Schwerin: Countdown für den UNESCO-Welterbetitel läuft
Das Schweriner Residenzensemble - das sind das Schloss und über 30 weitere historische Gebäude - könnte Welterbe werden. Ob die Landeshauptstadt sich mit dem Label krönen darf, entscheidet die UNESCO mittags im indischen Neu-Delhi.
Wenn das Schweriner Residenzensemble in die Welterbeliste eingeschrieben wird, reiht es sich ein zwischen dem Schloss und dem Park im französischen Versailles sowie den Preußen-Schlössern in Berlin und Potsdam. Es stünde auch in Reihe mit der Großen Mauer in China und den ägyptischen Pyramiden von Gizeh. Ob Schwerin sich mit dem Label krönen darf, entscheidet sich heute mittag.
Welterbetitel zum Greifen nah
"Wir sind so nah am Welterbetitel wie noch nie. Aber die Entscheidung fällt in Neu-Delhi, und die UNESCO ist unabhängig. Von daher müssen wir die Daumen drücken", sagt die Schweriner Welterbe-Koordinatorin Linda Holung. Sie will sich das Ergebnis persönlich in Neu-Delhi abholen. Die Kulturwissenschaftlerin hat den aufreibenden Bewerbungsprozess seit 2020 begleitet und gemeinsam mit einem Expertenteam ein 360-Seiten umfassendes Nominierungsdossier erarbeitet.
Komplexe höfische Infrastruktur weltweit einmalig
Schwerin hat etwas, was es kein zweites Mal auf der Welt gibt: Das Schloss ist kein Märchen- oder Traumschloss, wie viele wegen der vielen Türme und Türmchen glauben. Sondern es ist ein Regierungsschloss mit einem einmaligen Residenzensemble drum herum - gebaut in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Plan dahinter war eine damals überaus moderne Idee: Waren früher fast alle Funktionen in einem Schloss oder einer Burg zentral an einem Ort integriert, war der Plan in Schwerin, die Verwaltung, die Schule, das Militär und die Kultur auszulagern. So entstand das Residenzensemble in unmittelbarer Nähe des Schlosses. Dazu gehören unter anderemein Theater, ein Museum, eine Kaserne, verschiedene Verwaltungsgebäuden und eine Dampfwäscherei. Diese komplexe höfische Infrastruktur sei einmalig in der Welt, so Holung.
UNESCO: Welterbe muss außergewöhnlich für die Menschheit sein
Das ist die Kernidee des Welterbes: der "außergewöhnliche universelle Wert". Dieser wurde dem Residenzensemble schon bescheinigt, und zwar vom Denkmalbeirat der UNESCO - ICOMOS heißt die Institution. Sie hatte im vergangenen Jahr einen französischen Fachmann nach Schwerin geschickt, der den Antrag auf Herz und Nieren geprüft hat. 38 Bestandteile gehören zum Ensemble, an manchen Orten gleich mehrere Gebäude, und auch Parks. Alles solle als ein gemeinsames, großes Ganzes geschützt werden. Die Schweriner haben jedes einzelne Gebäude wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Joachim Brenncke vom Welterbe-Verein kennt als Architekt die Stadt: "Ein Großherzog hat in einer sehr kurzen Zeit ein Stadtbild geprägt, das dann über die Kriege erhalten wurde und auch die DDR überlebt hat, weil kein Geld da war es umzubauen. Dass diese originalen Sachen da sind mit so vielen Gebäuden, die heute noch das Stadtbild Schwerins prägen, das ist das Einmalige - nicht die einzelnen Gebäude." Und überall, wo man sich bewegt, hat man eine Beziehung zum Wasser. Dieses Flair mache die Stadt aus, freut sich Brenncke.
Schwerin setzt auf zwei Kriterien und wissenschaftliche Beweise
Für die Bewerbung zum UNESCO-Welterbe gibt es zehn Kriterien, eines muss erfüllt werden. Schwerin hat sich auf zwei beworben. Das eine ist "Zeugnis einer untergegangenen Kultur". In diesem Falle meint das die Kultur des höfischen Lebens der Monarchie in Mecklenburg. Das andere Kriterium: "ein architektonisches und landschaftliches Ensemble, das einen wesentlichen Abschnitt unserer Menschheitsgeschichte" darstellt. Eines dieser beiden Kriterien würde reichen, sagt Schwerins Welterbe- Koordinatorin Holung: "Am Ende gibt es nicht mehr oder weniger Welterbe - es ist dann Welterbe, und mit welchem Kriterium ist dann letztendlich egal!"
21 UNESCO-Mitglieder entscheiden über Welterbetitel für Schwerin
So kurz vor dem Ziel und trotzdem ist noch alles offen: Auf der Tagung des zuständigen UNESCO-Komitees entscheiden 21 Mitglieder, ob das Schweriner Residenzensemble in die Welterbeliste aufgenommen wird. Linda Holung glaubt an einen Erfolg. "Sonst würden wir das nicht machen", und ja, sie könne gut schlafen. Schwerin hat vom ICOMOS-Vertreter eine positive Empfehlung, das sei ein Pluspunkt. Allerdings gibt es schon mehrere Schlösser auf der Welterbeliste und viele der Kulturdenkmäler auf der Liste stehen in Europa.
Public Viewing an verschiedenen Orten in Schwerin
Die Entscheidung der UNESCO wird aus Indien per Livestream übertragen. Ob Ja oder Nein - das werden die Schweriner beim Public Viewing im Demmler-Saal im Alten Rathaus und im Schloss erfahren. Die Chance für Schwerin auf die Welterbeliste zu kommen, stehen zumindest "Fifty Fifty", heißt es.