Gasbohrung vor Borkum: Viel Kritik nach Erlaubnis aus Niedersachsen
Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hat die umstrittene Gasbohrung in der Nordsee vor Borkum am Mittwoch genehmigt. Umweltverbände und Insulaner üben scharfe Kritik.
Die auf 18 Jahre befristete Genehmigung sei nach Prüfung und Freigabe durch das niedersächsische Wirtschaftsministerium erfolgt, teilte die Landesbehörde am Mittwoch mit. Sobald durch die angestrebte Wärmewende in Deutschland kein Erdgas mehr als Energieträger benötigt wird, werde die Förderung vorzeitig enden. "Solange aber in Deutschland noch Erdgas verbraucht wird, gilt: Das aus heimischen Lagerstätten geförderte Erdgas ist erheblich weniger klimaschädlich als das importierte", sagte LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier.
Ministerpräsident Weil sieht Bund am Zug
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht jetzt die Bundesregierung am Zug. "Ganz unabhängig von Landesgenehmigungen bedarf es in jedem einer entsprechenden Vereinbarung auf der staatspolitischen Ebene", so Weil. Sein Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) betonte, die Entscheidung sei mit "größter Sensibilität geprüft und mit größter Gewissenhaftigkeit getroffen worden". Alle zur Verfügung stehenden Daten und Untersuchungen seien eingeflossen und gewürdigt worden. Es gebe dabei "keinen politischen oder sonst irgendeinen Ermessensspielraum." Niedersachsen habe vor allem die Aufgabe einer "Prüfbehörde", so der Minister. Weil das Gas sowohl in niederländischen als auch in deutschen Hoheitsgebieten gefördert werden soll, braucht es ein völkerrechtliches Abkommen mit den Niederlanden. Die im Jahr 2022 begonnenen Gespräche liefen weiter, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Zu einem möglichen Zeitpunkt machte ein Sprecher keine Angaben.
Umweltminister Meyer hält neue Gasförderungen für unnötig
Lies' Kollege aus dem Umweltministerium, Christian Meyer (Grüne), sagte zu der Genehmigung: "Unabhängig von der rechtlichen Entscheidung der Landesbehörde ändert sich an meiner kritischen Sicht auf das Gesamtprojekt nichts." Neue Gas- und Ölförderungen seien aus Sicht des Klimaschutzes unnötig. Er fordere zudem eine Reform des Bundesbergrechts: Klima- und Umweltziele seien darin immer noch nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Reform sei im niedersächsischen Koalitionsvertrag auch so vereinbart worden, so Meyer.
Deutsche Umwelthilfe will "alle rechtlichen Mittel ausschöpfen"
Scharfe Kritik an der Genehmigung kommt von Umweltverbänden. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sagte: "Härter kann man den Menschen auf den ostfriesischen Inseln nicht vor den Kopf stoßen: Nur wenige Tage nach den großen Protesten auf Borkum erlaubt Wirtschaftsminister Lies die Gasbohrungen unter der deutschen Nordsee." Lies stelle damit Geschäftsinteressen eines Gaskonzerns über Natur und Menschen. Müller-Kraenner kündigte an, "alle rechtlichen Mittel" auszuschöpfen und bekräftigte damit den Standpunkt der DUH, die bereits im vergangenen Jahr angekündigt hatte, im Falle einer Genehmigung vor Gericht zu ziehen. Erst in der vergangenen Woche hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg einem Eilantrag der DUH gegen die Genehmigung eines Seekabels zur Stromversorgung der Gasförderplattform stattgegeben und diese damit vorerst gestoppt.
Bürgerinitiative: Gefahr für Gebäude und Trinkwasser
Susanne Gerstner, Vorstandsvorsitzende des BUND Niedersachsen, sagte, die Genehmigung stehe im "krassen Widerspruch zu den Klimazielen der rot-grünen Landesregierung". Zudem werde der Status des Wattenmeers als Weltnaturerbe aufs Spiel gesetzt. Unterdessen betonte Bernd Meyerer, Sprecher der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland, die möglichen Folgen der Bohrungen für die Insulaner: "Die Insel- und Häuserfundamente sowie die Trinkwasserlinse sind durch Erdbeben und Bodenabsenkungen stark gefährdet." Das LBEG verlasse sich auf Beteuerungen aus den Niederlanden, dass alles sicher sei, obwohl erst kürzlich die Erdgasförderung in Groningen wegen Erdbeben eingestellt worden sei. "Deshalb will man nun vor Borkum fördern. Das dürfen wir nicht zulassen!", sagte Meyerer. Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) sieht das ähnlich. "Es ist sehr enttäuschend", sagte er am Mittwoch. Aktuell werde der Planfeststellungsbeschluss auf Fehler geprüft, um rechtliche Schritte einleiten zu können.
Bis zu 13 Milliarden Kubikmeter Erdgas
Der niederländische Energiekonzern One-Dyas will noch in diesem Jahr mit der Erdgasförderung aus einem Feld vor den Inseln Borkum und Schiermonnikoog (Niederlande) beginnen. Geplant sind Bohrungen in einer Tiefe von 1,5 bis 3,5 Kilometern. Die erwartete förderbare Erdgasmenge für das gesamte Projekt liegt zwischen 4,5 und 13 Milliarden Kubikmetern. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 81 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht.
Umweltschützer protestieren
Umweltschützer fürchten durch die Gasförderung in der Nordsee Umweltschäden für das angrenzende UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und die benachbarten Inseln. Laut Greenpeace könnten zudem Unterwasserbiotope und Riffe im Bereich der Bohrstelle und entlang einer für die Stromversorgung vorgesehenen Kabeltrasse unwiederbringlich zerstört werden. Im Juli hatten Aktivisten deshalb ein schwimmendes Protestcamp auf der Nordsee errichtet. Auch die Klimaschutzbewegung Fridays for Future hatte vor wenigen Tagen auf Borkum und vor dem niedersächsischen Landtag in Hannover protestiert.