Lost in Loitz: Anwohner treffen Geflüchtete
Nach großen Protesten in der Vergangenheit haben sich erstmals Geflüchtete und Loitzer Anwohner ausgetauscht. Die Begegnung zeigt, ein friedliches Zusammenleben ist auch in Loitz möglich.
Peter Tucholski sitzt in einem kleinen Arbeitszimmer seines Loitzer Kulturhauses und zeigt mit Nachdruck auf den massiven Holztisch, der vor ihm steht: "Auf diesem Tisch, an dem wir sitzen, da wurden Schwangere entbunden, die auf der Flucht waren. Also wir haben das in diesem Haus auf jeden Fall schon erlebt, auch mit allen menschlichen Tragödien, die man sich vorstellen kann."
Loitzer kennen Fluchtgeschichten
Der 71-jährige Loitzer erzählt, wie nach dem Zweiten Weltkrieg 300 Menschen, die aus den Ostgebieten geflohen waren, im Loitzer Ballhaus Zuflucht fanden. Darum wollte er auch in dieser Woche die Türen für knapp 20 junge Syrer öffnen, die aktuell in der alten Grundschule im Ort untergebracht sind.
Leben in Warteschleife
54 Geflüchtete sind es derzeit noch. Auch die sollen zeitnah auf andere Unterkünfte verteilt werden, sagt ein Sprecher des Landkreises. Wann das aber konkret passiert, sei noch nicht klar. Für viele der Geflüchteten bedeutet das: monatelanges Warten ohne Perspektive.
"Ich fühle mich wie eingesperrt"
Majd ist 24. Er stammt aus Latakia im Nordwesten Syriens. Sein graues Basecap trägt er tief im Gesicht über einem grünen Kapuzenpullover und Turnschuhen. Er spricht leise, zurückhaltend und sein Blick schweift immer wieder durch den Saal, während er redet: "Jedes Mal, wenn ich rausgehen möchte, muss ich mich abmelden, indem ich meinen Namen auf die Liste schreibe. Wenn ich in ein anderes Bundesland fahren will, muss ich das im Vorfeld bei der Ausländerbehörde melden. Falls ich nach Greifswald fahren möchte, muss ich circa 12 Euro für die Verkehrsmittel bezahlen. Ich fühle mich in diesem Heim fast eingesperrt und kann nichts tun."
Fehlende Perspektiven
Majd hat in Syrien Informatik studiert, wie er sagt. Er würde gerne Deutsch lernen, arbeiten, sich seine Zukunft aufbauen. In Loitz sei all dies nicht möglich. Für die Geflüchteten gibt es im Ort keine Ansprechpartner. Kaum ein Mitarbeiter in der Unterkunft könne Englisch sprechen. Sprachkurse werden nicht angeboten. Sie wüssten nicht, wie lange sie noch in Loitz bleiben müssen und wenn sie weiterverteilt werden, wohin es geht. Das sorgt für Frust.
Amer, 26 aus Al Quneitra, Syrien: "Vor zehn Tagen, waren wir noch 120 Menschen. Für uns alle gibt es dort nur sechs Toiletten, vier Duschen und eine einzige Waschmaschine."
Stadt und Landkreis überfordert
Vize-Landrat Dietger Wille (CDU) beteuerte bereits Ende Januar, dass man mit dem Rücken zur Wand stehe. Alternative Unterbringungsmöglichkeiten wären schwer zu finden. Dennoch wird an dem Plan, die alte Schule "zeitnah leerzuziehen" festgehalten. Denn dort sollen bald Renovierungsarbeiten beginnen. Wann genau können man allerdings noch nicht sagen.
"Das ist nicht Loitz"
Jens Becker lebt seit zwei Jahren in Loitz. Er ist aus Berlin zugezogen und wurde sehr freundlich aufgenommen, wie er sagt. Umso erschrockener war er, als es auf einer Informationsveranstaltung zur Unterbringung der Geflüchteten Ende Januar viele fremdenfeindliche Wortmeldungen gab. Das negative Image, das seine Stadt momentan habe, schmerze nicht nur ihn, versichert er. "Ich habe von allen Menschen in meinem Umfeld das Echo bekommen, dass das nicht Loitz ist, das Loitz so nicht funktioniert."
Trotzdem brauche es seitens der Kommunen und der Landespolitik eine bessere Kommunikation. Es dürfe nicht so chaotisch ablaufen und es sei fatal, dass man das Feld damals Rechtsextremisten überlassen habe.
Gemeinsam essen und weitersehen
Die Sonne geht langsam unter über der Peene. Nachdem die jungen Syrer die Möglichkeit bekamen, sich über ehrenamtliche Hilfe aus Greifswald und Demmin zu informieren, wird gemeinsam gegessen. Fladenbrote, Pasten, Gemüsegerichte und gefüllte Teigtaschen stehen auf einer langen Tafel. Es ist Ramadan, der Fastenmonat der Muslime. Viele von ihnen haben seit Sonnenaufgang weder gegessen noch getrunken. Auch die Loitzer greifen zu.
Wie es für Amer und andere Geflüchtete aus Syrien weitergeht, weiß in der Stadt und dem Landkreis niemand zu sagen. Eine Begegnung zwischen Anwohnern und Geflüchteten ist dabei sicher auch keine Lösung. Aber vielleicht ein erster Schritt.