bleibt eben die gesamtgesellschaftliche Aufgabe da, für Integration zu sorgen."
"Jeder macht sich selbst auf den Weg"
Das gelinge den Kommunen bisher aber ganz gut, sagt Woschei. Dennoch wünsche man sich noch mehr Unterstützung von übergeordneter Ebene - sei es monetär, aber auch beim Know-how. Woschei: "Denn jeder macht sich so ein bisschen selbst auf den Weg. Und das ist manchmal sehr mühsam."
Das sieht auch die Bürgermeisterin von Tornesch, Sabine Kählert, ähnlich. Erschwerend käme hinzu, dass die Kommunen immer neue Aufgaben übernehmen müssten - sei es bei der Wärmewende, der Ganztagsbetreuung oder der Mobilitätswende. "Die Kommunen haben eigentlich nur noch Pflicht-Aufgaben und keine dieser Aufgaben ist tatsächlich durchfinanziert", so Kählert. Aber es werde gar nicht gefragt, ob die Kommunen das überhaupt noch leisten können.
Integration gelingt in den Kommunen
Auch deshalb wollen die drei Bürgermeister weiter zusammenarbeiten und gemeinsam nach Lösungen suchen. Denn am Ende sind es die Kommunen, in denen die Integration von geflüchteten Menschen stattfindet - und wo sie am Ende auch gelingen muss.