Boom in grünen Berufen: Die Zahl der Auszubildenden steigt
Immer mehr junge Menschen entscheiden sich in MV für eine Ausbildung in der Land- und Forstwirtschaft. Mittlerweile gibt es auch mehr Frauen in den männerdominierten Berufen.
Ein "Achtung!“ hallt durch den Wald, gefolgt von einer angespannten Stille. Dann knarrt es und der Baum kippt. Vereinzelte Äste bleiben an einem anderen Baum hängen, bevor sie der Stamm mit nach unten reißt. Mit einem lauten Rums schlägt die Fichte auf dem schneebedeckten Waldboden auf. Sarah Nadine Kohrs klappt das Visier am orangenen Schutzhelm hoch. Ihr Atem dampft in der kalten Frühjahrsluft. Sie begutachtet die Schnittkannte am Holzstumpf: "Ach scheiße, geht besser!“ Die Schnittkante ist nicht gleichmäßig, links deutlich schmaler als rechts. Dadurch ist der Baum nicht optimal gefallen und hat einen anderen Baum gestreift. Die 22-Jährige macht im zweiten Lehrjahr eine Ausbildung zur Försterin im Forstamt Grabow.
Mit dem Interesse an der heimischen Natur ist sie nicht allein. In den letzten fünf Jahren haben sich immer mehr Jugendliche für eine Ausbildung in der Forst- und Landwirtschaft entschieden, so die Statistik vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Der Ausbildungsboom in den Grünen Berufen ist auch in der Fischwirtschaft zu spüren. Dort gibt es im Bereich Aquakultur und Binnenfischerei eine Verdopplung der Auszubildenden. Außerdem ist die Ausbildung zur Fachkraft im Agrarservice immer beliebter. Vor fünf Jahren waren etwa 30 Auszubildende im Agrarservice tätig. Mittlerweile gibt es über 60 Auszubildene in diesem Bereich. Der Agrarservice umfasst mehrere Dienstleistungen wie das Warten landwirtschaftlicher Maschinen, das Bertreiben von Ackerland und die Vermarktung der Erzeugnisse.
Die Gründe für den Ausbildungsboom sind verschieden
Sarah klappt ihr Helm-Visier nach unten und zieht an der Schnur der Kettensäge. Der Motor rattert los. Es dröhnt durch den Wald. Sarah geht in die Knie, um den gefällten Baum weiter zu bearbeiten. Die Kette frisst sich durch die Äste und helle Späne wirbeln durch die Luft. Der Abgas-Geruch der Kettensäge vermischt sich mit dem Duft nach frischem Holz. "Das Schöne am Beruf: Er ist sehr vielfältig. Es ist nicht nur das stupide Bäume fällen, es ist auch das Pflanzen, der Umweltschutz, Kultur-, Pflegemaßnahmen, sprich Mähen und so vieles mehr im Grunde. Es ist echt schön!“, erzählt sie. Sie mag die körperliche Arbeit und die frische Luft, die der Ausbildungsberuf mit sich bringt.
Für andere Auszubildene sei es ein Anreiz, dass die landwirtschaftlichen Berufe immer technischer werden, erklärt Clara Tobaben. Sie ist Referentin für Bildung beim Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem sieht sie einen Zusammenhang zwischen der Pandemie und dem Boom in den Grünen Berufen. Die Menschen hatten sich bewusster mit der Ernährung und der Produktion von Lebensmitteln auseinandergesetzt. Das habe auch das Interesse für diesen Berufszweig geweckt.
"Die Herausforderung der Forstwirtschaft liegt in den nächsten Jahren in Bezug auf den Klimawandel, neue Baumarten, Trockenheit, dieses Gebiet wird immer trockener und ich denke, dem entsprechend wird sich die Fortwirtschaft anpassen, auch ausbildungstechnisch“, sagt Tim Hagemann. Er ist der Ausbilder von Sarah und mit sechs Azubis an diesem Tag in einem Wald bei Grabow im Einsatz. Der Wald sei einfach interessant mit all seinen Naturschutzfunktionen.
Immer mehr junge Frauen arbeiten in den Grünen Berufen
In der Forst- und Landwirtschaft ist der Frauenanteil im Vergleich zum Jahr 2017 um rund 50 Prozent gestiegen. Heute sind 271 Frauen in der Ausbildung, vor fünf Jahren waren es knapp hundert weniger. Insgesamt ist das Berufsfeld mit 781 männlichen Auszubildenden jedoch weiterhin männerdominiert. Im Ausbildungszweig wie dem Agrarservice, liegt der Frauenanteil beispielsweise bei fünf Prozent. In der Forstwirtschaft ist mittlerweile jede fünfte Auszubildende weiblich.
Es gibt auch einzelne Ausbildungsberufe, in denen sich das Geschlechterverhältnis umgekehrt hat. Dies ist zum Beispiel bei der Ausbildung zum Tierwirt der Fall. Im Jahr 2017 gab es in diesem Ausbildungsberuf etwa doppelt so viele Männer wie Frauen. Dieses Jahr sind hingegen zwei Drittel der Azubis weiblich und ein Drittel männlich.
Sarah ist der Meinung, dass der steigende Frauenanteil nicht an der Mentalität der Frauen liege. Sie sagt: "Ich glaube, dass die Gesellschaft offener geworden ist, also dass gerade uns Frauen heutzutage im Vergleich zu früher auch die Chance geboten wird - dass wir gern gesehen sind mittlerweile.“