"Massiver Druck": Tourismuschef von Rügen kritisiert LNG-Debatte

Stand: 24.06.2024 14:58 Uhr

von Martina Rathke

Knut Schäfer will im September nicht mehr für den Vorsitz des Tourismusverbandes Rügen kandidieren. Nach dieser langen Phase sei es für ihn Zeit, Systeme von sich selbst zu befreien, begründet er den Verzicht auf eine Kandidatur. Indirekt habe der Rückzug aber auch mit der LNG-Debatte zu tun, "weil es war der erste Zeitpunkt, an dem ich mir intensiv die Frage gestellt habe, macht das alles so Sinn, möchtest du in dieser Debattenkultur noch weiter mitmachen." Er habe noch nie so einen massiven Druck gespürt.

LNG-Terminal: Schäfer warb für abwägende Position

Schäfer war im April vergangenen Jahres nach einem NDR Interview massiv in die Kritik geraten, weil er für eine abwägende Position in Hinblick auf das LNG-Terminal geworben hatte. Schärfste Kritiker: das um den Tourismus fürchtende Ostseebad Binz, das mit einem Austritt aus dem Verband drohte, sollte Schäfer seine Aussage zum LNG-Terminal nicht korrigieren oder zurücktreten.

Rückblick: Schäfer hatte, nachdem die Bundesregierung von ihren LNG-Plänen in der Ostsee vor Sellin abrückte und sich für den Hafen Mukran entschied, für einen Dialog geworben. "Wenn dem so ist, dass wir ein erhöhtes Risiko haben, dass die Gasversorgung der fünf neuen Länder, aber auch der südlichen Nachbarn von diesem Standort Mukran abhängt, dann müssen wir darüber reden, unter welchen Bedingungen dieser Standort umsetzbar ist, ohne dass er den Tourismus auf der Insel schädigt", so der Tourismuschef damals im NDR.

Binz übt Druck aus: Mail an Schäfer gibt Storyboard vor

Der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider und der Tourismusdirektor Kai Gardeja forderten Schäfer am Folgetag, dem 21. April 2023, in einer E-Mail dazu auf, zurückzutreten. In dem Schreiben, das dem NDR vorliegt, heißt es "(...) Wir werden dir dabei behilflich sein, einen möglichst gesichtswahrenden Abgang zu ermöglichen."

Alternativer Vorschlag: "Du wirst Dich (...) für Deinen Vorstoß entschuldigen und Deine Position korrigieren. Die Position wird aufgrund der zeitlichen Enge dieser Tage abgestimmt formuliert und Dir mitgeteilt."

Schäfer ging auf keinen dieser Vorschläge ein. Die Folge: Binz und mehrere Hoteliers traten aus dem Tourismusverband aus.

Schäfer: Insel ist vom Verhandlungstisch aufgestanden

Durch die Fundamentalkritik am LNG-Terminal, dominiert durch das Ostseebad Binz, habe die Insel Rügen Chancen vertan, Gegenleistungen zu fordern. Die Insel sei einfach vom Verhandlungstisch aufgestanden, so Schäfer heute.

"Wir waren so auf der Protestpalme, dass wir in einer Position waren, die in der Öffentlichkeit aus meiner Sicht nicht gut angekommen ist und in der sachliche Argumente keine Rolle mehr spielten." Es habe keine Debattenkultur gegeben. "Man war nur im Sendemodus, es ging gar nicht mehr darum, den anderen ausreden zu lassen."

Trauerzug durch das Ostseebad

Mehr noch. Der Gemeinde Binz wirft er vor, mit ihrer Form des Protestes der Urlaubsregion geschadet zu haben. Unter anderem hatte das Ostseebad im Juni einen Trauerzug veranstaltet und die Insel und den Tourismus zu Grabe getragen, angeführt vom Binzer Bürgermeister und Tourismusdirektor. 

"Wenn man sich dann schwarze Anzüge anzieht, die Sonnenbrille aufsetzt, wie ein Blues Brothers Double durch den Ort zieht und den Tourismus zu Grabe trägt, ist das die Vertretung der Branche? Ist das Tourismuspolitik, die man haben will? Sind das die Bilder, die man produzieren sollte, um eine der schönsten Destinationen bundesweit bekannt zu machen? Ich glaube nicht.“ 

Solidargedanke durch LNG-Debatte verloren gegangen

Das Ziel, den Tourismusverband auf Linie des größten Ostseebades zu bringen, sei nicht gelungen, bilanziert Schäfer. Rückblickend hätten sich im Verband Austritte und Eintritte die Waage gehalten. Dem Austritt von Binz stünden Eintritte anderer Gemeinden wie Gingst und Samtens gegenüber. Der Tourismusverband sei eine Solidargemeinschaft, dieser Solidargedanke sei aber während der LNG-Debatte verloren gegangen, so Schäfer.

Binz sieht in dem LNG-Terminal in Mukran, das nördlich der Gemeinde liegt, eine Gefahr für Anwohner und Tourismus des Ostseebades. Mit einem Eilantrag vor dem Bundesverwaltungsgericht war die Gemeinde jedoch Anfang Juni gescheitert. Diesen wies das Gericht als unzulässig zurück. Sollte es zu Störfällen im Hafenbereich kommen, hätte dies keine weitreichenden Auswirkungen auf die Kläger, so die Leipziger Richter. Das Terminal in Mukran läuft bislang im Probebetrieb.

Weitere Informationen
Ein schwimmendes LNG-Terminal aus der Vogelperspektive © picture alliance / ZUMAPRESS.com Foto: Excelerate Energy, Inc.
3 Min

Mukran auf Rügen: LNG Terminal vorerst nicht im Regelbetrieb

Das umstrittene LNG-Terminal im Hafen Mukran auf Rügen geht weiterhin nicht in den Regelbetrieb. Laut Umweltministerium in Schwerin fehlen dafür noch immer notwendige Unterlagen. 3 Min

Das LNG-Terminal Mukran von See aus. © dpa-Bildfunk Foto: Stefan Sauer/dpa-Bildfunk

LNG-Terminal auf Rügen: Gegner profitieren bei Kommunalwahl

In Binz hat das umstrittene LNG-Terminal den Wahlkampf maßgeblich beeinflusst. Die Mehrheit der Bewerber positionierte sich dagegen. mehr

Ein großes rot-weißes Frachtschiff. © Screenshot

LNG-Terminal Mukran oder Getreideschiff? Anwohner erstatten Anzeige wegen Lärms

Bei der Wasserschutzpolizei sind drei Anzeigen eingegangen. Anwohner sprechen von einem "Terror-Wochenende". mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 24.06.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Landkreis Vorpommern-Rügen

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Experten des Deutschen Meeresmuseums untersuchen eine Kegelrobbe. © dpa Foto: Stefan Sauer

Backhaus reagiert nach Robbensterben: Neue Reusen-Regel für Ostsee

Die Ursache für den Tod von 44 Tieren ist noch nicht abschließend geklärt. Umweltminister Backhaus zieht dennoch eine Konsequenz für den Fischfang. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?