Kommunale Wärmeplanung in SH: So weit sind die größeren Orte
Wer eine neue Heizung braucht, sollte wissen, ob ein Nah- oder Fernwärmeanschluss in Aussicht steht. NDR Schleswig-Holstein hat bei den Städten und Gemeinden im Land mit mehr als 20.000 Einwohnern nachgefragt, wie weit sie mit der Planung sind.
Wer eine ältere Gas- oder Ölheizung besitzt, muss sich entscheiden. Mit den Jahren steigt der Wartungsbedarf. Bei einem Ausfall im Winter muss sie schnell repariert oder ersetzt werden. Doch das bedeutet, weiteres Geld in eine Technik zu stecken, die dem Klima schadet. Zudem werden Öl und Gas durch den steigenden CO2-Preis kontinuierlich teurer. Macht es also Sinn, sich rechtzeitig zum Beispiel um eine Wärmepumpe zu kümmern? Diese wird jetzt mit bis zu 70 Prozent gefördert. Doch das braucht zeitlichen Vorlauf: für die Energieberatung, den Förderantrag, und meist vergeht mehr als ein Jahr, bis die Wärmepumpe geliefert und eingebaut ist. Oder lohnt es sich vielleicht doch zu warten, wenn bald ein Fernwärmeanschluss vor der Haustür liegt?
Übersicht
Kommunale Wärmepläne geben keine Garantie für einen Anschluss
Orientierung für die Entscheidung, welche Heizung die richtige ist, soll die Kommunale Wärmeplanung liefern. Fast 80 Städte und Gemeinden in Schleswig-Holstein müssen sie erstellen. Wie lange sie dafür Zeit haben, hängt davon ab, welchen Status sie in der Landesplanung haben:
- bis Ende 2024 müssen Mittel-, Oberzentren und Unterzentren mit Teilfunktion von Mittelzentren ihre kommunale Wärmeplanung abgeschlossen haben (35 Städte und Gemeinden)
- bis Ende 2027 müssen Unterzentren sowie Stadtrandzentren erster Ordnung ohne Wärmepläne fertig sein.
Danach ist der Einbau einer neuen Gasheizung nur noch eingeschränkt möglich. Zwar bieten die Wärmepläne keine Garantie für einen Anschluss, dennoch sollen die Kommunen skizzieren, was zu erwarten ist.
Flensburg ist Spitzenreiter, Kiel nutzt Abwärme aus Müllverbrennung
Die Ausgangslage ist höchst unterschiedlich: Fast alle der abgefragten Städte über 20.000 Einwohner haben zumindest kleinere Wärmenetze, die etwa zehn Prozent der Gebäude versorgen. Spitzenreiter ist Flensburg mit mehr als 90 Prozent. Allerdings wird hier die Energie noch fast ausschließlich fossil mit Kohle und Erdgas erzeugt. In Kiel, Neumünster und Pinneberg spielt die Abwärme aus der Müllverbrennung eine entscheidende Rolle. Fast alle Kommunen nutzen Erdgas in Blockheizkraftwerken, die gleichzeitig Strom erzeugen.
Flensburg, Elmshorn und Neumünster wollen 2035 klimaneutral heizen
Auffällig ist, dass zum Beispiel Eckernförde und Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg) durch Biomethan bereits zur Hälfte durch erneuerbare Energien versorgt werden. Flensburg, Elmshorn (Kreis Pinneberg) und Neumünster wollen bereits 2035 klimaneutral sein, und damit schneller als das Land (2040) und der Bund (2045) es verlangen. Zur Frage, wie stark die Wärmenetze wachsen werden, halten sich die meisten Kommunen noch bedeckt. Genau das soll ja die kommunale Wärmeplanung erst noch ermitteln. In Lübeck wird eine Verdreifachung der Haushalte angestrebt.
