VIDEO: Grönlands Eisbärpatrouille - Die Arktis im Klimawandel (29 Min)

Klimawandel: Historischer Tiefstand beim Meereis in der Arktis

Stand: 26.04.2025 08:46 Uhr

Der Winter war sehr warm in weiten Teilen der Arktis. Deshalb hat sich weniger Meereis gebildet als sonst. Von NDR Data ausgewertete Satellitendaten zeigen: Nie war die Eisfläche um diese Zeit kleiner.

von Frauke Reyer, Lalon Sander

So lag die Temperatur nördlich von Grönland Richtung Nordpol für den Großteil des Winters etwa 10 Grad über dem langjährigen Mittel, berichtet Polarforscher Dirk Notz von der Uni Hamburg. Die Arktis hat also einen außergewöhnlich warmen Winter erlebt - wieder einmal.

Dadurch hat sich weniger Meereis bilden können als sonst im Winter. Zusätzlich haben Ende Januar warme, südliche Winde das Eis an einigen Stellen zusammengeschoben und die Eisbildung noch weiter verlangsamt. Noch nie seit Beginn der Messungen vor fast 50 Jahren war die Eisfläche am Ende eines Winters so klein wie derzeit.

Am Freitag, 25. April, betrug die Fläche des arktischen Meereises 12,5 Millionen Quadratkilometer. Das sind 3,0 Prozent weniger als im Durchschnitt des Zeitraums 1981 bis 2010.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Fläche des Meereises im Jahresverlauf. Unsere Zahlen liegen etwas niedriger als die häufig zitierten Werte der US-Klimabehörde NSIDC, weil wir die tatsächliche Fläche des Meereises zeigen und das offene Wasser um einzelne Eisschollen herum nicht dazu zählen. Der Höhepunkt mit dem meisten Meereis wird in der Regel bis Ende März erreicht. Die gestrichelte Linie, die anzeigt, wie groß die Eisfläche im Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 war, liegt damit auch in diesem Jahr wieder in unerreichbarer Höhe.

"Wir gehen jetzt mit einer relativ dünnen, verletzlichen Eisdecke in die Schmelzsaison, die bis September anhalten wird", sagt Klimaforscher Notz, der vor Kurzem eine Studie zur Erwärmung der Arktis veröffentlicht hat. "Wir gehen davon aus, dass in Zukunft in der Arktis eigentlich jeder Tag wärmer sein wird als frühere Hitzerekorde für den jeweiligen Tag."

Hauptgrund für die Eisschmelze rund um den Nordpol ist die globale Klimaerwärmung, sagt Dirk Notz. Denn die Arktis heizt sich besonders stark auf: Dort ist die Temperatur in den vergangenen Jahrzehnten vier Mal so stark gestiegen wie der weltweite Durchschnitt, sagt Notz mit Blick auf Messdaten. 

Eisfläche seit vorindustrieller Zeit halbiert

Schaut man jeweils am Ende des Sommers auf die arktische Eisfläche, so wird deutlich, wie stark das Meereis am Nordpol im Laufe der Jahre zurückgeht.

Knapp acht Millionen Quadratkilometer bedeckte das arktische Meereis am Ende des Sommers in den Jahren von 1850 bis 1900 – also vor der Industrialisierung und somit vor dem Klimawandel. Inzwischen erreicht das Jahresminimum bei der Eisfläche kaum noch vier Millionen Quadratkilometer und rutschte im Jahr 2012 sogar unter drei Millionen Quadratkilometer. Wenn die von Polareis bedeckte Fläche weniger als eine Million Quadratkilometer groß ist, sprechen Forschende von einer "praktisch eisfreien Arktis".

Meereis in der Arktis: Vergleich zwischen 1979 und 2025

Das Bild zeigt die Ausbreitung des Meereises in der Arktis am 9. Februar 1979. © EUMETSAT [1979] Das Bild zeigt die Ausbreitung des Meereises in der Arktis am 9. Februar 2025. © EUMETSAT [2025]

Weltklimabericht: Arktis könnte bald eisfrei sein

Schon Mitte des Jahrhunderts könnte die Arktis als eisfrei gelten, wenn zu wenig Klimaschutz betrieben wird – das zeigen Modellrechnungen im aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC (in der folgenden Grafik als rote Linie dargestellt). Aber auch die aktuelle Klimapolitik reicht demnach nicht aus, um das arktische Meereis zu retten (gelbe Linie). Nur mit konsequentem Klimaschutz ließe sich eine eisfreie Arktis in den kommenden Jahrzehnten noch verhindern (blaue Linie), so die Prognose des IPCC-Berichts.

Mittlerweile ist der Hamburger Klimaforscher Notz sogar noch pessimistischer und erwartet schon in den nächsten fünf bis 25 Jahren den ersten weitgehend eisfreien Sommer in der Arktis. Selbst wenn alle Staaten ihre Klimaschutzzusagen einhalten, ist laut Notz bis zum Jahr 2100 mit einer globalen Erwärmung von 2,7 Grad zu rechnen - und in der Arktis deutlich mehr.

Mehr Handelsschifffahrt und ansteigender Meeresspiegel

In einer aktuell im Fachmagazin "Science" veröffentlichten Studie zeigt Notz gemeinsam mit Forscherkollegen, dass die Arktis kaum noch wiederzuerkennen sein wird: Statt unberührter Wildnis wird es durch des Rückgang des Meereises eine rege Handelsschifffahrt von Asien in die USA geben, dazu auftauende Permafrostböden und Eisbären, die ihre Jungen nicht mehr durchbringen, weil das Packeis mit den Robben im März nicht mehr bis an die Küsten heranreicht.

Und allein der abschmelzende Eisschild in Grönland würde den Meeresspiegel bis 2010 um 20 Zentimeter steigen lassen. Insgesamt rechnet Polarforscher Notz bis zum Ende des Jahrhunderts sogar mit einem Anstieg des Meeresspiegels von bis zu einem Meter – mit den entsprechenden Konsequenzen auch für die norddeutsche Küste.

Verantwortung, die Lebensbedingungen zu erhalten

Schon die bisherigen Veränderungen in der Arktis zeigen laut Notz, "dass wir mit unserem Handeln in der Lage sind ganze Landschaften zum Verschwinden zu bringen".

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NDR Info | NDR Info | 19.02.2025 | 08:50 Uhr

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