Umweltschützer wollen Gasterminal auf Rügen noch stoppen
Geht es nach dem Willen der Investoren und der Bundesregierung, wird noch in diesem Winter das erste Erdgas über den Hafen Mukran in das deutsche Leitungsnetz gepumpt. Das aber wollen Umweltverbände verhindern.
Vier der größten deutschen Umweltschutzverbände haben am Dienstag in Schwerin ihre Forderung nach einem Verzicht auf das in Mukran auf Rügen entstehende Terminal für Flüssigerdgas untermauert. Die ökologischen Folgen des eilig vorangetriebenen Projektes würden immer gravierender, betonten Vertreter von BUND, NABU, WWF und Umwelthilfe auf einer Pressekonferenz. Das Terminal, an dem künftig zwei Spezialschiffe verflüssigtes Erdgas wieder umwandeln und ins Netz einspeisen sollen, sei für die Energieversorgung Deutschlands in diesem Winter nicht notwendig.
Scharfe Kritik an Genehmigungsverfahren
Die Verbände beklagten außerdem ein intransparentes und fehlerhaftes Genehmigungsverfahren. Durch die Zerstückelung des Projekts in zehn einzelne Genehmigungsverfahren seien wesentliche Umweltvorgaben ausgehebelt werden. Als jüngstes Beispiel wurde die Genehmigung von Baggerarbeiten für die Anbindungspipeline während der Laichzeit des Herings genannt. Die Arbeiten laufen mitten in einem der wichtigsten Laichgebiete der Heringe, dem Greifswalder Bodden.
Tiere und Pflanzen leiden massiv
Unter Schutz gestellte Tier- und Pflanzenarten würden konstant unter den Eingriffen leiden. Für jede einzelne Baumaßnahme wurden Ausnahmen von Naturschutzvorgaben genehmigt, ohne eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die bei diesen Eingriffen Standard wäre, so die Kritik der Verbände. Neben dem Hering würden Aale und Störe durch nach wie vor andauernde Arbeiten bei ihrer Wanderung durch die Schutzgebiete gestört. Wintervögel kämen in ihren Rastgebieten nicht zur Ruhe und die Seegraswiesen seien durch die Aufwirbelung von Sediment und Nährstoffen bedroht.
Bundeswirtschaftsministerium: Terminal im Ernstfall notwendig
Bezüglich der Notwendigkeit des Terminals hat das Bundeswirtschaftsministerium auf NDR Anfrage darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung bei der Berechnung des Gasbedarfs in Deutschland einen Risikoaufschlag vornehme. So solle garantiert werden, dass auch bei höheren Verbrauchsspitzen immer genug Gas zur Verfügung steht. Mit einer vollen Auslastung aller fünf avisierten LNG-Terminals werde knapp die Hälfte der Lieferungen erreicht, die zuvor durch eine Pipeline aus Russland gekommen seien. Daher seien die Terminals von großer Bedeutung für die Versorgungssicherheit.
Spielraum bei UVP durch LNG-Beschleunigungsgesetz
Zum Vorwurf der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfungen verweist das Ministerium auf das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG). Das LNGG erlaube den zuständigen Genehmigungsbehörden, "unter bestimmten, engen Bedingungen im Einzelfall begründet von einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) abzusehen". Darüber würden aber die Landes- und nicht die Bundesbehörden entscheiden.
Forderung nach endgültigem Stopp des Projektes
Mit einer Klage hatte die Deutsche Umwelthilfe zu Jahresbeginn eine Unterbrechung dieser Arbeiten erwirkt. Die Verbände forderten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und den für das Genehmigungsverfahren zuständigen Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) auf, das Vorhaben auf Rügen endgültig zu stoppen. Zudem müsse das LNG-Beschleunigungsgesetz, das 2022 als Reaktion auf die Gasmangellage erlassen wurde und beschleunigte Verfahren ermöglicht, außer Kraft gesetzt werden. Die Erdgasversorgungslage habe sich beruhigt. Nach Ansicht der Umweltschutzverbände reichen bestehende Lieferwege über Gaspipelines und bereits existierende Terminals an der Nordsee aus, um den Gasbedarf in Deutschland zu decken.