NDR Info - Redezeit
Dienstag, 27. Februar 2024, 20:33 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Was bewirkt die Bezahlkarte für Geflüchtete?
Hörerinnen und Hörer haben in der NDR Info Redezeit zusammen mit Experten über die Auswirkungen von bargeldlosen Leistungen diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt.
In Deutschland sollen Geflüchtete künftig eine sogenannte Bezahlkarte erhalten, mit der sie bestimmte Leistungen beziehen können. Bei der Einführung gibt es politische, technische und bürokratische Hürden. Und auch über den Nutzen gibt es keine Einigkeit.
Bundesweit soll sie eingeführt werden - die Bezahlkarte für Asylbewerber. So hatten es zumindest die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November 2023 verabredet. Damit sollen Geflüchtete einen Teil der staatlichen Unterstützung künftig guthabenbasiert, als Prepaid-Karte erhalten. Wie viel Bargeld ihnen zur Verfügung steht, entscheidet jedes Bundesland für sich. Die Einführung erfolgt Schritt für Schritt bis zum Ende des Jahres. Bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern folgen dabei alle Bundesländer einem Vergabeverfahren, das in Hamburg entwickelt wurde und dort nun auch schon erprobt wird.
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Als erstes Bundesland ist Hamburg bereits dabei, auf die Bezahlkarte umzustellen. Die ersten Asylsuchenden erhalten ihre Leistungen seit dem 15. Februar damit nicht mehr in bar. Stattdessen setzt die Hansestadt auf eine guthabenbasierte Visa-Debitkarte. Darauf ist eine monatliche Gutschrift von 185 Euro enthalten, mit der jeder Erwachsene Dinge des täglichen Bedarfs eingekaufen und bezahlen kann. Leistungen für Kinder werden ebenfalls auf der Karte eines Elternteils gutgeschrieben. Auch Barabhebungen an Geldautomaten sind möglich, allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 Euro pro Monat - plus 10 Euro für jedes Kind. Zunächst erhalten alle Neuankömmlinge in der Zentralen Erstaufnahme in Hamburg die Karte.
Hannover setzt schon länger auf die "SocialCard"
In Hannover ist die sogenannte "SocialCard" bereits im Dezember 2023 vorgestellt worden. Damit ist Hannover als Kommune bundesweit Vorreiter. Optisch sehen die Bezahlkarten aus wie jede andere Bankkarte. Dadurch können ihre Nutzer nicht sofort als Menschen mit Flüchtlingsstatus erkannt werden. Eine Kooperation mit dem Kartenanbieter Visa soll eine hohe Akzeptanz der Karte gewährleisten. In anderen Bundesländern im Norden läuft die politische Diskussion zu diesem Thema noch.
Entlastung der Verwaltung - oder Eindämmung der Migration?
Über den Nutzen der Bezahlkarte sind sich weder Befürworter noch Gegner untereinander einig. Im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz heißt es dazu: "Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität." Hoffen also die einen auf weniger Verwaltungsaufwand, weil die monatliche Bargeldausgabe entfällt, setzen die anderen auf weniger Anreize zur Migration - also auf eine Senkung der sogenannten Pull-Faktoren.
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein: "Ein fatales Signal"
Welche Wirkung tatsächlich eintritt, ist umstritten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bezeichnete die Einführung der Bezahlkarte als einen Meilenstein, der dabei helfe, die Anreize für "irreguläre" Migration zu senken. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein kritisierte, dies sei "ein fatales Signal". Suggeriert werde, dass Asylsuchende dadurch derart "reichlich ausgestattet werden, dass sie umfangreiche Heimatzahlungen machen könnten". Dies sei jedoch nicht der Fall.
Was meinen Sie? Ist die Einführung der Bezahlkarte ein sinnvoller Schritt? Und wenn ja, warum? Welche Hürden sehen Sie? Kann die Bezahlkarte diskriminierend wirken oder erleichtert sie den Kommunen die Verwaltungsarbeit? Um diese Fragen geht es in der Redezeit. Wir freuen uns auf Sie.
NDR Info Moderatorin Janine Albrecht begrüßte als Gäste:
Kazim Abaci
Fachsprecher für Migration, Integration und Flüchtlinge der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion
Claire Deery
Fachanwältin für Migrationsrecht und Vorstandsvorsitzende des Flüchtlingsrates Niedersachsen
Prof. Dr. Jochen Oltmer
Soziologe und Historiker, Institut für Migrationsforschung, Universität Osnabrück