Nachhaltige Energieplanung: Norderstedt nutzt Wärme aus Rechenzentren
Es wird derzeit in den Kommunen viel über die kommunale Wärmeplanung diskutiert - und wie sie funktionieren kann. In Norderstedt (Kreis Segeberg) haben die Stadtwerke jetzt ein besonders innovatives Projekt in die Wege geleitet. Ab dem kommenden Winter soll die Abwärme eines Rechenzentrums mit ins Fernwärmenetz fließen.
Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist klar, dass in Sachen Wärmeplanung und Energieversorgung ein Umdenken nötig ist. Für Tim Storbeck sollte der Fokus weniger auf die Entwicklung neuer Technologien und Methoden liegen, sondern mehr auf der Nutzung von bereits vorhandenen Energie- und Wärmequellen. Storbeck arbeitet seit zehn Jahren bei den Stadtwerken Norderstedt und ist Fachbereichsleiter für Gas, Wasser, Wärme. Sogenannte Maßnahmen zur Dekarbonisierung, also das Ersetzen fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen, um so Treibhausgasemissionen zu verringern oder sogar ganz zu vermeiden, zählen zu seinem Spezialgebiet.
Seine Idee: Wärme, die in der Industrie ohnehin anfällt und bisher noch größtenteils einfach an die Umwelt und in die Atmosphäre abgegeben wird, verwerten und im besten Fall in das Fernwärmenetz einspeisen. Vor vier Jahren gab er dazu eine erste Machbarkeitsstudie für die Stadt Norderstedt in Auftrag. Das Ergebnis: Es gibt enorme Potentiale.
Rechenzentrum ohne Kühlung nur 20 Minuten funktionsfähig
Fernwärme wird in Norderstedt seit 1983 genutzt. Wasser gelangt über ein Rohrsystem in die angeschlossenen Haushalte. Dort wird es als Warmwasser und zum Heizen genutzt. Danach fließt das abgekühlte Wasser wieder ins Fernwärmenetz und wird dort erneut aufbereitet.
Zusammen mit einem Planungsbüro wurde in den vergangenen Jahren ein Konzept ausgearbeitet, mit dem die im Rechenzentrum der Stadtwerke entstehende Wärme nicht ungenutzt in die Atmosphäre fließt, sondern Norderstedterinnen und Norderstedtern beim Heizen helfen kann. Die Wärme entsteht dort vor allem bei der Kühlung der Räume. "Das Rechenzentrum der Stadtwerke Norderstedt wäre ohne Kühlung noch 20 Minuten funktionsfähig, dann würden die Computer und Server überhitzen und ausfallen", erklärt Christian Wahl, technischer Leiter des Rechenzentrums.
Wärme des Rechenzentrums hilft beim Heizen
Anfang des nächsten Jahres ist der Bau der neuen Anlage abgeschlossen und dann versorgen Computer bis zu 4.000 Menschen mit Wärme. Das Prinzip ist eigentlich einfach: Bei der Kühlung der Serverräume wird kaltes Wasser genutzt, entzieht dem Raum Wärme und erhitzt sich dadurch. Dieses warme Wasser fließt dann durch ein unterirdisches Rohrsystem und Wärmepumpen direkt in das Fernwärmenetz der Stadt Norderstedt und von da aus zu den Kundinnen und Kunden.
Nutzung von Abwärme spielt im privaten Umfeld kaum eine Rolle
"Im privaten Umfeld ist es bisher noch kaum verbreitet, Abwärme direkt im eigenen Haushalt zu nutzen", sagt Enno de Vries, Hauptgeschäftsführer vom Fachverband Sanitär Heizung Klima Schleswig-Holstein. Möglich wäre das zum Beispiel über sogenannte Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungen. Hier erzeugen Motoren Strom mittels eines Generators. Die Wärme, die dabei entsteht, kann zu Heizzwecken im häuslichen Umfeld genutzt werden. Es gäbe jedoch auch schon vereinzelt die Möglichkeit, Wärmeenergie, die zum Beispiel beim Duschen entsteht, zu nutzen, erklärt Enno de Vries weiter.
Warmes Duschwasser, das normalerweise über den Abfluss abläuft und keine weitere Verwendung findet, wärmt dabei das zuströmende Kaltwasser in der Mischarmatur der Dusche vor. Jedoch seien die Energiegewinne hier noch eher gering und auch die Reinigung solcher Dusch-Wärmetauscher sei schwierig, warnt Enno de Vries. Für kleine Haushalte eignet sich laut Fachverband dieses Prinzip bisher noch nicht: Bei größeren Wohnobjekten könne das Thema jedoch durchaus relevanter werden. Hier falle mehr Wasser an, das dann in großen Abwasserbehältern gesammelt, gereinigt und thermisch genutzt werden könnte, meint Enno de Vries.
Mit guter Dämmung kann 90 Prozent der ungenutzten Wärme zurückgewonnen werden
Ein wichtiger Faktor sei auch die Dämmung von Häusern. Bei sogenannten Passivhäusern, bei denen Wärmeverluste nahezu komplett vermieden werden, reiche oft schon die Abwärme von Elektrogeräten und Computern für das Heizen aus. Bei neu gebauten und renovierten Häusern werde oft auch Abwärme durch Wärmerückgewinnung genutzt, erklärt der Hauptgeschäftsführer vom Fachverband Sanitär Heizung Klima Schleswig-Holstein. Dabei wird die warme Luft aus den Wohnräumen mithilfe von Wärmetauschern abgekühlt. Die dadurch entstandene Wärme kann direkt wieder in den Wärmekreislauf des Hauses zurückgeführt werden. So kann bis zu 90 Prozent der ansonsten ungenutzten Wärme zurückgewonnen werden.