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Klimawandel: So steigt die Meerestemperatur in Nord- und Ostsee

Stand: 04.11.2024 11:05 Uhr

Nord- und Ostsee werden seit den 1990er-Jahren immer wärmer. Vor allem die Ostsee ist stark betroffen - mit fatalen Folgen für Tiere und Pflanzen. NDR Data zeigt die aktuelle Entwicklung und erklärt die Ursachen.

von Michael Hörz

Nahezu jedes Jahr gibt es Rekordmeldungen zu den Meerestemperaturen vor Deutschlands Küsten. Was im ersten Moment eine angenehme Zeit am Meer verheißt, ist aber mit vielen weniger angenehmen Auswirkungen verbunden. Im Oktober war es in der Ostsee 12,4 Grad kühl. Wer da ins Wasser geht, muss stark darauf achten, nicht auszukühlen. Normalerweise ist es um diese Zeit 1,5 Grad kälter, wie Zahlen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie zeigen. Die Nordsee lag mit 13,1 Grad über dem langjährigen Mittel.

Die folgende Grafik zeigt, wie warm Nordsee und Ostsee im vergangenen Monat waren:

Auch wenn ein Monat mal unter dem Schnitt von 1991 bis 2020 liegt: Betrachtet man die Abweichung aller Monate seit 1990 (siehe folgende Grafik), so zeichnet sich eine klare Entwicklung ab. In den letzten Jahren gab es deutlich mehr Ausschläge nach oben. Das heißt, es gibt immer mehr Monate, in denen das Meerwasser wärmer ist als im langjährigen Mittel.

Auch ein Blick auf die absoluten Meerestemperaturen in den letzten Jahrzehnten zeigt: Die jährlichen Werte steigen. Vor allem in der Ostsee, die aufgrund der meist eisigen Temperaturen in Nordeuropa im Langzeitverlauf stets das kühlere Meer war, gibt es einen starken Trend zur Erwärmung. Sie nähert sich mit ihren jährlichen Durchschnittstemperaturen der Nordsee an.

Der Grund für die Erwärmung der Meere sei der Treibhauseffekt, sagt der Klimawissenschaftler Markus Meier vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde. Meere nähmen durch ihre große Oberfläche besonders viel Wärme aus der Luft auf. Die Ostsee erwärme sich noch einmal stärker, weil sie ein Binnenmeer ist. Das heißt, sie ist von viel Land umgeben und hat kaum Austausch mit anderen Meeren.

Im Winter friert die Ostsee im Norden sogar zu, doch in den letzten Jahren gib es immer weniger Eis. Das hat deutliche Folgen, denn die Eisdecke wirft den Großteil der Sonnenenergie zurück, das darunter liegende Wasser nimmt dann keine Wärme auf. Weniger Eis bedeutet also schnellere Erwärmung, die wiederum weniger Eis zur Folge hat - ein sich selbst verstärkender Kreislauf.

Meereserwärmung: Folgen für Tiere und Pflanzen

Eine Folge der Erwärmung: Warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen und mischt sich schlechter mit darunter liegenden Wasserschichten. Das hat verheerende Folgen für Pflanzen und Tiere im Meer, denn ohne genügend Sauerstoff können sie nicht mehr in größeren Tiefen leben. Besonders schwierig ist dies für Pflanzen und Bodentiere, weil sie nicht wie Fische rasch in andere Gewässertiefen ausweichen können.

Eine Satellitenaufnahme mit Algenblüte auf der Ostsee. © picture alliance / dpa | ESA
Algenblüte in der Ostsee.

Und die Erwärmung befördert weitere Probleme: Sie verstärkt das Wachstum von Mini-Algen. Durch große Mengen Dünger, der von den Feldern in die Meere gespült wird, gibt es von ihnen ohnehin zu viele. In der Ostsee ist dies besonders auffällig, wenn die winzigen Algen im Frühjahr blühen.

