Geflüchtete und Unterstützer fordern: Rostocker Notunterkunft schließen
Der Verein "Rostock hilft" fordert, dass die Notunterkunft für Geflüchtete im Stadtteil Schmarl geschlossen wird.
"Einmal haben sie uns nur Wasser mit Karotten drin als Essen gegeben", schimpft Felipe Leopoldo Fernandez König. Der 60-Jährige ist vor wenigen Monaten aus Chile geflüchtet, weil er dort nach eigenen Angaben in Lebensgefahr ist. Über Umwege ist er nach Rostock und dort in der Notunterkunft in der Industriestraße untergekommen. Es sei schlimm dort, berichtet Felipe. Unter anderem sei das Essen unzureichend und nicht nahrhaft.
Belastende Atmosphäre in der Unterkunft
Die Industriehalle, die im Stadtteil Schmarl als Unterkunft eingerichtet ist, hat laut Stadtverwaltung Platz für rund 300 Geflüchtete. An der Decke hängen noch Kran-Anlagen. Nach Berichten und Fotos von Bewohnern sei das Gebäude anfangs lose voller Pritschen gewesen. Mittlerweile seien mit dünnen Stellwänden kleine Privatbereiche eingerichtet- teils gerade groß genug für zwei Matratzen nebeneinander. Unter anderem die Lautstärke in der Halle mache die Bewohner mürbe, sagt Felipe: "Die Leute schlafen nicht richtig, sie sind alle erschöpft und leiden psychisch schon unter Anpassungsstörungen."
"Rostock hilft" fordert Schließung
Der Verein "Rostock hilft", der Geflüchtete berät und unterstützt, hat von vielen Bewohnern solche Schilderungen gehört- kann sich selbst aber kein Bild machen, sagt Angela Nielsen, die sich dort engagiert: "Es ist im Grunde genommen ein Skandal, dass es so menschenunwürdige Bedingungen gibt. Und es immer noch nicht geregelt ist, dass zum Beispiel Mitarbeiter von uns regelmäßig Zugang zur Unterkunft haben. Das wäre eine Sache, die nichts kostet und nur vom guten Willen abhängt." Der Verein fordert nun, dass die Stadt die Notunterkunft schließt. Man sehe keine Möglichkeit, dort noch eine würdige Unterbringung zu erreichen.
Bewohner erheben Gewaltvorwürfe gegen Sicherheitsdienst
Mehrere Bewohner erheben schwere Vorwürfe gegen den Sicherheitsdienst in der Unterkunft. Es sei zu Gewalttaten gekommen. Ein Video, dass dem NDR vorliegt, zeigt einen Mann mit Verletzungen im Gesicht. Er liegt trotz Regen in einem Schlafsack im Freien vor der Halle. Wie sein Freund dem NDR Nordmagazin erzählt, sei der Betroffene betrunken gewesen. Der Sicherheitsdienst habe ihn geschlagen und nicht in die Unterkunft gelassen. Auch ein anderer Bewohner sagt, dass ein Security-Mitarbeiter ihn körperlich angegangen ist. Der Geschäftsführer des Sicherheits-Unternehmens bestreitet dagegen, dass es Übergriffe gab.
Stadtverwaltung will Vorwürfe prüfen
Ansonsten kommentieren sowohl der Sicherheitsdienst als auch das DRK, das die Unterkunft betreut, die Vorwürfe nicht und verweisen an die Stadtverwaltung. Der zuständige Senator Steffen Bockhahn (parteilos) gibt erneut kein Interview zur Thematik. Die Pressestelle schreibt: "In der Summe lassen sich die Vorwürfe (…) nicht bestätigen." Subjektives Empfinden werde seitens der Verwaltung nicht negiert, die Zustände seien jedoch nicht menschenunwürdig, sonst könnte die Einrichtung nicht geöffnet sein und bleiben. Eine Schließung der Notunterkunft komme nicht infrage, sagt Stadtsprecher Ulrich Kunze dem NDR Nordmagazin: "Wenn wir diese Unterkunft schließen würden, müssten wir Turnhallen woanders aufmachen - wo es nicht besser ist. Wir brauchen ja die Dienstleister. Wir müssen diese Vorfälle auswerten, müssen versuchen, besser zu werden."
Rostock hilft fordert weiter Schließung
Der Verein "Rostock hilft" zeigt sich enttäuscht. Man fordere schon seit längerer Zeit, dass die Stadt sich für langfristige Lösungen engagiere. Es könne nicht sein, dass immer wieder unzureichende Lösungen aus dem Boden gestampft werden. Dass immer mehr Geflüchtete kommen, sei absehbar. Es gebe Beispiele von Kommunen, wo es vernünftige Lösungen gegeben habe, sagt Angela Nielsen: "Mit sozialem Wohnungsbau, mit Fördergeldern. Das geguckt wurde, wo können die dezentral untergebracht werden. Alle diese Sachen sind aus unserer Sicht nicht ausgeschöpft, sondern es wird immer nur reagiert, wenn eine Notsituation entsteht."