Rostocker Forscher ermitteln: Wie viele Meerforellen laichen in MV?
Seit diesem Jahr gilt die Meerforelle erstmals in Deutschland als gefährdete Art. Sie ist ein Klimaindikator. Der Wanderfisch benötigt zum Laichen sauerstoffreiche durchlässige Gewässer. Der Peezer Bach bei Rostock bietet optimale Laichbedingungen.
Unscheinbar, von viel Grün umgeben, plätschert der Peezer Bach bei Rostock vor sich hin. Der kleine Bach mündet in den Breitling, von dort aus fließt das Wasser über die Warnow in die Ostsee. Für die Meerforelle sei der Peezer Bach sehr bedeutend, erzählt Armin Steibli. Der gebürtige Schwabe arbeitet bei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei, ist dort für das Meerforellenprojekt zuständig.
Bach für Meerforelle verändert
Der Peezer Bach ist eines von zehn Referenzgewässern. Dort wurde in der Vergangenheit schon Einiges für die Meerforelle getan, beispielsweise wurde der Bach so verändert, dass die Fischart besser wandern kann. "Wir beobachten den Peezer Bach schon seit den Besatzmaßnahmen in den 1990er-Jahren. Mittlerweile ist es das produktivste Meerforellengewässer im ganzen Land. Wir erfassen hier so viel Nachwuchs wie in kaum einem anderen Fließgewässer in Mecklenburg-Vorpommern", so Steibli. Jedes Jahr kommen im Herbst zwischen 300 und 600 Tiere in den Peezer Bach, um zu laichen.
Peezer Bach bietet optimale Bedingungen
Der Peezer Bach bietet optimale Laichbedingungen. Sein Grund ist zwischen Mönchhagen und Poppendorf auf einigen hundert Metern kiesig. Dort können die Meerforellen mit ihren Flossen erfolgreich Laichgruben schlagen und darin ihre Eier ablegen. "Dann werden die auch durch die Strömung belüftet und entwickeln sich. Also im Sand oder Schlamm würde das gar nicht funktionieren", sagt Steibli. Wissenschaftler, Ehrenamtliche und Mitglieder vom Verein Salmoniden- und Gewässerschutz Mecklenburg-Vorpommern zählen landesweit Laichgruben.
Spezielles Kamerasystem filmt Meerforellen
Meerforellen werden auch anhand von videooptischen Fischzähleinrichtungen erfasst. Diese Kamerasysteme befinden sich neben dem Peezer Bach in acht weiteren Gewässern im Land, beispielsweise in der Uecker bei Torgelow, in der Nebel bei Güstrow oder im Wallensteingraben in Wismar. Eine neue Anlage wird in diesem Jahr noch im Poischower Mühlenbach installiert, das ist ein kleiner Zufluss der Stepenitz. Die Zähleinrichtungen werden während der Laichsaison zwischen September und Januar eingeschaltet und nehmen unter Wasser jede Bewegung auf.
Künstliche Intelligenz findet Meerforellen
Am Ende der Laichsaison werten beauftragte Umweltbüros und Wissenschaftler über eine Million Videosequenzen aus, nicht mehr mit bloßem Auge wie einst, sondern mittlerweile mithilfe Künstlicher Intelligenz, die zuvor am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Rostock entwickelt wurde. "Man trainiert diese Software mit eindeutigen Meerforellenbildern. Von Fachleuten wird dieses Trainingsmaterial zusammengestellt und dann braucht man einige tausend Meerforellenaufnahmen in verschiedensten Situationen und Zuständen, um diese Software anzulernen, damit sie die Meerforellen auf unbekanntem Bildmaterial selbständig erkennt", so Armin Steibli. Der Anteil an Meerforellen auf dem Videomaterial während einer Laichsaison liege meist bei unter einem Prozent. Genau diese Sequenzen finde die Künstliche Intelligenz.
Erfolgreiche vergangene Laichsaison
Das Projekt läuft seit sechs Jahren, es wurde bereits zweimal verlängert. Mittlerweile gehen die Wissenschaftler hierzulande von 58 Fließgewässern aus, die von laichreifen Meerforellen nachweislich jährlich aufgesucht werden. Etwa 30 weitere Gewässer werden regelmäßig untersucht, ob auch dort die Meerforelle erfolgreich laicht. Erste Berechnungen für die vergangene Laichsaison 2023/24 zeigen, dass hierzulande etwa 6.000 Meerforellen gelaicht haben. Das freut Armin Steibli sehr: "So viele Laicher waren schon lange nicht mehr in diesen Bächen." Das liege definitiv auch daran, dass genug Wasser in den Gewässern vorhanden war im vergangenen Jahr, so Steibli. Umweltfaktoren beeinflussen das Laichgeschehen.
Meerforelle ist Klimaindikator
Aus den vorhandenen Daten ist auch ablesbar, dass sich während der Dürrejahre zwischen 2018 und 2022 viel weniger Meerforellen entwickeln konnten. Weniger erwachsene Tiere konnten in ihre Laichgebiete aufsteigen, weil die Wasserstände zu niedrig waren. Auch verkrautete Gewässer erschweren die Fortbewegung. Die Forelle als wandernde Fischart benötigt durchgängige sauerstoffreiche Fließgewässer. Seit diesem Jahr gilt die Meerforelle erstmals in Deutschland als gefährdete Art, auch weil ihr Lebensraum schwindet.
Schutzprojekte für eine gesicherte Zukunft
Naturwissenschaftler Armin Steibli will der Meerforelle helfen. Auch deshalb gibt es das Forschungsprojekt. Er ist zuversichtlich, dass die Fischart auch in Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern laicht: "Sie ist ein Anpassungskünstler:" Das bedeutet, die Meerforelle wartet auf Jahre, in denen die Wasserstände höher sind, um dann erfolgreich zu laichen. Am wichtigsten dafür sind durchgängige Gewässer, damit das Tier aus seiner Kinderstube, den Bächen, in die Ostsee ziehen kann, um dort geschlechtsreif zu werden. "Wenn man Gewässer renaturieren will, dann ist sicherlich die Durchgängigkeit eines der Kriterien. Und wir wollen Bedingungen schaffen, die der Meerforelle geeignete Laichplätze schafft - auch da, wo es sie vielleicht auch schon einmal gab."
Fisch beliebt bei Fischern und Anglern
Ziel des Projektes ist es auch, den Bestand der Meerforelle zu sichern. Sie ist ein sehr beliebter Fisch bei Fischern und Anglern. Auch Armin Steibli hat gern eine Meerforelle am Haken: "Für jede Meerforelle, die ich nach Hause bringen kann, bin ich dankbar. Ich möchte auch, dass das weiterhin so bleibt. Für alle, die das so gerne machen möchten." Dabei denkt er auch an die heimischen Fischer, die wegen strikter Quoten immer weniger Fischarten fangen dürfen.
Warten auf die nächste Laichsaison
Das Projekt läuft vorerst noch bis Juni 2025. Es wird aus EU- und Landesmitteln finanziert. Armin Steibli wartet nun gespannt auf die nächste Laichsaison, die im September beginnt. Der Naturwissenschaftler hofft, dass dann wieder viele Meerforellen in den Peezer Bach kommen, um dort ihre Eier abzulegen.