Überblick: Diese Wärmenetze gibt es in den Städten oder sind geplant
Die Angaben kommen von den Stadtverwaltungen, zum Teil auch den örtlichen Stadtwerken. Die Anschlussquoten sind nur bedingt vergleichbar, da sie sich zum Teil auf Haushalte oder Übergabepunkte beziehen. Zum Teil werden öffentliche Gebäude wie Schulen, Kliniken, Hallenbäder mitversorgt, die einen hohen Energiebedarf haben. Vom Anschlusszwang sind üblicherweise Haushalte ausgenommen, die zum Beispiel mit einer Wärmepumpe erneuerbare Energie nutzen, deren Anteil im Stromnetz kontinuierlich steigt. Eine Sonderform ist die so genannte "Kalte Nahwärme", bei der die Wärmenetz-Flüssigkeit deutlich unter 50 Grad Celsius zirkuliert. Aus dieser kann man dann mit Wärmepumpen im Haushalt noch weitere Energie entziehen.
Die Stadtverwaltungen von Bad Schwartau (Kreis Ostholstein), Bad Oldesloe (Kreis Stormarn), Heide (Kreis Dithmarschen), Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) und Reinbek (Kreis Stormarn) haben die Anfrage von NDR Schleswig-Holstein bisher nicht beantwortet.
Kommunale Wärmeplanung: Ergebnisse der Städte in Schleswig-Holstein
- Ahrensburg
- Eckernförde
- Elmshorn
- Flensburg
- Geesthacht
- Husum
- Itzehoe
- Kaltenkirchen
- Kiel
- Lübeck
- Neumünster
- Norderstedt
- Pinneberg
- Quickborn
- Rendsburg
- Schleswig
- Wedel
Ahrensburg: Genossenschaft betreibt größtes Wärmenetz
- Ausbauquote: 950 Haushalte (ca. 10 Prozent) in vier Wärmenetzen
- derzeitige Energiequellen: 63 Prozent Biomethan, 37 Prozent Erdgas
- künftige Energiequellen: In Planung: Abwasser der Kläranlage. Geprüft wird: Solarthermie, Geothermie, Umweltwärme aus Gewässern, Biomasse
- geplante Wärmenetze: mindestens ein weiteres
Eckernförde: Schon jetzt zur Hälfte erneuerbar
- Ausbauquote: 20 Prozent in 17 Wärmenetzen
- Anschlusszwang: teilweise
- derzeitige Energiequellen: Biogas, Biomethan, Holz (insgesamt 45-50 Prozent), Erdgas, Öl (geringer Anteil)
- künftige Energiequellen: Biogas, Biomethan, Holz, Geothermie , Luftwärme, Solarthermie, Abwärme
Elmshorn: Klinik als Hauptkunde
- Ausbauquote: 2 Prozent (der Ausbauquote des Erdgasnetzes), ca. 275 Haushalte, inkl. Klinik
- Anschlusszwang: ja
- derzeitige Energiequellen: Erdgas
- künftige Energiequellen: Großwärmepumpen, Abwärme
- geplante Wärmenetze: 3 weitere
Flensburg: Komplett versorgt seit 1969
- Ausbauquote: mehr als 90 Prozent, inkl. Glücksburg und Harrislee
- Anschlusszwang: ja
- derzeitige Energiequellen: Steinkohle, Erdgas, Strom, Ersatzbrennstoffe und Holzhackschnitzel
- künftige Energiequellen: Zweiter Elektrodenheizkessel mit Wärmespeicher, Großwärmepumpen, grüne Gase, klimaneutral bis 2035
Geesthacht: Zur Hälfte Biomethan
- Ausbauquote: 3.000 Haushalte (ca. 20 Prozent) in einem großen und zwei kleinen Netzen
- Anschlusszwang: ja
- derzeitige Energiequellen: 50 Prozent Biomethan, 50 Prozent Erdgas
- Förderung: derzeit werden Photovoltaik-Anlagen kommunal gefördert
Husum: Hallenbad und Schulen am Wärmenetz
- Ausbauquote: Hallenbad, Schulen, nur 40 Haushalte in drei Wärmenetzen
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: Erdgas
Itzehoe: Wasserstoff-Visionen
- Ausbauquote: mehr als 1.000 Haushalte (ca. 10 Prozent) in sieben kleinen bis mittleren Netzen
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: Erdgas
