Schulen in SH: Was über den Ganztagsausbau bisher bekannt ist
Von August 2026 an haben Erstklässler in Schleswig-Holstein einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Damit der auch erfüllt werden kann, braucht es Konzepte, Räumlichkeiten und Regelungen. Ein Überblick.
Das Thema Ganztag hat es kurzfristig auf die Tagesordnung des Landtags geschafft: Eigentlich wollte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) das von den Beteiligten sehnlichst erwartete Konzeptin der kommenden Woche auf einer Veranstaltung ihrer Fraktion vorstellen. Die Oppositionsfraktionen sorgten aber per Dringlichkeitsantrag dafür, dass Bildungsministerin Prien ihr Konzept zuerst öffentlich - nämlich im Landtag - erläuterte. Was bisher bekannt ist:
Wie soll die Ganztagsbetreuung aussehen?
Das Angebot kann vom Mittagessen, über Hausaufgabenhilfe bis hin zu Sport, Musik und Sprachunterricht reichen. Im Konzept gibt es verschiedene Modelle, die Schulen anbieten können - auch mit Unterstützung von externen Partnern wie Vereinen. Ziel des Landes: Die Kinder sollen ihre Persönlichkeit entwickeln, gleiche Chancen haben und - nicht zuletzt - lernen.
Werden die Kinder nur "aufbewahrt" oder lernen sie auch etwas?
Zumindest das Ziel ist ein "guter, qualitiativ hochwertiger Ganztag", wie es Bildungsministerin Prien formuliert. Und auch Malte Krüger von den Grünen will "mehr als eine Betreuungseinrichtung mit Mittagessen und Hausaufgabenzeit."
Ob das gelingt, hängt aber natürlich auch von der Umsetzung ab: Etwa müssen ausreichend Fachkräfte gefunden werden. Die Schulträger, stellte Bildungsministerin Prien im Landtag fest, stünden vor "großen Herausforderungen."
Und: Für die Umsetzung von Konzepten braucht es auch die richtigen räumlichen Voraussetzungen: Martin Habersaat von der SPD warnt, dass Grundschulkinder nicht den ganzen Tag in einem Klassenraum sitzen könnten.
Wer hat Anspruch auf die Ganztagsbetreuung?
Zunächst nur die Erstklässler, die im nächsten Sommer eingeschult werden. Jahr für Jahr kommen dann die weiteren Klassen in der Grundschule dazu.
Was müssen Eltern zahlen?
Unklar. Der Bildungsministerin zufolge soll es einen landeseinheitlichen Elternbeitrag geben. Sowie eine Sozialstaffel für Familien mit wenig Geld und eine Geschwisterermäßigung. In einem Entwurf der Richtlinie ist ein Höchstbeitrag von 135 Euro genannt. Aber diese Zahl ist wohl noch mit Vorsicht zu genießen.
Im Entwurf heißt es außerdem, dass Träger fürs Mittagessen oder für "besondere Veranstaltungen" zusätzliches Geld verlangen dürfen. Gleiches gilt für Aktivitäten, die über den Zeitrahmen von acht Stunden hinausgehen.
Wer übernimmt den Rest - und zahlt für Baumaßnahmen und Betriebskosten?
Land und Kommunen haben sich schon im September 2023 darauf verständigt, dass Bund und Land 85 Prozent der Investitionskosten übernehmen. Die Betriebskosten trägt das Land zu 75 Prozent. Allerdings sehen Kommunalverbände noch viele offene Fragen bei den Rahmenbedingungen, und: Die Fördermittel für die Bauprojekte sind nach Angaben der Verbände fast vollständig ausgeschöpft - damit drohe der Förderstopp für 180 Projekte im Land.
Ministerin Prien bestätigt auf Nachfrage, dass die zusätzlichen Mittel von Land und Bund jetzt verbraucht sind. Sie verweist auf die gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Kommunen für den Schulbau. „Die Kommunen sind jetzt in der Verantwortung, die Mittel zur Verfügung zu stellen“, sagt Prien.
"Beim Ausbau der Ganztagsschulen droht eine Vollbremsung", mahnen hingegen die Geschäftsführer der Kommunalverbände. Sie befürchten: Wenn die Finanzierung nicht gelingt, dann ist auch das pädagogische Konzept am Ende Makulatur.
Ganztagsbetreuung in SH: Wie geht es weiter?
Die Diskussion über das Konzept geht erst los: Die Abgeordneten, aber auch die beteiligten Verbände werden sich die Details nun genau angucken und ausführlich diskutieren. Parallel dazu läuft laut Bildungsminsterium die Anhörung über die Förderrichtlinie, in der es etwa darum geht, welches Konzept wie gefördert wird. Die Stellungnahmen dazu sollen noch vor der Sommerpause im Bildungsausschuss besprochen werden.
Im Landtag ging es am Freitag noch nicht wirklich um Details - dafür war das Rahmenkonzept noch zu frisch. Kritik gab es vor allem am bisherigen Vorgehen: Die SPD bemängelte etwa das "Windhundverfahren" beim Beantragen von Fördermitteln für die Kommunen. Zu Beginn des Verfahrens hatten Antragsteller nämlich nachts am Briefkasten der Investitionsbank ausgeharrt, um ihre Anträge möglichst früh einzureichen.
Warum überhaupt den ganzen Tag Schule?
Ein Stichwort ist Chancengleichheit: Kinder mit unterschiedlichen Familienhintergründen sollen die gleichen Angebote nutzen können. "Bildungsgerechtigkeit" beschworen entsprechend auch die Abgeordneten im Landtag. Schleswig-Holstein hat dabei Studien zufolge Nachholbedarf.
Ein anderes Stichwort ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bildungsministerin Prien sieht die Ganztagsbetreuung als eine "Antwort auf die Frage des Fachkräftemangels, die wir zu lösen haben."
Laut Bundesfamilienministerium soll mit dem Ganztagsförderungsgesetz "eine Betreuungslücke geschlossen werden, die nach der Kita-Zeit für viele Familien wieder aufklafft, wenn die Kinder eingeschult werden." Das Ministerium beruft sich auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nach der Mütter durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung häufiger arbeiten und mehr verdienen. So sind sie der Studie zufolge seltener auf staatliche Unterstützung angewiesen und der Staat nimmt mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ein.
Gab es Ärger wegen des Vorgehens der CDU-Fraktion?
Ja - denn aus Sicht von SPD, FDP und SSW ist es nicht in Ordnung, dass die CDU im Rahmen ihrer Veranstaltung ein Konzept thematisieren wollte, das eigentlich erst in den Landtag gehörte. Die FDP-Abgeordnete Anne Riecke sprach von einer "desaströsen Kommunikation". Der SSW erinnerte daran, dass immerhin der Landtag das Konzept am Ende beschließen müsse.
Bildungsministerin Prien sagte zu Beginn ihrer Rede, dass sie selbstverständlich auch gern in den anderen Fraktionen ihr Konzept vorstellen könne. CDU-Fraktionschef Koch begründete das Vorgehen damit, dass das Konzept ja fürs erste Quartal angekündigt gewesen sei - insofern habe man die Veranstaltung für nächste Woche geplant - dann beginne ja das zweite Quartal. Die Erklärung überzeugte im Landtag nicht jeden.