Biobauer gegen VW: Urteil zu Klimaklage erwartet
Ulf Allhoff-Cramer macht VW als zweitgrößten Autobauer mitverantwortlich: ganz allgemein für die Klimakrise, für Dürre und Starkregen. Und ganz konkret für Ernteausfälle auf seinem Hof bei Detmold.
Biobauer Ulf Allhoff-Cramer ist 63 Jahre alt und zieht gegen den zweitgrößten Autobauer der Welt vor Gericht. Aus Sicht des Ökolandwirts trägt Volkswagen eine Mitverantwortung für die Erderhitzung. Auf seinem Hof bei Detmold in Nordrhein-Westfalen leidet die Ernte Jahr für Jahr unter Dürren und Starkregen. In seiner Klage fordert er gemeinsam mit der Umweltorganisation Greenpeace, dass VW ab 2030 keine Benziner und Dieselautos mehr verkaufen darf. Er sei der erste Mensch weltweit, der einen Autobauer aus persönlicher Betroffenheit heraus verklagt, so Greenpeace. Das Landgericht Detmold will am Freitag sein Urteil verkünden.
Gericht äußerte Zweifel an Klage gegen VW
Anfang Februar sah es noch nicht so gut aus für die Klage von Allhoff-Cramer. Da erklärte ihm das Landgericht, dass es rechtliche Bedenken habe. Demnach waren zumindest Teile der Klage noch nicht zulässig. So fehlten dem Gericht etwa noch konkrete Angaben zu den Gesundheitsbeeinträchtigungen des Bauern durch Volkswagen. Bereits vergangenes Jahr hatten sich das Gericht und die Verfahrensbeteiligten zu zwei Verhandlungen getroffen. Damals ging es darum, ob die Klage ausreichend begründet ist. Nach diesen zwei Terminen besserte die Anwältin des Landwirts nach, stellte neue Anträge beim Gericht. Am Freitag kann das Landgericht die Klage des Landwirts entweder abweisen oder in die Beweisaufnahme einsteigen.
Hitze, Trockenheit, Starkregen: Landwirtschaft als Glücksspiel
Für den Biobauern aus Detmold ist klar: VW trägt maßgeblich zur Erderhitzung bei. Allein mit seiner Pkw-Sparte sei das Unternehmen für ein Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. "Unsere Weiden, Wälder und Äcker vertrocknen, während VW klimaschädliche Verbrenner am laufenden Band verkauft", argumentiert Allhoff-Cramer. "Aber Diesel und Benziner kann man nicht essen." Der 63-Jährige betreibt einen Bioland-Hof am Rand der Stadt Detmold. 25 Mutterkühe hat er, außerdem einige Felder mit Weizen, Roggen, Dinkel und Hafer. Ein paar kleine Wälder gehören auch zu seinem Betrieb. "Die Landwirtschaft ist zu einem Glücksspiel geworden, man kann nur jedes Jahr hoffen, dass es mal wieder genug regnet", sagt er.
Landwirt: "Wir sind systemrelevant"
Wegen der langen Trockenheit im vergangenen Jahr musste er bereits im Sommer das Winterheu verfüttern. Auf seinen Weiden wuchs kein Halm mehr. Für den 63-Jährigen ist das ein grundlegendes Problem: "Wir Bauern und Bäuerinnen erzeugen Lebensmittel, sind also systemrelevant für ein Grundbedürfnis der Menschen." Nach drei klimabedingten Dürre-Sommern sind 30 Hektar seines Nadelwaldes abgestorben. Auch sein Laubwald ist angegriffen.
40 Prozent der Neuzulassungen waren SUV
Ursache für Dürre und Starkregen ist Umweltforschern zufolge der menschengemachte Klimawandel durch den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen. Immer mehr Straßenverkehr und immer größere Autos führten dazu, dass weiterhin große Mengen des Treibhausgases CO2 freigesetzt werden. Als Folge verschärfe sich die Erderwärmung immer weiter. Dass auch die Deutschen immer größere Autos kaufen, zeigen aktuelle Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes: Im ersten Halbjahr waren knapp 40 Prozent der Pkw-Neuzulassungen hierzulande SUV.
VW verweist auf Pariser Klimaabkommen
Aus Sicht von Greenpeace sind die Autobauer also Mitverursacher der Klimakrise. "VW verkauft ungebremst Millionen neuer klimaschädlicher Diesel und Benziner - Jahr für Jahr", sagt Benjamin Stephan, Verkehrsexperte bei der Organisation. Damit stehe VW im Widerspruch zum 1,5-Grad-Klimaziel. Der Wolfsburger Autobauer sieht das anders. "Die Klage trifft mit Volkswagen den Falschen", argumentiert Sprecherin Katerina Vojtechova. Der Konzern stehe zu seiner Verantwortung, die CO2-Emissionen in all seinen Tätigkeitsfeldern "so schnell wie unternehmerisch möglich" zu reduzieren. VW wolle bis 2050 CO2-neutral sein; als einer der ersten Autohersteller habe sich VW zum Pariser Klimaabkommen bekannt.
Verbrenner: Die meisten Emissionen entstehen beim Fahren
Betrachtet man aber ein komplettes Autoleben, entsteht der Löwenanteil der Emissionen - mehr als 98 Prozent - nicht in der Produktion, sondern beim Fahren. VW-Sprecherin Vojtechova sieht die Verantwortung dafür nicht beim Hersteller: "Volkswagen emittiert diese CO2-Mengen weder selbst noch kontrollieren wir als Hersteller den Ausstoß." Es sei Aufgabe des demokratisch gewählten Gesetzgebers, den Klimaschutz zu gestalten.
"Niemand kauft einen VW, um ihn nur in der Garage stehen zu lassen"
Benjamin Gehrs, Kampagnen-Manager bei Greenpeace für das Thema Mobilität, überzeugt das nicht: "Die Emissionen, die sich VW nicht zurechnen lassen will, entstehen dadurch, dass die Produkte des Konzerns gemäß ihrer Bestimmung benutzt werden." Anders gesagt: Niemand kauft einen VW, um ihn nur in der Garage stehen zu lassen. Allerdings scheiterte Greenpeace erst kürzlich mit einer ähnlichen Klimaklage gegen VW. Das Landgericht Braunschweig wies sie mit der Begründung ab, VW halte sich mit seinen Emissionen an das geltende Klimaschutzgesetz. Man könne von einem privatwirtschaftlichen Konzern nicht mehr Umweltschutz verlangen, als es der Staat vorschreibe.
Biobauer will zur Not in Berufung gehen
Greenpeace-Rechtsanwältin Roda Verheyen, die auch Allhoff-Cramer in Detmold vertritt, rechnet sich Chancen aus für die Klage in Nordrhein-Westfalen: "Folgt man dem Landgericht Braunschweig, wäre die Klage des Mandanten in Detmold begründet." Der Biobauer stellt sich vorsorglich auf einen Marathon ein: Sollte die Zivilklage in Detmold scheitern, will er in Berufung gehen.