Meerforelle gefährdet: Monitoring in MV steht vor dem Aus

Stand: 17.11.2024 11:20 Uhr

Der bei Anglern so beliebten Meerforelle macht der Klimawandel zu schaffen, sie gilt als gefährdet. Ausgerechnet das Monitoring zum Schutz der Fischart steht vor dem Ende. Eine Lösung könnte die Ausweitung des Projekts sein.

von Franz Fanter

Mit Wathose und Gummihandschuhen im kniehohen Wasser des Poischower Mühlenbachs - so will Armin Steibli von der Landesforschungsanstalt MV hier bei Grevesmühlen junge Meerforellen zählen mittels Elektrofischerei. Dabei werden die Fische durch Gleichstrom betäubt. Nach wenigen Minuten der erste Fang: "Da haben wir tatsächlich eine Forelle. Nachwuchs aus der letzten Laichsaison. Da sind die maximal 14, 15 Zentimeter groß."

Weitere Informationen
Meerforelle für die Nachzucht. © NDR/Jung & Rathjen Filmproduktion

Rostocker Forscher ermitteln: Wie viele Meerforellen laichen in MV?

Das Institut für Fischerei der Landesforschungsanstalt MV untersucht, den Nachwuchs der gefährdeten Art in heimischen Gewässern. mehr

Hitze und Trockenheit verhindern Fortpflanzung

Dass der Jungfisch hier überhaupt schlüpfen konnte, ist ein Zeichen dafür, dass es die Elterntiere aus der Ostsee bis hierher geschafft haben. Einige der lachsartigen Fische legen mehr als 100 Kilometer zurück, bis sie in den kiesigen Oberläufen der Flüsse und Bäche ihre Eier ablegen können. In Zeiten des Klimawandels nicht selbstverständlich, erklärt Steibli: "Dieser Bach führt bei Sommerdürren und wenig Niederschlägen wenig Wasser. Wenn dann im Herbst kein Wasser kommt, dann steigen hier keine Tiere auf." Laut Deutschem Wetterdienst war das Jahr 2022 das fünfte Dürrejahr in Folge. Ab 2023 entspannte sich die Lage dann wieder, aber das sei kein Grund zur Entwarnung, mahnt Steibli. 

Weitere Informationen
Zwei Meerforellen bei der Paarung in einem Fluss. © NDR

Naturschützer in MV warnen: Wassermangel bedroht Meerforellen

Weniger als die Hälfte der Fische konnte sich in den Flüssen Mecklenburg-Vorpommerns fortpflanzen. mehr

Erfolg von jahrelangem Besatz steht auf dem Spiel

Dass sich die Meerforelle in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt aus eigener Kraft vermehren kann, ist auch ein Erfolg des landesweiten Besatzprogramms. Seit den 1990er-Jahren unterstützen künstlich nachgezüchtete Meerforellenbrütlinge die Bestände. Ein Erfolg, der zu kippen droht. In das Meerforellen-Projekt sind seit 2017 rund 1,2 Millionen Euro geflossen, finanziert vom Land und aus EU-Mitteln. Jetzt ist die Zukunft des Monitoring-Projekts von Armin Steibli unklar, die Finanzierung ab Mitte 2025 nicht geklärt. Dabei gilt die Meerforelle seit Beginn des Jahres offiziell als gefährdet. Aus dieser Gefährdung gehe nicht automatisch ein Schutzstatus hervor, erklärt Steibli. "Das heißt, wir haben eine gefährdete aber nicht geschützte Art, die auch einer Nutzung unterliegt - fischereilich. Da ergibt sich schon allein die Notwendigkeit ein Monitoring fortzuführen, damit die Meerforelle nicht über einen nachhaltigen Bestand hinaus befischt wird."

Angler fangen mehr Forellen als Berufsfischerei

Karte der Fischzählanlagen in MV. © Screenshot
Die letzte der zehn Fischzählkameras in MV ging im Oktober im Poischower Mühlenbach in Betrieb.

Nach dem Fangverbot für den Dorsch ist laut dem Thüneninstitut für Ostseefischerei nun die Meerforelle der beliebteste Angelfisch in der Ostsee. Von 2020 bis 2022 haben Angler in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein rund 84 Tonnen Meerforellen entnommen, das entspricht rund 60.000 Tieren. Weitere 70.000 Forellen haben die Freizeitfischer aufgrund von Schonzeiten und -maßen wieder zurückgesetzt. Die Regularien sollen gewährleisten, dass der Meerforellenbestand trotz Befischung stabil bleibt. Auf das Konto der Berufsfischerei ging der Studie zufolge nur ein Zehntel der Entnahmen. Steibli sieht in der Befischung insgesamt derzeit kein Problem für die Forellenpopulation hierzulande.

Fischzählkameras könnten Monitoring retten

Das Elektrofischen ist nur eine Form der Erfassung, eine andere ist der Einsatz spezieller Fischzählkameras. Die gibt es mittlerweile in allen Gewässersystemen des Landes, in denen sich die Meerforelle nachweislich fortpflanzt. Rund eine Million Video-Clips entstehen jährlich. Künstliche Intelligenz hilft dabei, sie zu sortieren. "Da ist so alles mögliche drauf: Wasservögel, andere Fischarten, Säuger, Insekten, Wirbellose, Krebse - auch FFH-Arten wie beispielsweise Neunaugen." Darin sieht der Armin Steibli eine Chance: Er möchte andere Forscher mit ins Boot holen, die seinen Datenschatz mit nutzen. Das, so seine Hoffnung, könnte die Weiterführung des Meerforellen-Monitorings ermöglichen. Beim Kontrollfischen im Poischower Mühlenbach hat der Fischereiwissenschaftler aktuell nur 33 junge Meerforellen gezählt - weniger als erwartet.

Weitere Informationen
Ein Stör wird in einen Fluss ausgesetzt. © Landesforschungsanstalt/Lutz Krenkel

Born auf dem Darß: Projekt zur Rettung des Störs wird 30

In der Forschungseinrichtung werden Störe aufgezogen und europaweit ausgewildert. Sie sollen sich irgendwann selbst reproduzieren. mehr

Sebastian Kopp fährt mit seinem Fischerboot raus. © NDR

Fischerei in Deutschland und Polen - zwischen Fangquoten und Klimawandel

Die Zukunft der Küstenfischer sieht dunkel aus. Welche Aussichten haben deutsche Fischer und warum geht es den polnischen Nachbarn noch so gut?  mehr

Diese Dorsche sind gut 30 Jahre alt und einen Meter lang. © NDR Foto: Pauline Reinhardt

Dorsch-Bestand in der Ostsee erholt sich nur langsam

Der Internationale Rat für Meeresforschung sieht kaum Verbesserungen auch bei Sprotten. Etwas besser sieht es bei Hering und Scholle aus. mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 17.11.2024 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Flüchtlinge aus Syrien kommen mit ihrem Gepäck in einer Erstaufnahmeeinrichtung an. © Marcus Brandt/dpa

Schwerin will Asylbewerber und Bürgergeldbezieher zur Arbeit verpflichten

Das hat die Stadtvertretung am Montag beschlossen. Oberbürgermeister Badenschier und Arbeitsmarktforscher kritisieren den Beschluss. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern