Rügener LNG-Gegner: "Offene Ohren im Petitionsausschuss"
Gegner eines LNG-Terminals auf Rügen oder vor der Küste der Insel haben im Petitionsausschuss des Bundestags ihre Argumente vorgetragen. Sie hatten rund 95.000 Unterschriften gesammelt.
Über ein LNG-Terminal auf oder vor der Küste Rügens sollte nicht in einem so genannten beschleunigten Verfahren entschieden werden. Das haben die Initiatoren einer entsprechenden Petition am Montag den Abgeordneten im Petitionsausschuss des Bundestags nahegelegt. "Führen Sie in dieser Region, in dieser Dimension, kein Projekt im beschleunigten Verfahren durch", sagte der Binzer Gemeindevertreter Marvin Müller (SPD) nach eigenen Angaben zu den Bundespolitikern. Sie sollten sich fragen, wie man die "Deutschlandgeschwindigkeit" organisieren könne, die die Menschen nicht abhängt, sondern mitnimmt. Die LNG-Gegner befürchten nicht nur irreparable Schäden für die Natur, rückgängigen Tourismus und den Aufbau unnötiger Überkapazitäten für die Anlandung von Flüssigerdgas, sondern auch, dass sich noch mehr Menschen von der Demokratie abwenden, "wenn wir den Wesenskern dieser Demokratie, die Mitbestimmung, die Akzeptanz und Transparenz, aushöhlen", so Müller.
Die Petition richtet sich konkret gegen die Aufnahme Rügens als Standort in das LNG-Beschleunigungsgesetz. Damit würde ein dort geplantes Terminal als priorisiertes Vorhaben eingestuft und der Weg für ein schnelleres Genehmigungsverfahren geebnet. Müller hatte die Petition gestartet und gemeinsam mit dem Bündnis "Rügen gegen LNG" in vier Wochen fast 95.000 Unterschriften gesammelt - gut 61.000 unterschrieben die Petition, gut 33.000 unterzeichneten online.
"Den Spirit Rügens" nach Berlin gebracht
Er sei "zuversichtlich, dass unsere Argumente und Sorgen durchgedrungen sind", sagte Marvin Müller nach der Ausschusssitzung. Ihm sei klar, dass das Bundeswirtschaftsministerium einen Plan zum Bau des LNG-Terminals habe. Ziel der Petition sei es jedoch gewesen, ans Parlament heranzutreten, "das hat funktioniert". Kai Gardeja, Tourismusdirektor der Binzer Bucht, sprach von einem "guten Termin". "Wir haben viel Glaubwürdigkeit und Heimat mitgebracht und den besonderen Spirit Rügens", die Petitenten seien auf viele offene Ohren gestoßen und hätten gute Diskussionen geführt. Der Bürgermeister von Binz, Karsten Schneider, hatte hingegen das Gefühl, dass zumindest in Berlin alles vorentschieden ist. Deshalb appellierte er an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), ein LNG-Terminal auf Rügen zu verhindern. Die Mehrheit der Menschen wolle es nicht, so Schneider.
"Es war eher eine Nicht-Kommunikation"
Die Argumente zum Umweltschutz und zum Tourismus-Erhalt seien durch die bundesweit wahrgenommenen Proteste hinlänglich bekannt, hieß es von den Initiatoren im Vorfeld. Ihnen ging es insbesondere darum, die Stimmung und Eindrücke aus der Region wiederzugeben und auf die mangelhafte Kommunikation der Bundesregierung mit den Menschen vor Ort hinzuweisen. "Es war eher eine Nicht-Kommunikation", sagte Müller dem NDR in MV: "Man wurde mit den Plänen konfrontiert. Es wurde gesagt, wir werden das Mitte Mai bauen und dann war ganz, ganz lange nichts." Viele Anfragen auch an Ministerien seien nicht beantwortet worden. Der Unwillen zur Information und Diskussion mit den Menschen vor Ort, schüre Ängste und Unwissenheit. "Auch das hat am Ende mit zu der großen Protestwelle geführt", so Müller.
