MV-Linke setzt nach Rückzug der Bundesspitze auf ostdeutsche Themen
Nach dem angekündigten Rückzug der Linken-Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan fordern Spitzenvertreter der Partei in Mecklenburg-Vorpommern einen stärkeren Fokus auf ostdeutsche Themen. Der Landesvorsitzende Hennis Herbst sagte, die Linke müsse sich überlegen, für wen sie Politik mache.
Die Dauerkrise bei der Linken verschärft sich: Nach der Abspaltung der Wagenknecht-Anhänger und der Niederlage bei der Europa- und Kommunalwahl droht der Partei mit dem Abgang des Spitzenduos eine neue Personaldebatte. Dietmar Bartsch, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rostock, ehemals Fraktionschef im Bundestag und seit Jahrzehnten geübt im Umgang mit Parteikrisen, will die gar nicht erst anheizen. Vorschläge für die Nachfolge verkneift er sich, Bartsch verbreitet lieber Optimismus: "Die Linke lebt", befindet der gebürtige Stralsunder im Interview mit NDR Info und verweist trotz sinkender Umfragewerte auf Erfolge.
Bartsch betont alte Stärke im Osten
Seine Partei regiere in Thüringen, sei in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen an der Regierung beteiligt und habe die Oberbürgermeisterwahl in Rostock gewonnen. Statt von einer existenzbedrohenden Krise spricht Bartsch lieber von "Herausforderung". Und in der gehe es darum, den personellen Neuanfang für einen Kurswechsel zu nutzen. Bartsch ist die "soziale Frage" wichtig: Die Partei müsse Antworten liefern, um wachsende Ungleichheit und das Versagen der Ampel anzugehen. Der 66-Jährige fordert auch deshalb eine Konzentration auf die ostdeutschen Länder, der Region alter Stärke. "Ich werbe dafür, dass wir wieder bei den Menschen sind, dass wir zurück dazu kommen, was die Linke ausgemacht hat, was die frühere PDS ausgemacht hat."
Landeschef Herbst: Ostdeutsche Themen im Blick
Zurück zu den Wurzeln, diese Aussage schwingt bei den Stellungnahmen zum Abgang der Partei-Chefs immer wieder mit. Der neue Linken-Landesvorsitzender Hennis Herbst meint, gerade ostdeutsche Themen wie Bildung und Frieden müsse die Partei mehr in den Blick nehmen, und zwar mit einer Politik für Menschen, "die nicht mit dem goldenen Löffel aufgewachsen sind". Die Linke habe immer noch Zeit, "das Ruder rumzureißen". Allerdings wird die eigene Basis dafür immer schwächer - 2.800 Mitglieder hat die Partei in Mecklenburg-Vorpommern noch, der Trend zeigt nach unten.
Fraktionschefin Rösler will Vertrauen zurückgewinnen
Ebenso wie Bartsch betont der 27-jährige Herbst Erfolge der Vergangenheit. In Mecklenburg-Vorpommern regiere die Partei mit, der Zustand der Bundespartei habe dabei keine Auswirkungen auf die Arbeit in der rot-roten Koalition. Jeannine Rösler will als Fraktionschefin dafür sorgen, dass das so bleibt. Wichtig sei jetzt, "dass die Linke in der Gesellschaft wieder mehr Vertrauen gewinnt". Heißt auch: Da ist vorher wohl viel verloren gegangen. Eine starke Linke gerade als Friedenspartei sei wichtiger denn je, meint Rösler.
Oldenburg: Osten entscheidend für das Überleben der Linken
Nicht äußern will sich die Frau, die zuletzt für einen Erfolg der Linken gesorgt hat: Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger hält sich bei der Kommentierung der Personaldebatte zurück. Das sei eine Angelegenheit der Partei, sagte Kröger. Auch Bildungsministerin Simone Oldenburg ist bei der Kommentierung eher sparsam. Sie meint, der personelle Neubeginn biete der Partei "die Chance, wieder Fuß zu fassen". Oldenburg, die in der Linken als Vizeministerpräsidentin das Gesicht der rot-roten Koalition ist, setzt auf "ostdeutsche Kompetenzen". Die müssten in der Partei wieder eine stärkere Rolle spielen. Denn wenn es der Partei gelingen solle, wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen, "dann geht das aller Wahrscheinlichkeit nur mit dem Osten".
Bartsch: Linke muss 2025 den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen
Oldenburg kündigt auch deshalb an, dass der Landesverband seine Verantwortung im neuen Bundesvorstand wahrnehmen werde. Es bleibt offen, ob Oldenburg damit eine Spitzenposition in der Bundes-Linken für sich reklamiert. Sie schweigt dazu. Landeschef Herbst meint, Oldenburg habe sich immer wieder in die Pflicht nehmen lassen, "weil die Partei ihr so sehr am Herzen liegt". Über Einzelheiten müsse aber im Landesvorstand beraten werden. Dietmar Bartsch verschiebt die Antwort auf die Gretchenfrage für die Linke derweil auf den Herbst 2025. Es komme darauf an, dass die Partei dann den Wiedereinzug in den Bundestag schaffe. Das entscheide über das "Wohl und Wehe".