- künftige Energiequellen: eine Beimischung von 20 Prozent Wasserstoff ist möglich, grüner Wasserstoff aber schwer lieferbar
- geplante Wärmenetze: u.a. in einem neuen Quartier in der Innenstadt
Kaltenkirchen: Klimaschutzmanager berät Privathaushalte
- Ausbauquote: 250-500 Haushalte, 5 Nahwärmenetze mit Holstentherme und Freibad
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: hauptsächlich Erdgas, auch Heizöl, Strom, Biogas
- künftige Energiequellen: Sonne, Umweltwärme, Wind, Biogas
- Beratung: kostenlose Erstberatung durch Klimaschutzmanager der Stadt
Kiel: Hoffnung auf den Wasserstoff
- Ausbauquote: 43 Prozent der Haushalte, 75.000 Haushalte sowie öffentliche Gebäude
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: Erdgas und Müllverbrennung
- künftige Energiequellen: Wasserstoff, Großwärmepumpen, Geothermie
- Ausbauziel: 47 Prozent des Wärmebedarfs im Jahr 2035
- Förderung: Solarthermie und Photovoltaik, energetische Sanierung von Quartieren
Lübeck: Verdreifachung angestrebt
- Ausbauquote: 10 Prozent, 2900 Haushalte in mehr als sieben größeren Netzen
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: Erdgas, davon 65 Prozent in Blockheizkraftwerken
- künftige Energiequellen: Abwärme aus dem Zentralklärwerk, Solarthermie, geprüft wird außerdem: Geothermie, Umweltwärme aus Gewässern, große Luftwärmepumpen
- geplante Wärmenetze: Verdreifachung der Haushalte angestrebt
Neumünster: Müllverbrennung liefert Wärme
- Ausbauquote: 30-40 Prozent, 13.000 Haushalte
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: Müll (Ersatzbrennstoff), Klimaneutralität bis 2035
Norderstedt: Förderprogramm für Gebäude
- Ausbauquote: ca. 20 Prozent des Wärmebedarfs (20.000 Menschen)
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: fast 100 Prozent Erdgas mit 14 BHKW, sowie Strom
- künftige Energiequellen: Großwärmepumpen ab Ende 2023, Solarthermie, Geothermie, Abwärme, Photovoltaik
- Förderung: Norderstedter Förderprogramm Wärmeschutz im Gebäudebestand, demnächst Balkonkraftwerke
Pinneberg: Halb Müll, halb Erdgas
- Ausbauquote: 15 Prozent
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: 55 Prozent Müllverbrennung, 45 Prozent Erdgas
- künftige Energiequellen: Großwärmepumpen, Geothermie, Abwärme wird geprüft
Quickborn: Hoher Anteil von Biomethan
- Ausbauquote: 900 Haushalte (ca. 10 Prozent)
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: 60 Prozent Erdgas, 40 Prozent Biomethan
Rendsburg: Nur kleinere Netze
- Ausbauquote: nur kleinere Netze
- Anschlusszwang: wird es in Neubaugebieten geben
- derzeitige Energiequellen: Erdgas
- künftige Energiequellen: bei kalter Nahwärme: Erdwärme, Luftwärme, Holz- und Wasserwärme mit Wärmepumpen
- geplante Wärmenetze: -
Schleswig: Vorreiter bei "Kalter Nahwärme"
- Ausbauquote: 800 Haushalte (ca. 15 Prozent) in sechs heißen und zwei kalten Netzen
- Anschlusszwang: teilweise
- derzeitige Energiequellen: Biogas, Biomethan, Klärgas, Holz, Erdgas und Öl (geringer Anteil), Erdwärme. Etwa ein Drittel erneuerbar.
- künftige Energiequellen: Biogas, Klärgas, Holz, Erdwärme (Geothermie), Luftwärme, Solarthermie, Abwasser und Abwärme
Wedel: Wärmeplan soll schon Ende 2023 fertig sein
- Ausbauquote: 900 Wohneinheiten (ca. 10 Prozent) in drei Netzen
- Anschlusszwang: nein
- derzeitige Energiequellen: Großteil Erdgas sowie etwas Biogas