Landtag MV: AfD sorgt für Eklat bei Debatte zum 9. November
AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer hat in der Landtagsdebatte in Schwerin zum 35. Jahrestag des Mauerfalls mit einer Entgleisung für einen Eklat gesorgt. Kramer unterstellte der SPD, sie würde ihn und seine Fraktion in ein "Internierungslager" stecken wollen.
Provokationen im Parlament und bewusste Grenz- und Regelverletzungen gehören zum Prinzip von Rechtspopulisten. Politikwissenschaftler haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es dabei auch darum geht, demokratische Abläufe verächtlich zu machen. AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer hat ihnen im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns in der Debatte zum 9. November und zum Jahrestag des Mauerfalls neues Anschauungsmaterial geliefert.
Aktuelle Stunde zum Mauerfall
Die Vorgeschichte: Die SPD-Fraktion hatte die Ereignisse um den 9. November 1989 zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht. Auf der Besuchertribüne saßen Zeitzeugen und Mitgestalter, unter anderem der Bürgerrechtler Heiko Lietz. Der SPD-Abgeordnete Thomas Krüger erinnerte mit sehr persönlichen Eindrücken an die Tage vor dem 9. November 1989, an die bange Frage, was passieren würde in der Wende und mit dem Ende der DDR.
Heutige Herausforderung: Freiheiten verteidigen
Damals habe die Herausforderung darin bestanden, Grundrechte und andere Freiheiten zu erkämpfen. Die seien mittlerweile selbstverständlich. Aber diese Selbstverständlichkeit mache ihm Sorgen. Auch in Deutschland würden die Freiheitsrechte - wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die freie Presse - von "Rechtsaußen" angegriffen. Heutzutage bestehe die Herausforderung darin, die Freiheiten zu verteidigen. Dazu brauche es Demokraten. Krüger appellierte an die Menschen: "Es ist ihr Land, es ist ihr Staat, es sind ihre Grundrechte, werden sie aktiv für die Demokratie." Die Gesellschaft müsse "beieinanderbleiben".
Schwesig: Klare Haltung gegen Extremismus gefragt
Diesen Akzent setzte auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die Demokraten von heute stünden auf den Schultern derjenigen, die 1989 die Freiheit erkämpft hätten. Aber mittlerweile stehe die Demokratie vor großen Herausforderungen. Die Menschen erwarteten, dass Politik nicht von Dauerstreit, sondern vom Bemühen um beste Lösungen geprägt sei. "Dabei ist allerdings eine klare Haltung gegen Extremismus und Spaltung und Hetze gefragt." Es könne keine Zusammenarbeit mit Kräften geben, "die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen oder gar abschaffen wollen." Schwesig sagte: "Demokratie darf nicht zur Debatte stehen."
Provokation der AfD zum 9. November
Offenbar fühlte sich AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer angesprochen. Er brachte den 9. November 1989 mit zentralen Begriffen der Rechtspopulisten in Verbindung, sprach von Heimatliebe, Identität und Tradition. Mit einer typischen Intonation sagte er, die friedliche Revolution sei "ein historischer Aufbruch unseres Volkes". Kramer ließ dann Attacken gegen die politischen Gegner folgen, die er als "die politische Kaste der Altparteien" verächtlich machte.
Kramer griff in seiner Rede die SPD an
Er warf ihnen vor, angeblich missliebige Opposition - gemeint waren die AfD und ihre Sympathisanten - zu unterdrücken. Die anderen Fraktionen würden sich mit den Errungenschaften der damaligen Bürgerrechtsbewegung schmücken, "ohne Hauch von Demut und Selbstreflexion". Das Erbe der friedlichen Revolution sei ihnen "völlig egal". Dass sich "ausgerechnet die SPD als Verteidiger des 9. November 1989 aufschwingt", nannte er "nichts weiter als Heuchelei".
Empörte Zwischenrufe bei Kramers Rede
Kramer schlug eine Welle von empörten Zwischenrufen entgegen. In einer Gegenrede warf SPD-Fraktionschef Julian Barlen Kramer vor, er mache mit seiner Rede die Verachtung seiner Fraktion für "die Institutionen unseres deutschen Staates" deutlich. Kramer entlarve sich selbst. Wenn Kramer behaupte, seine Fraktion stehe für einen kultivierten Meinungsstreit, dann passe das nicht. Der SPD-Fraktionschef erinnerte an den jüngsten Vorfall. Der AfD-Abgeordnete Martin Schmidt hatte mit einem Messer-Post Empörung ausgelöst. In einem Social-Media-Beitrag zeigte er eine Pinguin-Figur, die ein übergroßes Messer gegen Ministerpräsidentin Schwesig richtet. Darunter die Aussage "AFD-Fraktion voll auf Kurs". Barlen meinte, das sei "entlarvend".
Ältestenrat beschäftigte sich mit Kramers Rede
Kramer allerdings legte noch nach. Er brachte Barlens SPD in die Nähe zur SED-Diktatur als er eine Passage seiner Rede wiederholte: "Wenn Sie die Macht hätten, würden Sie mich, Herrn Schmidt und die gesamte AfD-Fraktion in ein Internierungslager stecken. Das unterstelle ich ihnen so." Bevor die Atmosphäre eskalierte, beendete Kramer seine Rede. CDU-Fraktionschef Daniel Peters meinte im Anschluss, in der Debatte hätte es eigentlich um die Würdigung des 9. November und der friedlichen Revolution gehen sollen: "Herr Kramer, Sie haben das Gegenteil davon getan." Bei dieser Kritik blieb es nicht: Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) erteilte Kramer nachträglich einen Ordnungsruf.
SPD will Vorgang strafrechtlich prüfen
Der AfD-Fraktionschef erklärte im Anschluss, er habe nicht die SPD gemeint, sondern Julian Barlen persönlich. Für die SPD-Fraktion ist die Sache damit dennoch nicht erledigt. Kramers Aussage vom "Internierungslager" sei eine absurde Verleumdung, so Fraktionschef Barlen in einer Pressemitteilung. Statt sachlicher Auseinandersetzung greife die AfD gezielt zu Lügen, um politische Gegner zu diffamieren. Man werde die Aussagen Kramers strafrechtlich prüfen lassen. Reden im Parlament sind allerdings grundsätzlich vor Strafverfolgung geschützt.