Eine Drohnenaufnahme zeigt einen Solarpark neben einer Papierfabrik. © NDR

Wie eine Papierfabrik umweltfreundlich werden will

Stand: 31.07.2024 07:39 Uhr

Die Papierindustrie gehört zu den Branchen mit dem höchsten Energieverbrauch überhaupt. Entsprechend groß ist der CO2-Ausstoß. Die Branche steht daher auch in Niedersachsen enorm unter Druck.

von Annette Deutskens

Die Papierfabrik Drewsen Spezialpapiere im Landkreis Celle blickt auf 486 Jahre Firmengeschichte zurück und ist damit eines der traditionsreichsten Unternehmen im Land. Damit es auch am 500. Geburtstag noch Grund zum Feiern gibt, erfindet sich der Papierhersteller gerade neu. Genauer gesagt: seine Energieversorgung. Die wird nämlich komplett umgestellt, so der Plan. 100 Millionen Euro nimmt das Unternehmen dafür in die Hand - eine riesige Summe für den mittelständischen Betrieb.

Solarmodule eines Balkonkraftwerke an einem Mehrfamilienhaus. © picture alliance / imageBROKER Foto: Robert Poorten
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Energieverbrauch so hoch wie der von der Stadt Celle

Das Vorhaben ist alternativlos, wenn das Unternehmen eine Zukunft haben soll, so sehen sie es bei Drewsen. Zumindest, wenn diese Zukunft weiterhin in Niedersachsen spielen soll - und die rund 500 Arbeitsplätze gesichert werden sollen. Für die Papierproduktion benötigt Drewsen etwa 470 Millionen Kilowattstunden Elektrizität und Wärme pro Jahr - das entspricht in etwa dem Energieverbrauch der Stadt Celle. Das Problem sind nicht nur die CO2-Emissionen in Höhe von etwa 90.000 Tonnen jährlich. Das Problem liegt auch in der Abhängigkeit vom Gas. Denn bisher fußt die gesamte Energieversorgung bei Drewsen auf Gas aus dem eigenen Kraftwerk.

Kunden wollen CO2-Ausstoß pro Tonne wissen

Eine Drohnenaufnahme zeigt eine Solaranlage auf dem Dach einer Papierfabrik. © NDR
Die Papierfabrik Drewsen benötigt im Jahr etwa so viel Energie wie die Stadt Celle.

"Wir betreiben die Fabrik zu 100 Prozent auf fossiler Basis und das kann eigentlich nicht die Zukunft sein", sagt Martin Siebert, technischer Leiter bei Drewsen. "Wir merken auch schon, dass einige Kunden nicht nur den Papierpreis wissen wollen, sondern auch den CO2-Ausstoß pro Tonne. Und da wollen wir uns frühzeitig aufstellen, um wettbewerbsfähig zu sein." Der Druck sei groß - auch, weil die Energiekosten einen großen Anteil an den Herstellungskosten ausmachen. Deshalb sollen bis 2030 80 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2045 dann 100 Prozent.

Energie-Branchenverband lobt "Pionierarbeit"

Gerade ist der neue Solarpark fertig geworden, auf 16 Hektar Fläche reihen sich Tausende Solarmodule aneinander. Auch erste Windräder stehen, weitere sollen folgen, ein Biomassekraftwerk ist ebenfalls in Planung. Die Idee hinter dem Energiemix: Die nachhaltigen Quellen sollen sich so ergänzen, dass wetterunabhängig immer ausreichend Energie zur Verfügung steht. Das Unternehmen leiste "Pionierarbeit", lobt der Landesverband Erneuerbare Energien. In Niedersachsen verfolge bisher nur der Hafen Brake einen vergleichbaren Ansatz, der alle Sparten der erneuerbaren Energien umfasse. Drewsen sei ein Vorbild für andere Industrieunternehmen in Niedersachsen, die viel Energie benötigten, so der Landesverband.

Bisher kaum erneuerbare Energien in der Industrie

Zur Wahrheit gehört aber auch: Drewsen verfügt über einen Standortvorteil, denn es gibt freie Fläche um die Fabrik herum. Der Solarpark liegt so nah am Gelände, dass der Strom direkt ins Werksnetz eingespeist werden kann, ohne das öffentliche Netz zu berühren. Dieses wird entlastet - und das Unternehmen spart gleichzeitig Netzentgelt. Dass regenerative Energien in der Industrie noch die absolute Ausnahme sind, zeigen Zahlen des Statistischen Landesamtes: Gerade mal zwei Prozent der Energie, die die niedersächsische Industrie verbraucht, stammen aus erneuerbaren Quellen. Der mit Abstand häufigste Energieträger ist Erdgas.

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Funkbilder - der Tag | 31.07.2024 | 16:00 Uhr

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