Windenergie vs. Wallfahrt: Diskussion im Landkreis Göttingen
Im Landkreis Göttingen steht seit Mai der Entwurf für die Flächen, auf denen in Zukunft Windenergie Vorrang haben soll. In der Nähe eines beliebten Wallfahrtsortes ist die größte Fläche geplant.
Bis 2032 soll der Landkreis Göttingen 1,16 Prozent seiner Fläche für Windkraft zur Verfügung stellen. Das hat das Land Niedersachsen per Gesetz festgelegt. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Landkreis nun einen Entwurf veröffentlicht, auf diese sogenannten Vorrangflächen markiert sind. Insgesamt 23 solcher Vorrangflächen wurden nach Angaben des Landkreises ermittelt. Dabei soll es sich nur um Gebiete handeln, in denen Windräder im Einklang mit Siedlungs-, Natur- und Umweltschutz gebaut werden können.
Größte Fläche in der Samtgemeinde Gieboldehausen
Mit über 400 Hektar ist auf dem Höherberg im Untereichsfeld die größte der Flächen für Windkraft geplant. Das Gebiet ist ein beliebtes Ausflugsziel und Wallfahrtsort für viele Gläubige. Klaus Hawner, ein Anwohner und stellvertretender Vorsitzender der dortigen Kirchengemeinde war schockiert als er die Pläne des Landkreises gesehen hat. Er findet es ungerecht, dass ausgerechnet auf dem Höherberg so eine große Fläche vorgeschlagen wurde. "Dieser Ort muss meiner Meinung nach erhalten bleiben als Ruheort, als Wallfahrtsort für die Bevölkerung, auch, um die schöne Aussicht hier zu genießen", sagt Hawner. Zwölf Windräder stehen dort bereits, dabei sollte es, seiner Ansicht nach, bleiben.
Protest gegen die Landkreispläne
Hawner weiß, dass die Energiewende notwendig ist, erklärt er. Gegen Windenergie habe er grundsätzlich nichts, so wie auch viele andere aus den umliegenden Gemeinden. "Aber sie muss gleich verteilt sein", Hawner weiter. Gemeinsam mit Josef Jünemann, einem Kollegen aus dem Kirchenvorstand, hat er gegen die Entwürfe des Landkreises 350 Unterschriften gesammelt. Zusätzlich sollen noch 300 Briefe von Anwohnerinnen und Anwohnern zum Landkreis geschickt worden sein. Auch Gemeindebürgermeisterin Maria Bock (CDU) und Vertreter aus anderen Kommunen aus der Region äußerten sich in öffentlichen Stellungnahmen gegen die Pläne des Landkreises. Hawner befürchtet nun, dass die Sorgen der Menschen hier nicht gehört werden. Er fordert, die Windenergie gleichmäßiger im Landkreis zu verteilen.
Wo sollen Windräder gebaut werden?
Im ersten Entwurf des sogenannten "Teilplan Windenergie" des Landkreises Göttingen sind rund 2.000 Hektar Fläche bestimmt worden, auf denen Windräder Vorrang haben sollen. Das entspricht etwa 1,44 Prozent der Landkreisfläche und ist etwas mehr als eigentlich gesetzlich gefordert ist. Das hat einen guten Grund, erklärt Kreisrätin Doreen Fragel (Grüne). Sollte gegen eine Fläche Klage eingelegt werden oder andere Belange sprechen doch dagegen, gibt es einen kleinen Puffer. Sollte der Landkreis das vorgegebene Flächenziel nämlich nicht erreichen, drohe die sogenannte Superprivilegierung. Das bedeutet Windräder könnten überall da genehmigt werden, wo sie nicht verboten sind. Es wäre einfacher, Gemeinden mit Windrädern zu "umzingeln". Das möchte der Landkreis Göttingen vermeiden, so Fragel weiter.
Viele Flächen von vornherein ausgeschlossen
Der Landkreis Göttingen ist jedoch eine sehr heterogene Region, erläutert Doreen Fragel (Grüne). Es gibt ganze Gemeinden, in denen keine Windräder gebaut werden könnten, weil sie ein einziges, großes Vogelschutzgebiet sind. Außerdem wolle der Landkreis einen Abstand von 1.000 Metern zu Siedlungen einhalten. Auch Autobahnen, Schienennetze und Stromtrassen würden dazu führen, dass viele Gebiete für Windenergie gar nicht erst in Frage kommen. "Die Fläche in der Samtgemeinde Gieboldehausen und insbesondere am Höherberg ist groß. Aber das ist eben eine Fläche, die dieses Potenzial auch hergibt", begründet sie den Entwurf des Landkreises.
Landkreis wertet Stellungnahmen aus
Anwohnerinnen und Anwohner konnten rund sieben Wochen lang Stellung zu den Plänen des Landeskreises beziehen. Nach einer ersten Auszählung freut sich Doreen Fragel darüber, dass zwischen 1.500 und 2.000 Menschen dieses Angebot genutzt haben. Darunter seien auch Rückmeldungen, die die Pläne würdigen und positiv einschätzen. Der Landkreis Göttingen will alle Stellungnahmen nun auswerten und besprechen. Klaus Hawner hofft, dass dabei auch Rücksicht auf den Willen der Menschen aus der Samtgemeinde Gieboldehausen genommen wird.