Dann dringt deutlich weniger Licht in tiefere Wasserschichten. Außerdem entziehen die Mini-Algen dem Wasser Nährstoffe und sinken nach einiger Zeit auf den Meeresboden, wo Bakterien die Reste dieser Algenbrühe zersetzen, was dem Meerwasser weiteren Sauerstoff entzieht. Zurück bleibt ein dicker Bodensatz, der anderen Meeresbewohnern dort das Leben schwer macht.

Todeszonen in der Tiefe können entstehen

Ein Foto des Gemeinen Blasentangs. © picture alliance / blickwinkel/R. Koenig Foto: R. Koenig
Dem Blasentang fehlt unter Wasser das Licht.

Größere, fest angewachsene Algen hingegen sind wichtig für das Meer, doch Arten wie der Blasentang leben wegen der Trübung durch die Mikroalgen nur noch in seichteren Gewässerzonen von zwei bis drei Metern Tiefe, während sie früher auch in bis zu 12 Metern Tiefe gediehen. "Wir beobachten in der südwestlichen Ostsee einen Rückgang um 90 Prozent gegenüber der Zeit vor 50 Jahren", sagt Meeresbiologe Martin Wahl vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR). Kleine Meerestiere und Fische brauchen aber solche großen Meerespflanzen als Rückzugsraum. Und solche Wasserpflanzen produzieren Sauerstoff, an dem es laut Wahl im Jahresverlauf immer häufiger mangelt. Somit können in der Tiefe regelrechte Todeszonen entstehen.

Ein Heringsschwarm im Meer. © Manfred Ruckszio / PantherMedia Foto: Manfred Ruckszio
Heringe tun sich in der Ostsee immer schwerer.

Für Fische in der Ostsee sind die Auswirkungen der gestiegenen Temperaturen teils drastisch. So führen höhere Wassertemperaturen im Winter dazu, dass etwa der Hering in manchen Regionen im Frühjahr zwei Wochen früher laicht und sich seine Eier schneller entwickeln. Insgesamt drei Wochen lang findet er zu wenig Nahrung, weswegen nur noch halb so viele Jungtiere überleben wie Mitte der 1990er-Jahre. "Wir können nachweisen, dass diese Entwicklung schon heute mindestens zur Hälfte auf den Klimawandel zurückzuführen ist", sagt Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei. Die Kombination aus Erwärmung und Überdüngung sorge dafür, dass sich etwa der Dorsch nicht mehr so weit erhole, dass er wieder gefischt werden könne. Die Entwicklungen in der Ostsee sind für Zimmermann ein Ausblick auf die Veränderung der Ozeane in den kommenden Jahrzehnten.

Was lässt sich gegen die Erwärmung tun?

Kurzfristig lässt sich die Erwärmung von Nord- und Ostsee nicht stoppen, weil es viele Jahre brauchen wird, bis sich eine Begrenzung der Treibhausgase auswirkt. “Doch eine Reduzierung ist der einzige Weg”, sagt Klimaforscher Markus Meier.

Speziell für die Ostsee gibt es aber einen recht guten Hebel, um die Folgen der Erwärmung abzumildern: Weniger Dünger im Meer sorgt für weniger blühende Algen. Andere Pflanzen und Tiere könnten sich schneller erholen und auch wieder in größeren Tiefen leben, wenn es dort mehr Sauerstoff und weniger zerfallende Kleinalgen gibt. "Wir müssen dringend anfangen, die Einleitung massiv zu reduzieren", sagt Zimmermann vom Thünen-Institut.

Weniger Nährstoffe im Wasser hätten auch Auswirkungen auf den Tourismus: Denn große Mengen angeschwemmter Algen machen Strände unwirtlich, bei zu vielen Blaualgen im Sommer wird oft ein Badeverbot verhängt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Hamburg Journal | 11.01.2024 | 19:30 Uhr

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