Neuer Rekord bei Ermittlungen gegen Organisierte Kriminalität
Drogen, gesprengte Geldautomaten, Diebesbanden: Niedersachsen hat vergangenes Jahr so viele Verfahren wegen Organisierter Kriminalität eingeleitet wie noch nie zuvor.
Insgesamt wurden 78 Ermittlungsverfahren und damit 20 mehr als im Vorjahr geführt. Das geht aus dem Lagebericht hervor, den Innenminister Boris Pistorius und Justizministerin Kathrin Wahlmann (beide SPD) am Donnerstag in Hannover vorstellten. Damit seien so viele Verfahren eingeleitet worden wie nie zuvor innerhalb eines Jahres in Niedersachsen, sagte Pistorius. Der Anstieg der Verfahren sei auch darauf zurückzuführen, dass die Ermittlungsbehörden Zugriff auf verschlüsselte Chats hatten. "Die Erkenntnisse aus entschlüsselten kryptierten Endgeräten haben zu zahlreichen neuen Verfahren im Bereich der Rauschgiftkriminalität geführt", sagte Wahlmann. "So wurden zum Beispiel allein in den EncroChat-Verfahren circa 1,4 Tonnen Cannabisprodukte, 36,5 Kilogramm Kokain und über 56,5 Kilogramm synthetische Drogen sichergestellt." Das sei eine bis dahin ungeahnte Größenordnung.
Die meisten Tatverdächtigen sind Deutsche
Drogen waren ein Schwerpunkt in den Ermittlungen zu Organisierter Kriminalität (OK). Zwei von drei Verfahren befassten sich Handel oder Schmuggel (52 Verfahren). Weitere Schwerpunkte lagen in den Bereichen der Eigentumskriminalität (9 Verfahren) und der Wirtschaftskriminalität (8 Verfahren). Weitere 12 Verfahren seien von Bundesbehörden wie dem Bundeskriminalamt oder dem Zoll geführt worden. Insgesamt wurde in Niedersachsen gegen 652 Tatverdächtige ermittelt. Tatverdächtige deutscher Nationalität stellten dabei den größten Anteil (296), gefolgt von türkischen (62) und russischen (40) Staatsangehörigen.
Clans auch im Bereich der Organisierten Kriminalität aktiv
Pistorius sagte weiter: "Auch kriminelle Clans, das wissen wir bereits aus den Vorjahren, sind sehr aktiv im Bereich der Organisierten Kriminalität." Auf Nachfrage teilte das Innenministerium mit, dass acht Verfahren auf Clankriminalität entfielen (2020: 6), zwei davon führten Bundesbehörden. "Die sechs niedersächsischen OK-Verfahren, die unmittelbar der Clankriminalität zuzurechnen sind, hatten in der Hauptaktivität den Rauschgifthandel/-schmuggel (3), Eigentumskriminalität, Fälschungskriminalität und Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben zum Inhalt", teilte das Ministerium mit.
Neuer Rekord bei Sprengungen von Geldautomaten
Viel Aufmerksamkeit richtete sich auf Ermittlungen gegen Geldautomaten-Sprenger. Mit 60 Taten erreichte die Zahl bereits Ende November einen Rekordwert. Seitdem kamen Sprengungen in Hameln, im Landkreis Schaumburg und im Landkreis Osnabrück dazu. "Durch die inzwischen bei diesen Taten fast ausschließlich genutzten Festsprengstoffe werden Menschenleben akut gefährdet, das werden wir so nicht weiter hinnehmen", sagte Pistorius. "Wir haben konkrete Erkenntnisse zu den Tätergruppierungen, die insbesondere in die Niederlande führen."
Niederlande: Geld aus gesprengten Automaten wird unbrauchbar gemacht
Dort etwa gebe es kaum noch vergleichbare Taten. "Die mögliche Beute wird dort bei einer Sprengung durch Verklebungs- oder Verfärbungstechnik unbrauchbar gemacht. "Die Betreiber der Geldautomaten sind deshalb in der Pflicht, das Sprengen von Automaten durch technische Maßnahmen so unattraktiv wie möglich zu machen", sagte der SPD-Politiker. Weil die Taten sich häufen, wurde für die Ermittlungen eine landesweite Zentralstelle bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück eingerichtet. "Diese Zentralisierung ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt, um Strukturen und Hintergründe dieser Taten zu erkennen", sagte Justizministerin Wahlmann. 2021 sei durch Delikte der Organisierten Kriminalität geschätzt ein Schaden von insgesamt 167 Millionen Euro entstanden, teilte das Innenministerium mit.
Gerichte verhängten öfter Haft
Niedersächsische Gerichte verurteilten vergangenes Jahr 93 Angeklagte wegen Delikten in der OK, wie es weiter hieß. Im Vorjahr waren es 103. Allerdings seien 2021 im Schnitt höhere Strafen verhängt worden, so das Ministerium. Der Durchschnitt der Freiheitsstrafen betrug demnach gut vier Jahre. Es seien weniger Strafen auf Bewährung ausgesetzt worden. Vergangenes Jahr waren es 29,1 Prozent, im Jahr davor noch 37,6 Prozent.