"Es geht um Versorgungssicherheit für den Osten Deutschlands"
Bis zum 20. April habe man nichts weiter gehört und wurde im Dunkeln gelassen. Bei dem Termin Ende April in Binz auf Rügen hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einer Gesprächsrunde mit rund 50 Vertretern aus Politik, Tourismus und Wirtschaft das Projekt verteidigt. Scholz bekräftigte die Notwendigkeit eines LNG-Terminals: "Es geht um Versorgungssicherheit für den Osten Deutschlands." Als bevorzugten Standort hatte die Regierung Mukran favorisiert, als Starttermin für den Bau Mitte Mai genannt.
Ziel: Parlamentarische Mehrheit verhindern
Ziel der Petition sei es, die Parlamentarier von den Argumenten gegen das Projekt zu überzeugen. "In einer zweiten Instanz ist unser Ziel, dass wir am Ende keine parlamentarische Mehrheit für die Aufnahme des Projekts in das LNG-Beschleunigungsgesetz bekommen", sagt Müller. Ob der Ausschuss die Petition für begründet hält, wird er erst in einer späteren Sitzung entscheiden. Sollte das der Fall sein, wird sie an den Bundestag weitergeleitet. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, die Forderung der Petition umzusetzen.
Binzer Bürgermeister will notfalls vor Gericht ziehen
"Die Anhörung im Deutschen Bundestag hat eine große Signalwirkung, falls das Parlament sich mit der Aufnahme von Rügen in das LNG-Beschleunigungsgesetz befassen sollte", sagte Mitpetent Kai Gardeja. Der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider kündigte gegebenenfalls weitere Schritte an: "Sollte die Politik beim LNG-Beschleunigungsgesetz weiter Fakten schaffen und den Standort Rügen beschließen, werden wir gerichtlich per einstweiliger Anordnung dagegen vorgehen." Ende März hatte sich der Haushaltsausschuss des Bundestages skeptisch hinsichtlich der Rügener LNG-Pläne gezeigt. Er hatte zwar Mittel für Planungen freigegeben, weitere Mittel für den Bau hingegen nicht. Stattdessen hatten die Parlamentarier weitere Prüfungen eingefordert.
Aktivisten "besetzen" Pipeline-Rohre
Aus Protest gegen LNG-Terminals sind Aktivisten am Montag auf Rügen auf Pipeline-Rohre geklettert, die für den Bau solcher Anlagen gedacht sind. Rund ein Dutzend Menschen stiegen in Mukran auf am Land gestapelte Rohre, die dort noch vom Bau der deutsch-russischen Ostseegaspipeline Nord Stream 2 lagern und entrollten Banner. Die Bundesregierung hatte die Rohre für den Bau eines geplanten LNG-Terminals aufgekauft. Man habe die Pipelines blockiert, sagte eine Aktivistin in einem Video. Sauberes Gas sei "eine dreckige Lüge".
Seit Monaten Proteste
Die LNG-Pläne sorgen seit Monaten für Kritik. Gegner fürchten um die Umwelt und den für Rügen besonders wichtigen Tourismus. Sie sprechen zudem von nicht benötigten Überkapazitäten und negativen Folgen für das Klima durch den weiteren Aufbau von Infrastruktur für fossile Energieträger. Deutschland treibt den Ausbau von Infrastruktur zum Import von verflüssigtem Gas per Schiff seit vergangenem Jahr energisch voran, und will damit ausbleibende russische Energielieferungen aus Pipelines ausgleichen.
FDP vermisst klaren Kurs der Landesregierung
Die FDP Mecklenburg-Vorpommerns warf der Landesregierung unterdessen vor, dass die Debatte um das LNG-Terminal ohne sie stattfinden würde. "Dabei müsste Schwesig jetzt für unser Land und die Region kämpfen", sagte der FDP-Landtagsabgeordnete David Wulff. Es wäre die Aufgabe der Landesregierung gewesen, "einen klaren Kurs zu fahren, um die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner zu schützen und - sofern das Terminal entsteht - echte Vorteile für sie zu erstreiten". Wenn Rügen mit dem LNG-Terminal "einen enormen Nutzen für ganz Deutschland und halb Europa schafft, dann müssen die Menschen vor Ort auch davon profitieren".