ZAPP-Spezial: "Klaasohm" auf Borkum – Was sich nach der Kritik verändert hat

Stand: 01.04.2025 14:00 Uhr

Das NDR-Medienformat ZAPP ist nach Borkum gereist, um zu verstehen: Was hat die kritische Berichterstattung über "Klaasohm"-Brauch mit den Insulanerinnen und Insulanern gemacht? Und was hat sich durch die mediale Aufmerksamkeit wirklich geändert?

Vor vier Monaten sorgte eine Recherche der Redaktionen STRG_F und Panorama über den traditionellen "Klaasohm"-Brauch auf der Nordseeinsel Borkum für ein bundesweites Medienecho. Die Journalisten deckten auf: Zu dem in der Öffentlichkeit bis dahin wenig bekannten Nikolausbrauch gehört auch das ritualisierte Schlagen von Frauen mit Kuhhörnern. 

Was hat sich durch die mediale Aufmerksamkeit wirklich geändert?

Das Schlagen von Frauen beim "Klaasohm"-Fest wurde nach der Kritik abgeschafft, der verantwortliche Verein "Borkumer Jungens" distanzierte sich von jeglicher Form von Gewalt und den "historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre". Doch viele Inselbewohnerinnen und -bewohner wehren sich bis heute gegen Teile der Berichterstattung. Sie sehen sich und ihre Tradition falsch dargestellt. Den Medien gegenüber begegnen viele mit großer Skepsis - auch aus Angst vor Hetze und neuen Shitstorms.

"Es wurde mir vorgeworfen, dass ich Vergewaltigung zustimmen würde, dass ich ein Inzucht-Ergebnis der Insel bin", berichtet die stellvertretende Bürgermeisterin Melanie Helms gegenüber ZAPP. "Es wurde ausgesprochen, man müsste die Insel wegbomben, man müsste Euch anzünden. Das hat mich tief getroffen, weil die Insel so viele gute Seiten hat."

"Meine Erfahrungen wurden ins Lächerliche gezogen"

Heftige Anfeindungen erlebten aber auch betroffene Frauen, die sich zu dem brutalen Brauch öffentlich äußerten. "Meine Erfahrungen wurden ins Lächerliche gezogen, und mir wurde geschrieben, dass man mir das nicht verzeihen würde", erzählt eine Borkumerin, die aus Angst vor Anfeindungen auch bei ZAPP nur anonym auftreten will. Andererseits sei sie froh darüber, dass endlich öffentlich darüber gesprochen wird, “dass der 'Klaasohm' auch wirklich zuschlägt."

ZAPP-Reporterinnen sprechen exklusiv mit Borkumerinnen und Borkumern

Die ZAPP-Reporterinnen Julia von Buddenbrock und Alexandra Bauer sprechen erstmals mit Borkumerinnen und Borkumern, die damals nicht mit dem NDR und anderen Medien sprechen wollten. Dazu gehört auch der Vorsitzende des Borkumer Jungens-Vereins Maximilian Rau. "Unsere Angst, die es damals gab und die Befürchtung auch heute ist, dass aus dem Fest eine touristische Veranstaltung wird", erklärt Rau. Ihnen sei bewusst gewesen, dass das Schlagen der Frauen abgeschafft gehörte, doch "wir wollten das Verbot nicht an die große Glocke hängen". 

Jene Frauen, die den Brauch öffentlich kritisierten, beklagen, dass es bis heute keine Anerkennung ihrer Perspektive und keine offene Debatte über die Gewalt im Rahmen des "Klaasohm"-Festes gebe. "Wenn man mal etwas sagt, dann wird gesagt: Stell dich nicht so an, das ist nicht so schlimm", schildert eine weitere anonyme Zeugin gegenüber ZAPP. Es werde alles heruntergespielt, und so lerne man, dass man darüber nicht spricht.  

Mit rund 4.300 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Borkum eine kleine Insel. Eine unpopuläre Meinung zu vertreten, könne riskant sein, wenn man Teil der Inselgemeinschaft bleiben will, das hören die ZAPP-Reporterinnen immer wieder.

Wie diese Inselgemeinschaft den medialen Sturm verarbeitet, zeigt diese 30-minütige Reportage im YouTube-Channel von ZAPP und in der ARD-Mediathek.

Sendehinweis: In der ARD Mediathek ist das Video bereits abrufbar, am 23.04. um 22.:30 Uhr im NDR Fernsehen.

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