Heizen mit Abwärme: Meldorfs Erdbeckenspeicher ist fast fertig
Was die Ingenieure in Meldorf zurzeit bauen, ist einzigartig in Deutschland. Viele Haushalte und öffentliche Gebäude sollen durch den Warmwasserspeicher künftig mit Energie versorgt werden.
Nach dänischem Vorbild entsteht gerade in Meldorf (Kreis Dithmarschen) der erste Erdbeckenspeicher Deutschlands. Zwischen der Druckerei und der Biogasanlage haben Techniker bereits ein gigantisches Becken ausgehoben. Fassungsvermögen: 50 Millionen Liter Wasser. Der Clou: Das Wasser wird nicht mit Gas, sondern mit Abwärme auf 85 Grad erhitzt und soll dann in die Heizungen der Meldorfer gepumpt werden.
Thermoschichten halten Wärme im Wasserspeicher
Mittlerweile ist die Wasseroberfläche unter mehreren Schichten Dämm- und Schutzmaterial verschwunden. Aktuell verlegen die Arbeiter ein schneeweißes Vlies. "Das soll die darunter liegende Abdeckung zusammenhalten, damit sie bei starkem Wind nicht auseinander driftet", erklärt Projektleiter Yunus Önal. Er ist seit drei Jahren bei der verantwortlichen Firma Solmax, die schon bei größeren Projekten in Dänemark gearbeitet hat.
Einer seiner Kollegen verschweißt mit einem Thermogerät - etwas kleiner als ein Staubsauger - die 100 Meter langen Vliesbahnen miteinander. Über dem größten Teil des Beckens liegt bereits die finale Abdeckung - das grüne Top Cover. "Wir haben oben im Wasserbecken die höchste Temperatur, die nimmt nach unten hin ab. Dadurch müssen wir nach oben hin den Deckel dämmen. So, dass wir dort keine Wärmeverluste haben", erklärt Önal den Sinn des Schichtsystems.
Unverzichtbar: Hochtemperatur-Dichtungsbahn
Im Frühjahr war hier noch Schwarz die bestimmende Farbe der Abdeckung. Mit einer Hochtemperatur-Dichtungsbahn haben sie zunächst den Grund des Beckens ausgelegt. "Sie kapselt das Becken zum Erdreich ab, sodass kein Wasser versickern kann." Dasselbe Material liegt aber auch obendrauf. Es ist die erste Schicht über der Wasseroberfläche, zusammengeschweißt aus mehreren Bahnen - je 7,50 Meter breit und 100 Meter lang. Seilwinden haben die 20 Tonnen schwere erste Lage Schritt für Schritt über das Becken gezogen. Drei Wochen haben sie insgesamt gebraucht, bis das "floating-cover" die Wasseroberfläche bedeckt. Im Mai hatten sie damit begonnen.
Baustelle wird Pilgerstätte
Regelmäßig kommen Besucher zur Baustelle. Auch der Niederländer Wim van den Helden ist mit einer Forschergruppe für Großspeicher nach Meldorf gekommen. "Wir sind hier, um zu lernen. Denn der weiche Boden hier war eine Herausforderung und wir wollen wissen, wie diese Probleme hier gelöst worden sind", berichtet der Ingenieur. Er beschäftigt sich mit der Wärmewende seit den 90er Jahren.
Bevor die Ingenieure hier anfangen konnten zu graben, mussten sie zunächst das Wasser aus dem Boden abpumpen und Drainagen legen. "Die Bedingungen waren hier herausfordernd, das Grundwasser stand relativ nah unter der Bodenoberfläche. Die Erdbauarbeiten waren umfangreicher als bei anderen Projekten", bestätigt Thomas Labda von Solmax. Das Unternehmen hat bereits Speicher dieser Art in Dänemark abgedichtet. Tonnenweise Sand haben sie zusätzlich gebraucht, um die Seitenwände des Beckens zu stabilisieren. Die Expertengruppe will die Erfahrungen aus Meldorf für weitere Projekte in anderen Ländern anwenden.
Erste Wärmespeicher wurden in Dänemark gebaut
Vorbilder für diese Warmwasserspeicher gibt es in Dänemark, zum Beispiel in Gram, Marstal und Dronninglund. Der größte Speicher der Welt liegt in Vojens, 65 Kilometer nördlich von Flensburg. Mit 200.000 Kubikmetern - mehr als vier Mal so groß wie der Meldorfer Speicher. Ziel der Forscher ist es, noch größere Speicher zu entwickeln - mit bis zu einer Million Kubikmeter Wasser.
"Das wäre dann etwas für Großstädte", sagt Wim van Helden. Mehr als das 20-fache von Meldorf. Doch so weit ist die Technik noch nicht. Die Forschungen laufen, auch bei Solmax. "Es gibt auf jeden Fall Optimierungsbedarf. Sowohl bei der Dämmung zur Erde hin als auch zum Deckel. Ein ganz wichtiger Punkt ist die Materialweiterentwicklung, damit die Dichtungsbahn auch gegen höhere Temperaturen beständig ist", sagt Yunus Önal.
Meldorf baut neues Wärmenetz
Der Speicher in Meldorf soll einmal für 400 Haushalte in Meldorf die Energie für Heizung und Warmwasser liefern. Dafür werden aktuell die Leitungen verlegt. Öffentliche Gebäude, Schulen und das Museum sollen als erstes an das Netz angeschlossen werden. Der Vorteil für die Meldorfer: Die Heizkosten bleiben über Jahre konstant. "Abwärme ist kein Produkt, dass auf Energiemärkten gehandelt wird wie Gas", sagt Wim van Helden. Im kommenden Jahr soll der Speicher in Betrieb gehen - ein weiteres Puzzle-Stück für die Energiewende.