Dickes MV: Was Übergewicht und Adipositas mit dem Wohnort zu tun haben

Stand: 10.04.2025 16:23 Uhr

Mecklenburg-Vorpommern hat ein "dickes" Problem. Laut einer Statistik des Robert-Koch-Instituts ist fast jeder Zweite hierzulande übergewichtig. Große Distanzen, geringes Einkommen und zu wenig Bildung sind die Ursachen dafür.

von Theresa Hebert

Fast jeder Zweite in Mecklenburg-Vorpommern ist zu dick, ungefähr jeder Fünfte hat sogar Adipositas und ist damit krankhaft fettleibig. Besonders betroffen: Kinder und Jugendliche. Laut Professor Ralf Schiel von der Medigreif Inselklinik in Heringsdorf hat MV die meisten übergewichtigen Kinder und Jugendlichen in ganz Deutschland. Auch Männer sind hierzulande stark betroffen. Im Alter zwischen 45 und 65 Jahren sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts, kurz RKI, knapp 65 Prozent von ihnen übergewichtig. Schiel meint, dafür würden verschiedene Faktoren eine Rolle spielen - unter anderem der Wohnort.

Anteil der Übergewichtigen in östlichen Landesteilen höher

Eine Karte der AOK Nordost zeigt die Verteilung von Adipositas in Mecklenburg-Vorpommern © NDR Foto: NDR
Die Karte der AOK Nordost zeigt die Verteilung von Adipositas in MV.

Der Facharzt sagt, dass Mecklenburg-Vorpommern ein Flächenland mit wenigen Zentren sei, die sich mit Adipositas und Übergewicht beschäftigen. "Um zu spezialisierten Zentren zu kommen, müssen Familien teilweise Anreisewege von bis zu 120 Kilometern zurücklegen", sagt Schiel im Interview mit NDR MV. Auch die schlechten Anbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln seien dabei ein Problem. Das zeigt auch eine Studie der AOK Nordost. Sie ist mit mehr als 1,6 Millionen Mitgliedern eine der größten Krankenkasse im Norden. Laut ihres aktuellen Gesundheitsatlas ist vor allem die Mecklenburgische Seenplatte von Adipositas betroffen. Mehrere Ortsteile haben einen Anteil zwischen 22 und 31 Prozent. Deutlich besser sieht es beispielsweise im Landkreis Ludwigslust-Parchim aus. Dort liegt der Anteil häufiger unter 15 Prozent, teilweise sogar unter zehn Prozent.

Soziales Umfeld ist ebenfalls wichtiger Faktor

Der Aspekt Flächenland kann laut Schiel aber auch anders gewertet werden. In Mecklenburg-Vorpommern leben die Menschen weniger in größeren Städten, wo es wie beispielsweise in Greifswald und Rostock Universitäten oder andere Bildungsstätten gibt. Dementsprechend sei das Bildungsniveau ein anderes, so der Facharzt. Und das sei eines der Probleme. "Bei Familien mit geringerem Einkommen und geringerem Bildungsstand ist die Problematik mit Adipositas und Übergewicht stärker ausgeprägt als in anderen Familien", erklärt er.

Unterschiede auch innerhalb von Städten

Ein ähnliches Bild lässt sich aber auch innerhalb Schwerins feststellen. Auf der Karte der AOK Nordost ist deutlich zu sehen, dass rund um die Innenstadt, die als wohlhabendes Wohngebiet gilt, weniger Menschen Adipositas haben. Während der Schweriner Süden mit sozial schwächeren Stadtteilen wie Großer Dreesch einen höheren Anteil aufweist. Darüber gibt es nach Meinung von Professor Schiel immer noch die veraltete Annahme, dass der Teller prall gefüllt gehört. Ganz nach dem Motto: "Das Kind muss doch groß und stark werden".

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BMI ausschlaggebend für Berechnungen von Übergewicht und Adipositas

Um Übergewicht und Fettleibigkeit zu ermitteln, ist immer noch ein weit verbreiteter Indikator der Body-Mass-Index (BMI). Er wurde im 19. Jahrhundert entwickelt. Allerdings wächst die Kritik daran. In einer kürzlich veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift "The Lancet Diabetes & Endocrinology" heißt es, dass der BMI nicht mehr der Richtwert für den Gesundheitszustand sein sollte. Die American Medical Association hatte bereits im Jahr 2023 ähnliche Bedenken hinsichtlich des BMI geäußert. Gesundheit sei demnach viel komplexer und individueller als der BMI zeigen kann. Außerdem mache der BMI keine Unterschiede zwischen Fett und Muskeln.

Mit BMI Übergewicht und Adipositas berechnen

Ab wann eine Person als übergewichtig oder adipös gilt, zeigt der so genannte Body-Mass-Index (BMI). Er setzt das Gewicht und die Körpergröße ins Verhältnis zueinander. Aus dem errechneten Wert lässt sich ableiten, ob bei einer Person Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht (Präadipositas) oder starkes Übergewicht (Adipositas-Grade 1 bis 3) vorliegt. Gemäß der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht ein BMI-Wert von 25 bis 29,9 für Übergewicht (Präadipositas).
Adipositas Grad 1, Grad 2 und Grad 3 berechnen sich wie folgt:

  • Adipositas Grad 1: BMI zwischen 30 und 34,9
  • Adipositas Grad 2: BMI zwischen 35 und 39,9
  • Adipositas Grad 3: BMI ab 40

BMI-Berechung:
BMI = Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch Körpergröße (in Metern) zum Quadrat

Zur Einordnung von Übergewicht, Adipositas und den damit verbundenen potenziellen Gesundheitsrisiken berücksichtigen Ärztinnen und Ärzte daher zusätzlich zum BMI folgende wichtige Faktoren:
  • Fettanteil an der Körpermasse
  • Fettverteilung im Körper
  • Blutwerte (unter anderem Cholesterinwerte)
  • Eventuell vorliegende Erkrankungen wie Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes 

Body-Roundness-Index könnte Richtwert der Zukunft sein

Eine andere, verlässlichere Methode könnte laut American Medical Association eine Messung mit dem Taillenumfang sein. Und der ist ein wichtiger Wert beim sogenannten Body-Roundness-Index (BRI) sein. Er ermittelt anhand der Körperform die gesundheitlichen Risiken im Zusammenhang mit Fettleibigkeit. Berechnet wird er mit der Körpergröße, Geschlecht, Gewicht, Taillenumfang und Alter. Das Ergebnis zeigt dann die "Rundheit" des Menschen an.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 10.04.2025 | 06:00 Uhr

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