Bundesratspräsidentschaft: Schwesig holt die Segel ein
Nach einem Jahr gibt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) an diesem Donnerstag turnusmäßig ihr Amt als Bundesratspräsidentin ab. Neue Chefin der Länderkammer ist Schwesigs SPD-Parteifreundin, die saarländische Regierungschefin Anke Rehlinger.
Das muss man den Werbe-Strategen, die die Staatskanzlei in Schwerin engagiert hat, lassen: Das MV-Motto zur Bundesratspräsidentschaft "Vereint Segel setzen" klang dann doch irgendwie griffiger als der Nachfolge-Slogan aus dem Saarland: Der saarländische Leitspruch "Zukunft durch Wandel" kommt eher abgedroschen daher und passt eigentlich immer: Ende März 2020 war beispielsweise das Schuh-Symposium im thüringischen Zeulenroda mit dem selben Motto überschrieben, ergänzt durch den Zusatz: "Braucht der Komfortschuhhandel neue Wege?"
Der Punkt geht also nach Schwerin. Überhaupt hat Schwesigs Team versucht, das Amt, das eigentlich vor allem repräsentative Aufgaben mit sich bringt, mit viel politischer Bedeutung aufzuladen. Dabei hatte Schwesig als Bundesratspräsidentin vor allem die Sitzungen der Länderkammer zu leiten - als vierte Frau im Staat, nach Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundestagspräsidentin. Für Schwesig war es mehr: Sie habe 52 Botschafter "aus aller Welt getroffen", formuliert die Staatskanzlei in einer Bilanz auf Instagram, 202 Termine seien wahrgenommen worden. Schwesig nutzte den Glanz ihres Amtes, um für sich und auch Mecklenburg-Vorpommern zu werben.
Erste Auslandsreise fällt ins Wasser
Dabei ging allerdings auch etwas schief. Die gleich zu Beginn mit viel Tamtam angekündigte "erste Auslandsreise als Bundesratspräsidentin ins Nachbarland Polen" fand nicht statt. Anders als zunächst zugesagt, wurde Schwesig nicht zu einem offiziellen Staatsbesuch in Polens Hauptstadt Warschau empfangen. Die für Februar geplante Visite wurde "aus innenpolitischen Gründen" zunächst verschoben und musste am Ende - trotz gegenteiliger Beteuerungen von Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD) - ganz ins Wasser fallen.
Er und Schwesig bemühten sich, die Teilnahme am Holocaust-Gedenktag im ehemaligen deutschen KZ Auschwitz als Polen-Besuch darzustellen. Allerdings erfolgte diese Reise im Schatten von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Einen Staatsbesuch mit politischen Gesprächen in der Hauptstadt des Nachbarn konnte die durchaus wichtige erinnerungspolitische Geste nicht ersetzen. So bleibt am Ende ein Makel. Offenbar haben die Polen Schwesigs lange russlandfreundliche Politik, die mit einer Ignoranz polnischer Interessen einherging, nicht vergessen.
Schwesig setzt Zeichen in der Ukraine
Ein Statement setzte Schwesig allerdings mit ihrem überraschenden Besuch in der Ukraine. Dort machte sie mit der Aussage, das Land müsse den Krieg gegen Russland gewinnen, auch bundesweit auf sich aufmerksam und verprellte ihren Koalitionspartner in Schwerin. Es war ein klares Signal für die Unterstützung der Ukraine, das weiter ging als das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der beschränkte sich darauf zu erklären, Russland dürfe den Krieg nicht gewinnen. Schwesig war auch ansonsten bemüht, außenpolitisch Achtungszeichen zu setzen, beispielsweise bei den Gedenkfeiern zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Paris oder bei der Einweihung des Holocaust-Museums in Amsterdam. Die Erinnerung und die Mahnung an die deutsche Vergangenheit sollte ein Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft sein.
Ermahnung an SPD-geführte Bundesregierung als Bundesratspräsidentin
Wirtschaftlich haben die sieben Auslandsreisen - zuletzt nach Brasilien - über die bereits verabredeten Kooperationen nichts Neues gebracht. Schwesig verkaufte sie dennoch als Erfolg. Die CDU-Opposition spricht von "teurer Eigen-PR", die wirtschaftlich nichts gebracht haben. Auch innenpolitisch versuchte Schwesig, Akzente zu setzen. Sie ermahnte die "eigene" SPD-geführte Bundesregierung, die Stimmung im Land nicht zu ignorieren - auch in einer Rede als Bundesratspräsidentin. Beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Schwerin las sie der Ampel die Leviten und rief dazu auf, den Streit zu beenden.
Der Streit ist in den vergangenen Wochen eskaliert. Schwesig wird ihn nach dem Kurzzeit-Auftritt auf der bundespolitischen Bühne von Ferne aus betrachten. Die Ministerpräsidentin muss sich jetzt wieder in die Mühen der landespolitischen Ebene begeben. Als erstes steht der Umgang mit dem massiven Haushaltsdefizit an, das sich in den vergangenen Monaten ergeben hat. Die Spielräume werden enger und der Glanz des Präsidentenamts fehlt.