Großteil privater Pflegedienste in MV fürchtet um Existenz
Durch die Einführung von Tarifgehältern sehen sich viele Pflegedienste in Mecklenburg-Vorpommern in ihrer Existenz bedroht. Das hat eine Umfrage des Bundesverbandes ergeben. Das Sozialministerium verweist weiterhin auf den Rechtsweg.
Nach Angaben des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) in Mecklenburg-Vorpommern fürchten drei Viertel der privaten Pflegedienste im Nordosten nach eigenen Aussagen um ihre Existenz. Hintergrund sind die zum 1. September 2022 eingeführten Tarifgehälter in der Pflege. Die Krankenkassen sollen sich laut Gesetz an der Erhöhung beteiligen, zahlen die Preissteigerungen aber bislang nicht. 175 private Pflegedienste im Land hatten sich in der vergangenen Woche mit einem Brandbrief an die Landesregierung gewandt und fordern das Sozialministerium darin zur Vermittlung mit den Kassen auf.
Drese verweist auf Schiedsstelle und Rechtsweg
Für Sachgespräche stünde ihre Tür immer offen, teilte Sozialministerin Stefanie Drese am Donnerstag mit, das wüsste auch der bpa, so Drese weiter, "dazu bedarf es keiner ‚Offenen Briefe‘". Die Sozialministerin verweist demnach erneut auf das unabhängige Schiedsverfahren mit Schiedsspruch und wiederholt, "wenn auch der Schiedsspruch nicht akzeptiert wird, steht der Rechtsweg offen." Nach Angaben der bpa in Mecklenburg-Vorpommern ist bereits ein Gespräch zwischen Verband und Sozialministerium für Ende März geplant.
Pflegedienste fordern Refinanzierung gestiegener Gehälter
"Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung", sagt Michael Beermann, Landesvorsitzender der bpa in Mecklenburg-Vorpommern. Die höhereren Gehälter müssten von den Pflegediensten seit September 2022 gezahlt werden, auf dem Klageweg werde aber vielleicht erst in zwei bis drei Jahren eine Entscheidung fallen. "Das wird für die Pflegedienste zu spät sein", so Beermann bei NDR MV Live, "es ist fünf vor zwölf". Das Problem liege außerdem mehr bei den Krankenkassen als bei der Pflegeversicherung. Diese habe eine Steigerung der Kosten um 14 Prozent zugesichert, für Leistungen wie z.B. Körperpflege der betreuten Menschen. Ein Problem seien allerdings Leistungen wie Blutdruck messen oder Medikamentengabe. Für diesen Teil der Kostensteigerung sollten die Krankenkassen aufkommen, allerdings liege das Angebot der Kassen derzeit nur bei zwei Prozent, so Beermann.
Durch die Bezahlung auf Tarifniveau sind die Durchschnittsgehälter bei den Pflegediensten stark gestiegen, teilweise um etwa 20 Prozent. Demnach beträgt der durchschnittliche Stundenlohn für Fachpersonal in Mecklenburg-Vorpommern seit Februar 21,78 Euro. Auf eine 40 Stunden-Woche gerechnet sind das demnach 3.790 Euro Durchschnittsgehalt für Pflegefachkräfte. Ihre Preise müssen die rund 300 in der bpa MV organisierten Pflegedienste mit den Kranken- und Pflegekassen verhandeln. Sie können diese höheren Gehälter den Angaben zufolge nur bezahlen, wenn die neuen Tariflöhne von den Kranken- und Pflegekassen auch refinanziert werden.
Pflegedienste: Ohne Vorfinanzierung keine Planungssicherheit und Qualitätssicherung
Probleme sieht auch die Greifswalderin Jessica Mendle mit ihren 200 Angestellten. Aus ihrer Sicht fehle es durch die ständige Vorfinanzierung - bzw. das in Vorleistung gehen - an Planungssicherheit und Qualitätssicherung. Die Geschäftsführerin fordert nun eine zügige Gegenleistung von den Kassen. "Anstelle der durch den Gesetzgeber und die Reformen versprochene Entbürokratisierung und Entlastung werden Pflegedienste im Bereich der Nachweispflichten, der Qualitätssicherung, Abrechnung von Leistungen, Erklärungen gegenüber Kostenträgern, unberechtigte Ablehnungen von medizinisch notwendigen Leistungen, interne und externe Qualitätssicherungsmaßnahmen immer stärker gefordert", so Mendle.
MV hat höchste Pro-Kopf-Anzahl von Pflegebedürftigen
Mit 6.405 Pflegebedürftigen pro 100.000 Einwohnern ist MV das mit der höchsten Pro-Kopf-Anzahl von Pflegebedürftigen. Diese Zahl wird voraussichtlich weiter ansteigen, laut Barmer Krankenkasse von derzeit etwa 103.000 Pflegebedürftigen auf etwa 119.000 Pflegebedürftige im Jahr 2030. Ein Viertel dieser Menschen wird von ambulanten Pflegediensten versorgt. Etwa zwei Drittel der Pflegedienste im Nordosten sind privat organisiert und versorgen derzeit etwa 17.000 Pflegebedürftige. Das verbleibende Drittel der Pflegedienste wird von gemeinnützigen Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas oder der Diakonie organisiert.