Brokstedt: Wer hat wen nicht informiert?

Stand: 03.02.2023 18:21 Uhr

Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) hat am Donnerstag erklärt, die Behörden in Kiel seien rechtzeitig über die U-Haft von Ibrahim A. informiert worden. Bei der Ausländerbehörde Kiel sind diese Angaben aber offenbar nicht angekommen. Auch das BAMF will aus Hamburg keine Hinweise auf das Strafverfahren erhalten haben.

von Friederike Schneider

Nachdem im Hamburger Justizausschuss am Donnerstag Vorwürfe aus Schleswig-Holstein zurückgewiesen wurden, heißt es aus Kiel am Freitag erneut, die Zuwanderungsabteilung als zuständige Ausländerbehörde sei "nicht unverzüglich durch zuständigen Stellen der Freien und Hansestadt Hamburg informiert worden." Bestimmte Aussagen aus Hamburg, wann die Kieler Behörden kontaktiert worden sein sollen, seien in der Landeshauptstadt bisher nicht nachvollziehbar, sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD).

Hamburg: Kiel zeitnah informiert

Konkret geht es darum, dass Ibrahim A. wegen Körperverletzung im Januar 2022 in Hamburg inhaftiert wurde. Im Hamburger Justizausschuss hieß es am Donnerstag, bereits einen Tag nach Antritt der Untersuchungshaft habe ein Polizeibeamter die Kieler Ausländerbehörde per E-Mail informiert und um Rücksprache gebeten. Die Hamburger Justizbehörde teilte am Freitag auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein mit, die Staatsanwaltschaft habe die Einleitung des Strafverfahrens gegen Ibrahim A. im Januar 2022 automatisiert der Hamburger Ausländerbehörde mitgeteilt, die der Behörde für Inneres und Sport untersteht. Die Hamburger Innenbehörde habe daraufhin nach mehreren erfolglosen Kontaktversuchen am 1. März 2022 die Zuwanderungsabteilung Kiel informiert. Am 10. März 2022 sei der Zuwanderungsabteilung Kiel mitgeteilt worden, dass Ibrahim A. sich aktuell in Untersuchungshaft in Hamburg befinde.

Kiel: Information erst im Mai erhalten

In der Kieler Ausländerbehörde sind diese Informationen aber offenbar nicht angekommen - jedenfalls sind sie nicht in der Ausländerakte von Ibrahim A. vermerkt. Kiels Oberbürgermeister Kämpfer sagte mit Verweis auf die Unterlagen: "Ich kann nur für uns sagen: Wir haben nicht im Januar, nicht im März, sondern erstmals im Mai 2022 von der Haft auf indirektem Wege erfahren." Er wolle jedoch keine Schuldzuweisung vornehmen, es müsse aufgearbeitet werden, wer wem geantwortet habe. Über die Entlassung von Ibrahim A. aus der Untersuchungshaft in Hamburg ist die Stadt Kiel nach eigenen Angaben erst an diesem Donnerstag offiziell informiert worden.

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FDP: Behördenversagen aufklären

Darauf drängte am Freitag auch die FDP-Fraktion im Landtag. Der innenpolitische Sprecher Bernd Buchholz forderte von Hamburg, sämtliche Akten und den Mailverkehr zwischen den beteiligten Behörden vorzulegen. "Klar ist, dass es ein Behördenversagen gab. Jetzt müssen wir klären, an welcher Stelle es stattgefunden hat." Bisher stehe es Aussage gegen Aussage.

SPD: Umstände der Haftentlassung unklar

Auch die SPD sieht Aufklärungsbedarf. Die Umstände der U-Haft und der Entlassung seien weiterhin unklar, sagte der Sprecher für innere Sicherheit, Niclas Dürbrook. "Vor allem aber bleibt bis jetzt völlig offen, an welcher Stelle die Kausalkette, die zu dieser schrecklichen Tat geführt hat, hätte durchbrochen werden können."

BAMF nicht aus Hamburg informiert

Das Kernproblem: Weil Kiel zunächst nicht über die Untersuchungshaft und die Verurteilung in Hamburg informiert war, konnte die Ausländerbehörde die Informationen auch nicht an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weitergeben. Dort lief zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verfahren, um Ibrahim A. seinen Schutzstatus zu entziehen. Dieses Verfahren stockte aber, weil das BAMF nicht wusste, wo der Mann sich aufhält und ihn deshalb nicht anhören konnte.

Das BAMF sei auch nicht direkt aus Hamburg informiert worden, teilte ein Sprecher NDR Schleswig-Holstein mit. Zwar habe es im März 2022 einen Austausch gegeben, dieser Mailverkehr habe jedoch keinerlei Hinweise auf eine Untersuchungshaft oder einen Strafvorwurf enthalten.

Justizbehörde: Kein Anlass, BAMF direkt zu unterrichten

Nach Recherchen von NDR Schleswig-Holstein sind die zuständigen Ermittlungsbehörden verpflichtet, das BAMF direkt zu unterrichten, wenn gegen eine Person, die unter das Asylgesetz fällt, ein Strafverfahren wegen Körperverletzung oder Anwendung von Gewalt eröffnet wird. (§8 AsylG, Absatz 1a, Punkt 2.) Demnach hätte die Staatsanwaltschaft Hamburg direkt das BAMF kontaktieren müssen. Die Justizbehörde teilte dazu auf Nachfrage jedoch mit, das Ausländerzentralregister "ergab keine Auskunft über einen ausländerrechtlichen Status des Beschuldigten, aufgrund dessen das BAMF durch die Staatsanwaltschaft Hamburg zu unterrichten gewesen wäre." Stattdessen sei die Hamburger Ausländerbehörde informiert worden.

Kämpfer: Asylrechtsprozesse beschleunigen

Ob es etwas geändert hätte, wenn Kiel früher von der U-Haft gewusst hätte, sei Spekulation, sagte Kämpfer am Freitag. Schließlich sei der Entzug des Schutzstatus ein langer Prozess, zudem sei fraglich, ob eine Abschiebung in den Gaza-Streifen überhaupt umsetzbar gewesen wäre. Hier müsse man prüfen, wie Abläufe beschleunigt werden können. Diese Forderung war auch Gegenstand eines Zehn-Punkte-Plans, der am Freitag von den Landtagsfraktionen von CDU und Grünen vorgestellt wurde. Von FDP und SPD kam bereits Kritik an den Punkten.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 03.02.2023 | 19:30 Uhr

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