Klimawandel: Nie gab es im Februar so wenig Eis in der Arktis
Ungewöhnlich hohe Temperaturen am Nordpol haben seit Ende Januar das arktische Meereis schmelzen lassen. Von NDR Data ausgewertete Satellitendaten zeigen: Nie war die Eisfläche um diese Zeit kleiner.
Hauptgrund für die Eisschmelze rund um den Nordpol ist die globale Klimaerwärmung, sagt Polarforscher Dirk Notz von der Uni Hamburg. Denn die Arktis heizt sich besonders stark auf: Dort ist die Temperatur in den vergangenen Jahrzehnten vier Mal so stark gestiegen wie der weltweite Durchschnitt, sagt Notz mit Blick auf Messdaten.
Südwind: Arktis vorübergehend deutlich zu warm
Zusätzlich zum immer weiter fortschreitenden Klimawandel gab es Anfang Februar eine ungewöhnliche Wetterlage mit südlichen Winden – das ließ die Temperaturen in der Arktis sogar auf Plusgrade ansteigen. Sie lagen damit um etwa 20 Grad Celsius höher als im langjährigen Durchschnitt. "Solche Ereignisse werden wir in Zukunft häufiger haben", sagt Notz, der für den aktuellen Weltklimabericht das Kapitel zum Meeresspiegel-Anstieg mitverfasst hat.
Am Donnerstag, 20. Februar, betrug die Fläche des arktischen Meereises 12,6 Millionen Quadratkilometer. Das sind 10,1 Prozent weniger als im Durchschnitt des Zeitraums 1981 bis 2010.
Aktuell wieder Minusgrade: Das arktische Eis könnte noch wachsen
Mittlerweile herrscht wieder Winter in der Arktis mit Temperaturen von minus 30 Grad Celsius. Deshalb vermutet der Klimaforscher, dass die Polareis-Fläche seit Ende Januar nur vorübergehend geschrumpft ist und bis Mitte März doch noch etwas wachsen könnte.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Fläche des Eises im Jahresverlauf. Inzwischen wächst das Meereis wieder. Die dunkelblaue Linie der aktuellen Eisfläche hat sich nicht weiter nach unten fortgesetzt, sondern steigt wieder. "Aber im März werden wir wahrscheinlich sehr, sehr weit unter dem langjährigen Mittelwert liegen", schätzt Notz. Die gestrichelte Linie, die anzeigt, wie groß die Eisfläche im Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 war, liegt damit auch in diesem Jahr wieder in unerreichbarer Höhe.
Eisfläche seit vorindustrieller Zeit halbiert
Schaut man jeweils am Ende des Sommers auf die arktische Eisfläche, so wird deutlich, wie stark das Meereis am Nordpol im Laufe der Jahre zurückgeht.
Knapp acht Millionen Quadratkilometer bedeckte das arktische Meereis am Ende des Sommers in den Jahren von 1850 bis 1900 – also vor der Industrialisierung und somit vor dem Klimawandel. Inzwischen erreicht das Jahresminimum bei der Eisfläche kaum noch vier Millionen Quadratkilometer und rutschte im Jahr 2012 sogar unter drei Millionen Quadratkilometer. Wenn die von Polareis bedeckte Fläche weniger als eine Million Quadratkilometer groß ist, sprechen Forschende von einer "praktisch eisfreien Arktis".
Meereis in der Arktis: Vergleich zwischen 1979 und 2025


Weltklimabericht: Arktis könnte bald eisfrei sein
Schon Mitte des Jahrhunderts könnte die Arktis als eisfrei gelten, wenn zu wenig Klimaschutz betrieben wird – das zeigen Modellrechnungen im aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC (in der folgenden Grafik als rote Linie dargestellt). Aber auch die aktuelle Klimapolitik reicht demnach nicht aus, um das arktische Meereis zu retten (gelbe Linie). Nur mit konsequentem Klimaschutz ließe sich eine eisfreie Arktis in den kommenden Jahrzehnten noch verhindern (blaue Linie), so die Prognose des IPCC-Berichts.
Mittlerweile ist der Hamburger Klimaforscher Notz sogar noch pessimistischer und erwartet schon in den nächsten 5 bis 25 Jahren den ersten weitgehend eisfreien Sommer in der Arktis. Selbst wenn alle Staaten ihre Klimaschutzzusagen einhalten, ist laut Notz bis zum Jahr 2100 mit einer globalen Erwärmung von 2,7 Grad zu rechnen - und in der Arktis deutlich mehr.
Mehr Handelsschifffahrt und ansteigender Meeresspiegel
In einer aktuell im Fachmagazin "Science" veröffentlichten Studie zeigt Notz gemeinsam mit Forscherkollegen, dass die Arktis kaum noch wiederzuerkennen sein wird: Statt unberührter Wildnis wird es durch des Rückgang des Meereises eine rege Handelsschifffahrt von Asien in die USA geben, dazu auftauende Permafrostböden und Eisbären, die ihre Jungen nicht mehr durchbringen, weil das Packeis mit den Robben im März nicht mehr bis an die Küsten heranreicht.
Und allein der abschmelzende Eisschild in Grönland würde den Meeresspiegel bis 2010 um 20 Zentimeter steigen lassen. Insgesamt rechnet Polarforscher Notz bis zum Ende des Jahrhunderts sogar mit einem Anstieg des Meeresspiegels von bis zu einem Meter – mit den entsprechenden Konsequenzen auch für die norddeutsche Küste.
Verantwortung, die Lebensbedingungen zu erhalten
Schon die bisherigen Veränderungen in der Arktis zeigen laut Notz, "dass wir mit unserem Handeln in der Lage sind ganze Landschaften zum Verschwinden zu bringen".
Schlagwörter zu diesem Artikel
Klimaschutz
