Streit um Container für Geflüchtete in Murchin
Die Aufnahmezahlen von schutzsuchenden Menschen sind in Mecklenburg-Vorpommern so hoch wie noch nie. Ihre Unterbringung müssen die Landkreise prüfen und aushandeln - auch mit privaten Anbietern. Dass es viele Gründe gegen solche Unterkünfte geben kann, zeigt ein Fall aus der Nähe von Anklam.
Seit eineinhalb Jahren stehen die drei Wohncontainer von Uwe Kuhnle leer. Auf seinem Grundstück bei Anklam hat er sie aufgestellt, damit darin und auch in den Gebäuden drumherum bis zu 350 Geflüchtete einziehen können. Wenn es nach ihm geht, ist alles Nötige da, um die Menschen gut und sicher unterzubringen: "Wir haben hier eine Unmenge an Hallen, in denen die Leute Fußball und Volleyball spielen können. Wir müssten noch die Räume einrichten, Strom und Heizung anschließen, aber das würden wir in sechs bis acht Wochen hinbekommen. Es liegt nicht an uns."
Landkreis zeigt zunächst Interesse
Das Gelände von Uwe Kuhnle liegt außerhalb der Gemeinde Murchin. Dort verdient er mit Solaranlagen und Recycling sein Geld. Er arbeitet auch mit Firmen im Ausland zusammen, zum Beispiel in der Ukraine. Kurz nach Ausbruch des Krieges bietet er dem Landkreis Vorpommern-Greifswald an, die Container auf seinem Gelände aufzustellen. Das Angebot geht durch verschiedene Abteilungen. Mehrere Mitarbeiter des Kreises besuchen Uwe Kuhnle und zeigen Interesse. Er bekommt einen Mustervertrag und die Mitteilung, dass er für die Container keine Baugenehmigung braucht. Uwe Kuhnle stellt deshalb im Juni 2022 die Container auf, kauft Betten und eine neue Kläranlage - investiert rund zwei Millionen Euro.
Kuhnle bekommt keine offizielle Absage
Warum hier eineinhalb Jahre später noch niemand wohnen kann, weiß Uwe Kuhnle nicht: "Die Kommunikation ist irgendwann eingeschlafen. Man hat uns inoffiziell mal gesagt, dass wir zu weit weg sind, der nächste Supermarkt ist vier Kilometer entfernt in Anklam. Man sagte auch, dass es keine Bushaltestelle gibt. Doch das stimmt nicht, wir haben hier sogar unsere eigene Bushaltestelle." Uwe Kuhnle habe im Juni dieses Jahres zuletzt telefonisch mit dem Landkreis gesprochen. Dabei sei ihm gesagt worden, dass kein Bedarf für seine Container bestehe. Uwe Kuhnle kann das nicht nachvollziehen: "In ganz Deutschland ist Bedarf an Flüchtlingsunterkünften da. Für uns stand nicht im Vordergrund, dass wir Geld mit den Containern verdienen, sonst hätten wir sie schon längst irgendwo anders untergebracht. Aber wir wollten hier vor Ort helfen."
Landkreis beklagt zu hohe Flüchtlingszahlen
Tatsächlich zeichnet auch der Landkreis Vorpommern-Greifswald öffentlich ein anderes Bild: Der "Ostsee-Zeitung" beschrieb Landrat Michael Sack (CDU) noch am 25. November wie schwer es sei, Geflüchtete unterzubringen. Plätze für Neuankömmlinge seien rar, es seien "einfach zu viele". Im NDR Interview wiederholt er das: "Wir sind alle mit der Situation gnadenlos am Ende. Wir haben über 1.000 Wohnungen im Landkreis mit Geflüchteten gefüllt, der Markt ist quasi leer." Bedarf an Wohnraum gebe es also, doch Murchin komme trotzdem nicht als Standort in Frage. Dort gebe es keine genehmigungsfähige Kläranlage, sagt Michael Sack: "Für die Wohnung und die Anschlüsse ist natürlich auch immer der Eigentümer zuständig, nicht der Landkreis. […] Ich bedauere das außerordentlich, das wir das nicht nutzen können, aber da braucht es erstmal die Investitionen, die er vor Ort tun muss."
Unternehmer Kuhnle: Kläranlage ist vorgeschobener Grund
Die Untere Wasserbehörde, also der Landkreis selbst, muss die Kläranlage genehmigen. Uwe Kuhnle habe alle Gutachten und Anträge dafür schon im August 2022 eingereicht und bis heute keine Rückmeldung erhalten. Sein Eindruck ist deshalb ein anderer: "Jetzt wird das als Grund vorgeschoben, warum hier keine Flüchtlinge untergebracht werden, das ist für mich komplett lächerlich und nicht nachvollziehbar." Auf eine erneute Nachfrage, warum die Kläranlage nicht genehmigt wird, erklärt der Landkreis: Es gebe sogar die komfortable Möglichkeit, das Abwasser der möglichen Flüchtlingsunterkunft von Murchin direkt nach Anklam zu leiten, aber: "Da es kein Verfahren zur Errichtung der Flüchtlingsunterkunft gab und gibt, wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Bearbeitung des Antrages zur Errichtung einer Kläranlage der Größenklasse 1 vorerst ruht." Das heißt: Da keine Geflüchteten nach Murchin kommen, gibt es auch keinen Bedarf für die Kläranlage.
Anders als noch vor einem Monat heißt es vom Landkreis außerdem, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Unterbringung in Wohncontainern nicht erforderlich sei. Dem Landkreis stünden noch dezentraler Wohnraum und Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung. Ob nun Bürokratie oder fehlender Bedarf - die Container von Uwe Kuhnle bleiben vorerst leer.