Putenglück in Zieslübbe: Europas bester Geflügelhalter gesucht
Der Ceres Award ist der wohl prestigeträchtigste Preis für Landwirte in der EU. Jedes Jahr sucht die Agrarbranche die innovativsten Ackerbauer und Tierhalter. Daniel Willnat ist der einzige Finalist aus MV.
Die Sonne geht auf über Zieslübbe im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Das Gras ist feucht von der Nacht. Ein paar Puten laufen auf Daniel Willnat zu, als er das Tor zum Gehege öffnet und "kommt, kommt, kommt" ruft. Andere Tiere liegen in Sandkuhlen unter riesigen Eichen. Der 43-Jährige liebt diesen Moment, früh morgens draußen bei den Tieren in seinen Arbeitstag zu starten. Er schaut, ob alle Puten gesund sind.
Gesundheits-Check-Up am Waldrand
Daniel Willnat greift sich einen großen Hahn aus der Herde. Dieser schimpft etwas aufgeregt, da er festgehalten wird. Doch nur so kann der Betriebsleiter vom Biohof Zieslübbe klar erkennen, ob das Tier wohlauf ist. "Wir schauen uns an, wie ist er befiedert, wie sind die Füße, sehen die Gelenke gut aus, passt alles. Und das sieht bei diesem Exemplar sehr schön aus." Auf dem Biohof in Zieslübbe leben die Puten in drei Herden mit jeweils 2.300 Tieren. Eine Gruppe von ihnen lebt ausschließlich draußen im Mischwald, der an eine Wiese grenzt.
Steppen und lichte Waldränder sind ursprünglicher Lebensraum
Die Waldlandputen sind seit zehn Jahren ein Pilotprojekt auf dem Biohof Zieslübbe. Nutztiere im Wald zu halten, ist aus forstrechtlichen Gründen eigentlich verboten. In Zieslübbe können die Tiere ausnahmsweise unter Eichen oder Buchen nach einem schattigen Plätzchen suchen oder sich direkt auf der Wiese aufhalten, die an den Wald grenzt. "Der Wald ist eigentlich der ursprüngliche Lebensraum der Pute, der ganz ursprüngliche ist eine Steppe. Und wenn man jetzt schaut, was haben wir hier zur Verfügung, was dem am ähnlichsten ist, dann ist es die Mischung zwischen Wald und Grünland". Daniel Willnat hat mit seinem Team auch selbst Pappeln angepflanzt. Nach der Projektzeit leben die Puten dann dort in der eigenen Pappelplantage.
Herdenschutzhunde bewachen die Puten
In der Herde der Waldlandputen leben zwei Pyrenäen-Berghunde. Die Rasse eignet sich besonders gut, um Nutztiere wie Hühner oder Puten beispielsweise vor Fressfeinden zu schützen. Die Hunde halten Fuchs, Marder oder Greifvögel fern. "Als wir die Hunde hier noch nicht hatten, war ein Betrieb ohne Elektrozaun quasi unmöglich. Wenn der Zaun einmal kaputt oder ausgefallen war, gab es sofort Probleme. Mittlerweile haben wir den Zaun gar nicht mehr an. Das reicht, wenn die Hunde hier sind. Das funktioniert gut". Allein schon der Hundegeruch würde Fressfeinde fernhalten, erzählt der 43-Jährige weiter.
Freilauf für alle Tiere
Alle rund 7.000 Puten in Zieslübbe haben die Möglichkeit, sich draußen zu bewegen. Auf der Waldfläche haben die Tiere für sich umgerechnet etwa 15 Quadratmeter Platz, mehr als üblich in der ökologischen Tierhaltung. Die zwei anderen Herden können selbst entscheiden, ob sie sich im Stall aufhalten oder auf der Wiese davor. "Das Beste, was wir der Pute geben können, ist Platz draußen mit Gras, Bäumen, Büschen mit Insekten, die da unterwegs sind. Sie ist schon bewegungsfreudig. Also wenn man sich jetzt anschaut, wie lebt eine Pute in der Natur, dann ist sie tagsüber unterwegs und sie scharrt und pickt, sucht Fressen. Schmetterlinge sind da begehrt. Die sind nicht so schnell wie andere. Ansonsten haben auch schon die Puten raus, dass wenn es geregnet hat, die Regenwürmer kommen". Das Hauptfutter, Biomais und Biogetreide, wächst auf den eigenen Ackerflächen.
Kurze Transportwege, regionale Vermarktung
Die Putenküken kommen als Eintagsküken aus einer Brüterei in Niedersachsen nach Zieslübbe und werden hier anfangs geschützt aufgezogen, weil sie viel Wärme benötigen, werden dann in die Herden integriert. Die Hennen sind nach etwa 20 Wochen ausgewachsen, die Hähne etwas später nach 22 bis 24 Wochen. Sie setzen länger Fleisch an. Eine schlachtreife Henne wiegt am Ende acht Kilo, Hähne das doppelte, um die 17 Kilo. Die Puten werden im Nachbarort Severin beim Partnerunternehmen "Mecklenburger Landpute" geschlachtet, verarbeitet und vermarktet.
Vom Zahlenmensch zum Landwirt
Daniel Willnat kümmert sich seit 15 Jahren um die Bioputen. Sieben Angestellte zählt der Biohof Zieslübbe. Über seinen Schwiegervater, Gründer des Biohofs, ist der studierte Betriebswirt zur Landwirtschaft gekommen. "Ich bin im Bereich Landwirtschaft und Tierhaltung ein absoluter Quereinsteiger. Aber das macht mir von Anfang an viel Freude und Spaß. Heute ist es so, dass Landwirtschaft und Tiere mir viel mehr Spaß machen als die Zahlen. Aber die sind am Ende natürlich auch wichtig." Und die zeigen, dass die Nachfrage nach Biogeflügelfleisch deutschlandweit wächst.
Preisverleihung im Oktober
Bereits zum elften Mal vergibt die Agrarwelt den Ceres Award. In der Kategorie "Geflügelhalter des Jahres" stehen neben Daniel Willnat zwei weitere Finalisten fest. Sie kommen aus dem deutschsprachigen Raum, aus Südtirol und Österreich. Eine Fachjury schaut sich nun die Höfe an. Sie reist auch nach Mecklenburg-Vorpommern zu Daniel Willnat. "Ich freue mich sehr darauf, meinen Hof zeigen zu können. Ich bin davon überzeugt: Das, was wir hier machen, ist eine schöne Art der Putenhaltung. Und dabei geht es um unser gesamtes Betriebskonzept. Dass wir geschlossene Kreisläufe haben und unser Futter selbst anbauen. Schafe grasen auf unseren Flächen und pflegen die Landschaft dabei". Daniel Willnat möchte dieses Gesamtkonzept möglichst einer breiten Masse näherbringen und bewirbt sich um den Ceres Award.