Demokratiebahnhof Anklam zwischen Abschied und Neustart
Der Verein Demokratiebahnhof ist aus dem Anklamer Bahnhof ausgezogen. Es gibt ein neues Quartier, aber mit deutlich weniger Platz. Und für die Zukunft ist einiges ungeklärt.
Rico Vtelensky sitzt zusammen mit drei Jugendlichen an einem kleinen Tisch und schneidet Gemüse für einen Salat. Um sie herum türmen sich Gegenstände wie eine Zuckerwattemaschine und verschiedene Musikinstrumente, aber auch Kartons mit Bastelsachen oder Informationsbroschüren. Der Verein Demokratiebahnhof e.V. hat in seinem neuen Quartier in der Friedländer Straße 39a in Anklam deutlich weniger Platz als zuvor - aus 400 sind 40 Quadratmeter geworden. Das meiste Inventar musste der Verein weggeben: Billardtisch, Kicker, Tischtennisplatte - für das alles ist nun kein Platz mehr.
Aus für Band-Proberaum, Kickertisch und Fahrradwerkstatt
Das wird die Jugendarbeit in Zukunft auch einschränken, schätzt Rico Vtelensky. Er ist seit knapp einem Jahr als pädagogischer Mitarbeiter beim Verein angestellt und kümmert sich um die Jugendlichen. "Manche sind zum Beispiel nur zum Tischtennis spielen in den Bahnhof gekommen - und darüber sind wir dann ins Gespräch gekommen und ich konnte mich mit ihnen austauschen", sagt er. Jetzt fehle einfach die Vielfalt an Möglichkeiten, um verschiedene Jugendliche anzusprechen. Deshalb werde das Angebot zukünftig sicher nicht mehr von so unterschiedlichen Leuten genutzt werden wie im Bahnhof. Dort hatten sie zum Beispiel auch einen Band-Proberaum und eine Fahrrad-Werkstatt. "Zudem fehlt hier einfach der Freiraum - ich bin hier immer in unmittelbarer Nähe."
Verein hofft, irgendwann in den Bahnhof zurückzukehren
Wichtig sei aber, dass es mit der Jugendarbeit in Anklam überhaupt weitergeht - da sind sich die Mitglieder des Demokratiebahnhof e.V. einig. Tino Nicolai hofft, dass es womöglich irgendwann wieder einen Weg zurück in das Bahnhofsgebäude gibt. "Ich habe das Gefühl, das liegt aber nicht mehr in unserer Hand, sondern in der Hand der Eigentümerin." Das ist die GWA, die städtische Wohnungsgesellschaft in Anklam. Sie hatte dem Verein Anfang des Jahres den Mietvertrag gekündigt – aus Sicherheitsgründen hieß es: Der Brandschutz und die Elektrik seien nicht mehr zeitgemäß und Zweifel an der Statik des Gebäudes gebe es auch. Ein entsprechendes Gutachten hat der Verein nie zu Gesicht bekommen.
Kosten für Grundsanierung des "Demokratiebahnhof" bei vier Millionen Euro
Eine Summe von mehr als vier Millionen Euro, die es bräuchte, um den Anklamer Bahnhof von Grund auf zu sanieren, stand damals im Raum - Geld, das die Stadt nicht hat. Zwischenzeitlich gab es Überlegungen, nur einen Teil zu sanieren, sodass die Jugendarbeit in einem Teil des Bahnhofs weitergehen könnte. Die Kosten hätten sich auf rund 350.000 Euro belaufen. "Ich würde mir wünschen, dass wir - auch wenn wir jetzt ausgezogen sind - gemeinsam nach Fördermittelgebern suchen", sagt Tino Nicolai vom Demokratiebahnhof e.V. Die GWA wollte sich dem NDR gegenüber nicht äußern und teilt nur schriftlich mit: "Wir hoffen, dass mit dem geplanten Auszug des Nutzers, die Angelegenheit ihren Abschluss findet." Derzeit fehle das Geld, um das Gebäude instand zu setzen.
Versunkene Fördermittel?
Unklar ist unterdessen, wie es mit einigen Dingen weitergeht, die der Verein nicht mitnehmen kann. Für den Demokratiebahnhof sind 2018 zum Beispiel 10.000 Euro aus dem Vorpommernfond für eine neue Heizungsanlage geflossen. Im Rahmen des Projekts Demokratiebahnhof wurde außerdem ein Anbau saniert und neu gestaltet. Dafür und für das Anlegen eines Gartens hatte das Umweltbundesamt mehr als 80.000 Euro Fördermittel bereitgestellt.
Positiver Blick in die Zukunft
Rico Vtelensky schöpft gerade neue Kraft: Er versucht, die neuen Räume mit den Jugendlichen zusammen zu gestalten. Ansonsten will er in der Stadt unterwegs sein, um auch die zu erreichen, denen die 40 Quadratmeter in der Friedländer Straße zu eng erscheinen.