Nord Stream 2: Ein Institut unter Lobbyismus-Verdacht
Ein ehemaliger Bundeswirtschaftsminister und ein Wirtschaftsjurist, der lange in Moskau gearbeitet hat, gründen in Wismar ein Institut. Das kümmert sich vor allem um die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Kritiker werfen dem Ostinstitut Lobbyismus im Sinne Moskaus vor.
Wladimir Putin besucht 2014 die Stadt Sewastopol - kurz nachdem Russland die Macht auf der Krim übernommen hat. Während einer Militärparade wendet er sich an die Soldaten: "Dass die Krim und Sewastopol wieder ins Vaterland heimgekehrt sind ist ein großer moralischer Verdienst von euch." Die EU verhängt erste noch recht zaghafte Sanktionen gegenüber Russland - und ein Mann hat seinen ersten großen Auftritt in der Tagesschau. Der Chef des Ostinstituts in Wismar, Andreas Steininger, äußert in einem Interview Bedenken: "Ich persönlich halte Sanktionen für nicht unbedingt sinnvoll, würde sie nicht unbedingt durchführen, weil sie vor allen Dingen diesen Bumerang-Effekt haben." Die Strafmaßnahmen träfen vor allem die deutsche Industrie und die Exportwirtschaft mit über 6.000 Unternehmen in Russland.
Russische Botschaft saß bei Gründung des Ostinstituts mit im Boot
Das Ostinstitut ist in einem Nebengebäude der Hochschule in Wismar untergebracht. 2009 hatte es Andreas Steininger gegründet - zusammen mit dem SPD-Politiker und Energylobbyisten Wolfgang Clement und Andrej Zwerew, damals Handelsgesandter der Russischen Botschaft in Deutschland. Mecklenburg-Vorpommerns ehemaliger Ministerpräsident Erwin Sellering gehörte zeitweise dem Vorstand an. Die Ausrichtung Steiningers und seines Instituts sei damit von Anfang an klar gewesen, meint Gerhard Bley von der Organisation Transparency International. "Also nach meinem persönlichen Eindruck ist es eigentlich eine Lobbyeinrichtung." Schon Steiningers beruflicher Werdegang zeige das. "Er war selber als Anwalt in Russland tätig. Und insofern war er klar auf einer bestimmten Seite. Er kam aus einer Rolle, wo er als Anwalt wirtschafliche Betätigung fördern sollte und ermöglichen sollte."
Ostinstitut gilt es Erfinder der "Russlandtage" in Mecklenburg-Vorpommern
Obwohl die EU gerade erst Sanktionen erlassen hatte, suchte die Landesregierung die Nähe zur russischen Wirtschaft. 2014 organisiert das Ostinstitut den ersten "Russlandtag" mit 500 Teilnehmern aus Deutschland und Russland. Andreas Steininger gilt als Erfinder dieser Veranstaltung, von der Ministerpräsident Sellering begeistert war. Der Journalist Uwe Müller hat für die Tageszeitung "Welt" zum Russland-Netzwerk recherchiert - das Wort Institut hält er hier für nicht angemessen. Beim Wort Institut denke man an Wissenschaft und Seriosität, das sei aber beim Ostinstitut nicht der Fall, meint Müller: "Es war doch eine Lobbygeschichte, die nicht zuletzt maßgeblich auch finanziell von Nord Stream 2 unterstützt worden ist."
Kritiker: Ostinstitut Lobbyist für Nord Stream 2 und Gazprom
Und nicht nur von Nord Stream. Für den russischen Staatskonzern Gazprom organisiert das Ostinstitut von 2012 bis 2014 "Energiefrühstücke", sogenannte Informationsveranstaltungen für Wirtschaft und Politik in Berlin. Danach organisierten Steininger und seine Mitarbeiter die Russlandtage, Gazprom und Nord Stream 2 treten dabei als Sponsoren auf. Und die Nord Stream 2 AG, eine direkte Tochter von Gazprom, unterstützt auch direkt das Institut mit Geldzahlungen. Für die Opposition im Untersuchungsausschuss des Landtags ist das Lobbyismus im Sinne Russlands gewesen. Steininger wies den Vorwurf im Oktober 2023 zurück: "Wir haben in keinster Weise Lobbyhilfe für Russland betrieben." Man habe den Russland-Tag initiiert, aber damit habe das Institut vor allem der Wirtschaft innerhalb von MV Auftrieb geben wollen.
Enge Kooperation zwischen Institut und Landesregierung
Allerdings waren die Kontakte zur Landesregierung enger, als es sich für ein wissenschaftlich arbeitendes Institut ziemt, meint Gerhard Bley von Transparency International: "Dann ist es so, dass eine Abteilungsleiterin aus der Staatskanzlei da in einem Gremium des Instituts selbst war, das heißt, sie war für die Staatskanzlei sehr, sehr dicht dran." Außerdem sei auch Geld von der Staatskanzlei ans Institut geflossen sei. Ein weiteres Zeichen dafür, wessen Geistes Kind das Institut gewesen sei, meint der Journalist Uwe Müller: "Wenn man Geld von Nord Stream 2 bekommt, wenn man dann im Auftrag der Landesregierung Russlandtage macht, dann sieht man schon, dass das weniger mit Wissenschaft zu tun hatte, sondern das natürlich eine Lobbygeschichte gewesen ist."
Ostinstitut kritisiert weiter die EU-Sanktionen
Die Zeitenwende setzte auch beim Ostinstitut mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein. Heute werden dort beispielsweise Richter aus Kasachstan oder der Ukraine fortgebildet. In einer Sache bleibt sich Andreas Steininger allerdings treu. In einer Veröffentlichung des Ostinstituts im vergangenen Jahr beschreibt er die EU-Sanktionen als Moloch: "Es fehlt vor allem auch an verlässlichen Rechtsquellen. Damit schadet die Kommission vor allem der eigenen europäischen Industrie, nicht aber Russland."
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