"Massiver Druck": Tourismuschef von Rügen kritisiert LNG-Debatte
Knut Schäfer will im September nicht mehr für den Vorsitz des Tourismusverbandes Rügen kandidieren. Nach dieser langen Phase sei es für ihn Zeit, Systeme von sich selbst zu befreien, begründet er den Verzicht auf eine Kandidatur. Indirekt habe der Rückzug aber auch mit der LNG-Debatte zu tun, "weil es war der erste Zeitpunkt, an dem ich mir intensiv die Frage gestellt habe, macht das alles so Sinn, möchtest du in dieser Debattenkultur noch weiter mitmachen." Er habe noch nie so einen massiven Druck gespürt.
LNG-Terminal: Schäfer warb für abwägende Position
Schäfer war im April vergangenen Jahres nach einem NDR Interview massiv in die Kritik geraten, weil er für eine abwägende Position in Hinblick auf das LNG-Terminal geworben hatte. Schärfste Kritiker: das um den Tourismus fürchtende Ostseebad Binz, das mit einem Austritt aus dem Verband drohte, sollte Schäfer seine Aussage zum LNG-Terminal nicht korrigieren oder zurücktreten.
Rückblick: Schäfer hatte, nachdem die Bundesregierung von ihren LNG-Plänen in der Ostsee vor Sellin abrückte und sich für den Hafen Mukran entschied, für einen Dialog geworben. "Wenn dem so ist, dass wir ein erhöhtes Risiko haben, dass die Gasversorgung der fünf neuen Länder, aber auch der südlichen Nachbarn von diesem Standort Mukran abhängt, dann müssen wir darüber reden, unter welchen Bedingungen dieser Standort umsetzbar ist, ohne dass er den Tourismus auf der Insel schädigt", so der Tourismuschef damals im NDR.
Binz übt Druck aus: Mail an Schäfer gibt Storyboard vor
Der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider und der Tourismusdirektor Kai Gardeja forderten Schäfer am Folgetag, dem 21. April 2023, in einer E-Mail dazu auf, zurückzutreten. In dem Schreiben, das dem NDR vorliegt, heißt es "(...) Wir werden dir dabei behilflich sein, einen möglichst gesichtswahrenden Abgang zu ermöglichen."
Alternativer Vorschlag: "Du wirst Dich (...) für Deinen Vorstoß entschuldigen und Deine Position korrigieren. Die Position wird aufgrund der zeitlichen Enge dieser Tage abgestimmt formuliert und Dir mitgeteilt."
Schäfer ging auf keinen dieser Vorschläge ein. Die Folge: Binz und mehrere Hoteliers traten aus dem Tourismusverband aus.
Schäfer: Insel ist vom Verhandlungstisch aufgestanden
Durch die Fundamentalkritik am LNG-Terminal, dominiert durch das Ostseebad Binz, habe die Insel Rügen Chancen vertan, Gegenleistungen zu fordern. Die Insel sei einfach vom Verhandlungstisch aufgestanden, so Schäfer heute.
"Wir waren so auf der Protestpalme, dass wir in einer Position waren, die in der Öffentlichkeit aus meiner Sicht nicht gut angekommen ist und in der sachliche Argumente keine Rolle mehr spielten." Es habe keine Debattenkultur gegeben. "Man war nur im Sendemodus, es ging gar nicht mehr darum, den anderen ausreden zu lassen."
Trauerzug durch das Ostseebad
Mehr noch. Der Gemeinde Binz wirft er vor, mit ihrer Form des Protestes der Urlaubsregion geschadet zu haben. Unter anderem hatte das Ostseebad im Juni einen Trauerzug veranstaltet und die Insel und den Tourismus zu Grabe getragen, angeführt vom Binzer Bürgermeister und Tourismusdirektor.
"Wenn man sich dann schwarze Anzüge anzieht, die Sonnenbrille aufsetzt, wie ein Blues Brothers Double durch den Ort zieht und den Tourismus zu Grabe trägt, ist das die Vertretung der Branche? Ist das Tourismuspolitik, die man haben will? Sind das die Bilder, die man produzieren sollte, um eine der schönsten Destinationen bundesweit bekannt zu machen? Ich glaube nicht.“
Solidargedanke durch LNG-Debatte verloren gegangen
Das Ziel, den Tourismusverband auf Linie des größten Ostseebades zu bringen, sei nicht gelungen, bilanziert Schäfer. Rückblickend hätten sich im Verband Austritte und Eintritte die Waage gehalten. Dem Austritt von Binz stünden Eintritte anderer Gemeinden wie Gingst und Samtens gegenüber. Der Tourismusverband sei eine Solidargemeinschaft, dieser Solidargedanke sei aber während der LNG-Debatte verloren gegangen, so Schäfer.
Binz sieht in dem LNG-Terminal in Mukran, das nördlich der Gemeinde liegt, eine Gefahr für Anwohner und Tourismus des Ostseebades. Mit einem Eilantrag vor dem Bundesverwaltungsgericht war die Gemeinde jedoch Anfang Juni gescheitert. Diesen wies das Gericht als unzulässig zurück. Sollte es zu Störfällen im Hafenbereich kommen, hätte dies keine weitreichenden Auswirkungen auf die Kläger, so die Leipziger Richter. Das Terminal in Mukran läuft bislang im Probebetrieb.