Überfall auf Geldtransporter: Polizei fahndet weiter nach Tätern
Nach dem spektakulären Überfall auf einen Geldtransport in Vorpommern sind die Millionenräuber immer noch auf der Flucht. Es gehen aber Hinweise bei der Polizei ein. Experten sprechen von einer "hoch professionellen Tatdurchführung". Die Täter fingierten offenbar Tage vorher eine Baustelle.
Bei der Suche nach den Tätern des spektakulären Überfalles auf einen Geldtransporter mit einer Millionenbeute an der A20 bei Gützkow sind die Täter weiter auf der Flucht. Wie eine Polizeisprecherin am Sonnabend in Neubrandenburg sagte, gehen derzeit aber weitere Hinweise ein. Zu einer Festnahme sei es bislang noch nicht gekommen. "Wir nehmen die Hinweise auf und geben sie an die Kriminalpolizei weiter, die das in ihre Ermittlungen einbezieht", so die Sprecherin weiter. Die Fahndung nach den bewaffneten Männern war bereits auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt worden.
Vorgehen spricht für organisierte Kriminalität
Nach Einschätzung der Polizei sprechen die lange Vorbereitung der Tat und auch das Vorgehen selbst für organisierte Kriminalität. Die Polizei hoffte zuletzt verstärkt auf Zeugenaussagen. Dabei könnte den Ermittlern in die Hände spielen, dass die Täter offenbar Tage vor dem Raub am Tatort - einer Autobahnauffahrt zur A20 bei Gützkow - eine fingierte Baustelle mit Schildern und Betonklötzen einrichteten. Diese diente dazu, den Geldtransporter zu stoppen und eine Flucht des Wagens zu verhindern.
Straßenmeisterei räumte Betonklötze weg
Pikant: Laut Polizei hatte die Straßenmeisterei die bereits Tage zuvor aufgestellten Betonklötze zwischenzeitlich wieder entfernt. Die Täter müssen die fingierte Baustelle demnach vor der Tat wieder aufgebaut haben. Die Schilder für die inszenierte Baustelle hatten sie offenbar bereits Tage vor dem Überfall an den Tatort gebracht.
Ein Sprecher der Niederlassung Nordost der Autobahn GmbH des Bundes sagte, bei einer Streckenbefahrung am Montag seien die Schilder von Mitarbeitern an der Ausfahrt Gützkow auf dem Seitenstreifen entdeckt worden, wo sie an die Schutzplanke gelehnt standen. Nachdem Nachfragen intern und bei Baufirmen negativ verliefen, sei beschlossen worden, die Schilder bei der nächsten regelmäßigen Müll-Einsammelaktion am Donnerstagvormittag wegzuräumen. Der Überfall auf den Geldtransporter ereignete sich dann am Donnerstagmorgen.
Auch Dashcam- und Wildkamera-Aufnahmen vielleicht hilfreich
Die Kriminalpolizei bittet mögliche Zeugen um Mithilfe. Sie fragt: Wer hat seit dem 24. Februar am Tatort jemanden gesehen, der dort Schilder oder Betonklötze aufgestellt hat? Angaben zu auffälligen oder geparkten Autos oder sonstige sachdienliche Hinweise zur falschen Baustelle seien ebenfalls von Interesse.
Für die weiteren Ermittlungen könnten auch Aufnahmen von Kameras wie etwa in Autos installierten Dashcams von Vorbeifahrenden relevant sein. Ebenso könnten Aufnahmen von Wildkameras, die im Bereich des Waldstücks bei Müssentin nahe Jarmen in den vergangenen Tagen in Betrieb waren, Anhaltspunkte liefern. In dem Waldstück war am Donnerstag nach dem Überfall das Fluchtfahrzeug der Täter ausgebrannt gefunden worden.
Mehrere Millionen Euro erbeutet
Zwei maskierte Männer hatten zuvor - nach neuesten Informationen unter Abgabe von Schüssen - den Geldtransporter in einer Auffahrt der A20 überfallen und ausgeraubt. Dabei erbeuteten die Räuber laut Polizei mehrere Millionen Euro. Auch wenn genaue Angaben noch fehlen, dürfte es die größte Summe sein, die bei einem Raubüberfall in Mecklenburg-Vorpommern in die Hände von Kriminellen fiel.
Fluchtfahrzeuge ausgetauscht
Nach Angaben der Polizei war die Tat detailliert geplant worden. Nach dem spektakulären Überfall flüchteten die Täter in einem Transporter der Marke Mercedes. Dieses Fluchtfahrzeug wurde Stunden später in dem wenige Kilometer entfernten Waldstück bei Müssentin aufgefunden. In der Nähe des Wracks fanden Polizeibeamte auch geleerte und ausgebrannte Geldkassetten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe dort ein weiteres Fluchtfahrzeug bereit gestanden, so die Polizeisprecherin Claudia Tupeit. Die Polizei geht von drei bis vier Tätern aus. Der Geldtransporter war offenbar auf dem Weg zur Filiale der Deutschen Bundesbank in Neubrandenburg.
Was wussten die Täter?
Nach dem Fund im Wald bei Müssentin sei nicht mehr klar gewesen, mit welchem Fahrzeug die Räuber nun unterwegs sind, so die Polizei. Die Polizei hat eigenen Angaben nach ihre zunächst groß angelegte Fahndung mit Kontrollen in allen potenziellen Fluchtrichtungen der Täter wieder heruntergefahren. Es werde aber weiter stichprobenartig kontrolliert. Geprüft werde nun unter anderem, woher die Räuber wussten, dass in dem Fahrzeug so viel Geld transportiert wurde und welche Route es fährt.
Experte: "Hoch professionelle Tatdurchführung"
Uwe Wendorf von der Bundesvereinigung der deutschen Geld- und Wertdienstleister sprach bei NDR MV Live von einer "hoch professionellen Tatdurchführung". Der Überfall sei anscheinend lange vorbereitet worden. Gegen so etwas sei die Branche nicht gefeit - trotz aller Sicherheitsvorkehrungen. "Das ist schon eine neue Qualität." Die entscheidende Frage sei, "ob es Insiderwissen gewesen ist, das zu dieser Tat geführt hat, oder ob es wirklich eine akribische Beobachtung der Handlungsabläufe des Unternehmens gewesen ist."
Aufklärungsquote geht "in Richtung 100 Prozent"
Experten erklärten dem NDR, das erfahrungsgemäß in 90 Prozent solcher Überfälle die Mitarbeiter der betreffenden Unternehmen beteiligt sind - sei es, dass sie leichtfertig Wissen geteilt haben, dass sie unter Druck gesetzt wurden oder dass sie unmittelbar an dem Überfall mitgewirkt haben. Diese Angabe wollte Wendorf nicht bestätigen.
"Die Gefahr besteht natürlich." Aber die Mitarbeiter würden akribisch ausgewählt, es gebe Sicherheitsüberprüfungen und ihr finanzieller Hintergrund werde beleuchtet. Laut Wendorf bewegt sich die Aufklärungsquote bei solchen Delikten in Richtung 100 Prozent. "Das wissen natürlich alle. Trotzdem wird es immer wieder probiert, weil es so lukrativ ist." Für den Schaden würden in der Regel Versicherer aufkommen.