MV-Gipfel: Gemeinsamer Plan zur Flüchtlingsaufnahme
Bei der Flüchtlingsunterbringung haben sich das Land und die Kommunen auf eine gemeinsame Strategie geeinigt. Auch das Land will seine Erstaufnahme vergrößern.
Bei dem Treffen in der Staatskanzlei am Donnerstag ging es darum, "wie wir mit den aktuellen Herausforderungen beim Thema Flüchtlingsaufnahme und Aufnahme von Asylbewerbern gemeinsam klarkommen" - so fasste es Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nach den sechsstündigen Gesprächen zusammen. Herausgekommen ist ein gemeinsamer Plan von Land, Kreisen und Städten, inklusive Forderungen an den Bund. Bevor sie auf Einzelheiten einging, stellte die Ministerpräsidentin klar, dass man sich einig sei, "dass es ein Gebot der Menschlichkeit ist, dass wir Menschen, die vor Krieg flüchten oder die in ihrer Heimat verfolgt werden, Schutz geben".
Bund soll mehr Geld bereitstellen und Zugang zu Arbeit vereinfachen
Schwesig betonte, dass Mecklenburg-Vorpommern die Kommunen schon stärker bei den Kosten unterstütze als andere Bundesländer. Aber: "Wir sind uns aber auch einig, dass auch der Bund Kommunen stärker unterstützen muss." Wie bereits 2015/16 solle der Bund zusätzliche Gelder zahlen: eine Integrationspauschale und Unterstützung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Außerdem soll auf Bundesebene der rechtliche Rahmen für einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen werden, möglichst schon nach einem Monat. Durch einfachere Sprachkurse soll die Integration zusätzlich verbessert werden.
Wöchentliche Abstimmungen zu Kita- und Schulplätzen
Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) ergänzte, es gehe nicht darum, bestimmte Sprachstufen wie C1 oder C2 zu erreichen, "sondern wirklich das Beherrschen elementarer Sprachkenntnisse, um sich in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern zurechtzufinden". Um die Verteilung neuer Schülerinnen und Schüler sowie zusätzlicher Kita-Kinder zu bewältigen, sei ein regelmäßiger Austausch vereinbart worden, so Oldenburg weiter. Die Landesregierung wird sich demnach einmal pro Woche mit den Kommunen und den vier Staatlichen Schulämtern treffen, um gemeinsam zu planen.
Ministerien wollen Verfahren beschleunigen
Eine weitere Gesprächsrunde wollen Innen- und Justizministerium mit Praktikern der Polizei und weiterer Behörden einrichten, sagte Innenminister Christian Pegel (SPD). Dort gehe es darum, Gerichtsverfahren, die sich an Asylverfahren anschließen können, zu beschleunigen. "Wir haben darüber hinaus die gemeinsame Forderung an den Bund formuliert, dass er seine bereits vorhandenen Rückkehr-Beratungsstrukturen noch detaillierter und noch früher in die Gemeinschaftsunterkünfte bringt", so der Innenminister. Laut Pegel ist außerdem besprochen worden, dass die Landkreise und die kreisfreien Städte ihre Gemeinschaftsunterkünften ausbauen werden. Aber das Land werde "seine Erstaufnahmeeinrichtung hinsichtlich der Platzzahlen auch noch einmal Stück für Stück ausbauen".
Land empfiehlt Unterkunftsgrößen
Auf die Festlegung von Obergrenzen für Sammelunterkünfte in den Kommunen wurde verzichtet. Doch verwies Ministerpräsidentin Schwesig auf eine seit 2021 geltende Empfehlung, nach der in kleinen Orte wie etwa Upahl maximal 80 Personen untergebracht werden sollen, in Kleinstädten 150 bis 350. "Wir brauchen Unterkünfte vor Ort. Aber die Unterkünfte müssen zur Situation in den Gemeinden passen", betonte Schwesig.
Integration als zentrales Thema - Gespräch gehen weiter
"Wir sind sehr froh, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern aufgegriffen hat, dass wir auch die Erstaufnahmekapazitäten etwas anheben werden", erklärte Thomas Beyer (SPD), Vorsitzender des Städte- und Gemeindetages und Bürgermeister von Wismar. Das verschaffe den Kommunen etwas Luft und gibt mehr Steuerungsmöglichkeiten. Er sei froh, dass das Thema Integration den größten Teil der sechsstündigen Beratungen eingenommen hat. "Mit Sicherheit sind wir heute noch nicht endgültig fertig geworden", so Beyers Fazit. "Deswegen haben wir auch vereinbart, dass wir diese Gespräche fortsetzen."
FDP: Effiziente Abschiebung nicht geregelt
Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Landes-Flüchtlingsrats, begrüßte das Ziel, kleinere Gemeinschaftsunterkünften anzustreben. Noch besser wäre aber die dezentrale Unterbringung in Wohnungen, sodass der Kontakt mit der Bevölkerung gegeben sei. "Heime sind kein Ort, kein guter Ort für Kinder. Die Privatsphäre von Menschen ist dort oft überhaupt nicht gegeben."
Die FDP kritisierte nach dem Flüchtlingsgipfel, dass die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die Größe von Gemeinschaftsunterkünften zum Beispiel von 150 auf 80 Bewohner korrigiert wurde. "Liegt hier eine echte Wirtschaftlichkeitsberechnung vor oder ist dies eine von der Landesregierung gegriffene Größenordnung, die sich dem Unmut anpasst?" fragte FDP-Landtagsfraktionschef René Domke. Auch sei die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nicht beantwortet. "Wir fordern eine hoch qualifizierte und effektive zentrale Stelle, die Abschiebungsverfahren vor Gericht durchsetzt."
Die Landesvorsitzenden der Linken, Vanessa Müller und Peter Ritter, begrüßten die Festlegung, dass das Grundrecht auf Asyl, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention die Richtschnur der Flüchtlingspolitik bleiben sollen. Der Gipfel habe "Hass, Hetze, Rassismus und Aufwiegelung zur Gewalt" eine Absage erteilt, Bedrohungen von kommunalen Entscheidungsträgern dürften nicht toleriert werden.
Kommunen sehen sich an der Belastungsgrenze
Anlass des Spitzentreffens waren Klagen aus fast allen Landkreisen, dass die vorhandenen Wohnraumkapazitäten weitgehend erschöpft seien. Einige Landräte machten bereits deutlich, dass sie sich vom Land nicht genügend unterstützt sehen. Insbesondere die Vorgänge um die Containersiedlung für bis zu 400 Flüchtlinge in dem kleinen Dorf Upahl in Nordwestmecklenburg hatten den Konflikt deutlich gezeigt. Das Verwaltungsgericht Schwerin stoppte in der Vorwoche den Bau per einstweiliger Anordnung, weil nach Auffassung der Richter die Gemeinde bei den Planungen nicht ausreichend einbezogen wurde. Nun streiten Landkreis und Innenministerium, ob der vom Kreis veranlasste vorzeitige Baubeginn durch eine Richtlinie des Ministeriums gedeckt war.